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Alexander Morosow: Das Schlimmere kann das Bessere nicht schädigen

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- Wie wird das Volk unseres Staates seine Regenten nennen?
- Retter und Helfer.
- Und wie werden sie ihr Volk nennen?
- Zahler und Ernährer.
- Und die Regenten einander?
- Kameraden im Wachdienst.
Platon ¹

Wir leben doch in einer interessanten Zeit. Nicht jeder hat die Chance ein Zeuge von Veränderungen zu werden, deren Umfang und Bedeutung sogar für die besonders begabten Hellseher und Prognostiker schwer zu begreifen ist.

Die Diskussionen über die neue Weltwährung, der neue Blick auf den Finanzmarkt, das neue Risikoauswertungssystem – das alles sind bloß die ersten Schwalben.
Unter Berücksichtigung, dass zum Beispiel in Deutschland neulich eine Massenveranstaltung stattgefunden hat, bei der der Kapitalismus symbolisch beerdigt wurde, sollte das anstehende Gipfeltreffen der G20 nicht langweilig werden.

Die Ukraine steht aber nicht zurück. Sei die Integration in die EU nicht im vollen Umfang gelungen, wurde unser Gastransportsystem wiederum da angenommen. In fünf Jahren kann die Ukraine zusätzliche 60 Mrd. Kubikmeter Gas Europa zur Verfügung stellen, wenn natürlich dessen Besitzer und Lieferant aufhört, Launen zu haben.

Außerdem hat unser Staat einen erfolgreichen Test seiner wichtigen Polit-Karma-Waffe durchgeführt. Sobald unser Präsident ein europäisches Land besuchte, dessen Ministerpräsident heute an der Spitze des exekutiven Organs der EU steht, wurde dieser Ministerpräsident umgehend in den Ruhestand geschickt.

„Ein Zufall – ist der Gotteskuss“. Es gibt den Verdacht, dass unsere mit dem Staatschef mal befreundeten Nachbarn sich genau an diese Volksweisheit erinnern, und deswegen seine Besuche immer mehr befürchten.

Die Krise, die jeden Monat immer mehr einschlägt, hat schon angefangen, die ersten positiven Früchte zu tragen – so oft, wie noch nie davor, hört man überall die Aufrufe positiv zu denken und sich nicht ausschließlich auf die Probleme zu konzentrieren.

Die Frage ist bloß, inwieweit es uns gelingt, diesen Aufrufen in der Tat zu folgen. Unser Bewusstsein gerät doch viel leichter in die Richtung der Gedanken über die unangenehme Staatsmacht, ständig steigende Preise, nicht getilgte Kredite, böse Banker etc.

Es ist offensichtlich, dass das Leben so gebaut ist, dass es viel einfacher fällt, in das Negative einzutauchen, als bis an das Positive zu reichen. Aber genau darin liegt der Sinn der eigenen Vervollkommnung.

Die heutige Krise – ist eine Prüfung, die uns vom Leben bereitet wurde. Und es ist kein Zufall, dass unter allen zivilisierten Ländern diese Prüfung die Ukraine am schwersten erwischt. Wer sonst wurde innerhalb des letzten Vierteljahrhunderts so vielen Unannehmlichkeiten ausgesetzt: die Tschernobyl Katastrophe, „verbrannte“ Ersparnisse, leere Regale in den Läden, Hyperinflation, Verliese und totale Gehirnwäsche, Fälschung, Revolution, Gesamtverrat…

Und das alles passiert unter der „sensiblen“ Leitung von drei Präsidenten: der Ideologe der KPSU – heute Befürworter der Integration in die NATO, der Rote Direktor – heute in der Rente auf der Yacht auf Sardinien, und der Dorfbuchhalter – aktuell gekleidet in Anzügen von „Zilli“…

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Vielleicht werden wir nachhinein kolossale Vorteile davon tragen, dass wir alle diese Prüfungen durchgemacht haben?

Ja, einige können unter solchen Prüfungen zusammenbrechen. Aber einige werden dadurch wesentlich stärker. Der Autor hofft innig auf das zweite.

Die Länder, wo bis gestern noch angebracht war diese als „wirtschaftlich entwickelte“ zu bezeichnen und die gerade alle möglichen „Antikrisenpakete“ verabschieden, sind heute eigentlich nur um eines besorgt – wie man die Landung auf dem Grund weicher machen könnte. Es gibt gerade nicht viele Ideen, aber das anstrengende Brainstorming ersetzt langsam die totale Ratlosigkeit.

Die ukrainische Landung verspricht wiederum hart zu werden. Mit der Hilfe des IWF oder ohne diese – landen wir ganz bestimmt als einer der ersten in der Welt auf dem Boden (der Tatsachen).

Und das bedeutet für uns, dass wir unter Berücksichtigung unserer Abhärtung durch alle vorherigen Prüfungen eine Chance bekommen, uns besonders schnell an die neue „Nach-Krisen-Weltordnung“ anzupassen.

Natürlich erleichtert das Geld alle Erprobungen. Aber manchmal sind die nützlichen Gedanken viel mehr wert als Geld (insbesondere, wenn man kein Geld hat…). So zum Beispiel:

  • Die Minister, die auf ihren Koffern sitzen, können nur für das Interesse arbeiten, das in diese Koffer hinein passt. An das staatliche Herangehen in so einer Situation zu denken, fällt ihnen unheimlich schwer. Deswegen, wenn keine Möglichkeit besteht das Personal auszuwechseln, sollte man wahrscheinlich keinen Wechsel verkünden.
  • Wenn die Prognose sich verwirklicht, mit deren Umsetzung sich der Fernsehsender „Inter“ beschäftigt, und Jazenjuk zum Präsidenten ernannt wird, und unter Beibehaltung der alten „Spielregeln“ weiter Timoschenko als Ministerpräsidentin amtiert, was für eine neue Wende der „effektiven“ Zusammenwirkung (genauer gesagt – Gegenwirkung) wird unser Land erleben?

Insbesondere sollte sich Janukowitsch Gedanken darüber machen, dessen Fraktionsstimmen heute immer noch für die konstitutionelle Mehrheit im Parlament notwendig sind.

  • Wenn „Alfa“ jetzt nicht nur gegen den Terrorismus kämpft, sollten sie lieber diejenigen Banken stürmen, die während der Krise die Bürger frech betrogen haben. Zum Beispiel: kommen sie den Anträgen schwer kranker Anleger nach, indem sie das Geld von den Depotkonten auf die eingefrorenen Girokonten überweisen, auf denen so wie schon seit einigen Monaten nicht erhaltene Renten „hängen bleiben“… (die Adresse von so einer Bank kann der Autor nennen).
  • Es ist klar, dass es dem Präsidenten schwer fallen wird, wieder so eine unikale Führung für die Nationalbank zu finden, wie die amtierende – mit genau solchen Fähigkeiten für Wechselkursprognosen, mit ähnlicher Klarheit bei der Situation mit den Krediten der Bevölkerung (besonders den Devisenkrediten), der durchgeführten Refinanzierung und dazu noch mit so einem Unterstützungsniveau im Parlament. Vielleicht sollte der Präsident sich doch noch auf die Suche machen?
  • Damit der Botschafter den Bürgermeister wegen seiner Beschwerden wirklich bemitleidet, sollte er entweder genauso genial oder genauso verrückt sein.
  • Es wäre schön, den Krieg zwischen den einzelnen Machtorganen einzustellen. Wenn es Ihnen nicht gefällt, wie die Leber oder die Nieren funktionieren, dann sollte man diese wohl kaum mit der Rute verprügeln.

Das Negative seitens der ersten Personen unseres Staates bezüglich des Banksystems wird wohl kaum dessen Verbesserung fördern. Wirklich hilfreich könnte zum Beispiel eine öffentliche Stellungnahme der Regierung hinsichtlich der Entwicklungsstrategie der Staatsbanken sein.

  • Wenn die Regierung ihren Bürgern und die Banken ihren Kunden nichts zu sagen haben, was die künftige Strategie und konkrete Pläne für die Krisenüberwindung betrifft, muss man sich nicht wundern, dass das Vertrauen fehlt. Es gibt kein Vertrauen ohne Information. Außerdem wird es leicht und schnell verloren gehen, aber für die Wiederherstellung braucht man viel mehr Zeit.
  • In Anbetracht der jüngsten Ereignisse im Bankenbereich könnte es sinnvoll sein, die Initiative der amerikanischen Gesetzgebung zu entlehnen, laut der eine 90% Steuer für die Managerboni eingeführt wurde, deren Unternehmen eine staatliche Hilfe erhalten haben.
  • Wenn das Geschäft sich aktiv in den Schatten (d.h. jenseits des Gesetzes) begibt, muss es trotzdem in diesem Schatten seinen Weg mit etwas beleuchten.
    Die Stromausgaben – sind ein sicheres Zeichen fürs Steueramt, nach dem man einen „Schattenunternehmer“ von einem anständigen Steuerzahler unterscheiden kann.

In der Realität ist alles, was heutzutage mit unserem Land passiert, überhaupt nicht neu.

Man liest zum Beispiel die Analyse der achtbaren Julija Mostowaja über die jüngsten „Konstellationen“ der ukrainischen Politik, die beispielsweise über die Pläne der Bankowa Straße (Sitz des Präsidenten) diskutiert: „Es steht vor ihnen, (das wie vielte Mal?) die heutigen Vereinbarungen über die morgige Postenverteilung abzustimmen; ihre Chancen vor dem Verfassungsgericht einzuschätzen; die Verantwortlichen und die Ressourcen für die Arbeit mit den potentiellen Alliierten zu bestimmen; eine Taktik für den Kampf in dem Tagungsraum für das neue Wahlgesetz auszuarbeiten; die Stellungnahmen zur Verfassung zu vergleichen; sich bezüglich der vorgezogenen Präsidentenwahlen zu entscheiden; Möglichkeiten der Administrativressourcen gegenüberzustellen; Methoden der Auseinandersetzung mit dem Widerstand der Timoschenko zu erfassen etc.“

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Und man erwischt sich beim Gedanken – eigentlich fehlt doch das Wichtigste in allen diesen politischen Konstellationen, und zwar: um wessen willen sollte die Politik in der Tat gemacht werden – da fehlt der Bürger! Und dann versteht man, inwieweit die Worte Platons, den wir am Anfang des Artikels erwähnt haben, im Bezug auf unser Land aktuell klingen:

_Die Oligarchie – ist eine Ordnung, der ein Vermögenszensus zugrunde liegt, an der Macht sind die Reichen, und die Armen beteiligen sich an der Regierung nicht…anstatt es anzustreben, sich einen guten Ruf zu verschaffen, entwickelt sich die Neigung zur Raffgier und zum Gewinn._²

Bei der Oligarchie werden die Regenten, die an der Macht sind und reich sind, es nicht wollen, die Undiszipliniertheit der Menschen einzuschränken und ihnen zu verbieten, ihr Vermögen zu verschwenden und zu verlieren; umgekehrt, sie werden ihr Vermögen einkaufen oder ihnen das Geld für Zinsen leihen, um noch reicher und mächtiger zu werden.

…dem Armen fällt ein, dass diese Art von Menschen nur dank der Mutlosigkeit der Armen reich ist. …sie sind voller Hass und stiften einen Umsturz an.

_Der Staat, der in einem derartigen Zustand ist, wird krank und kämpft gegen sich selbst aus dem kleinsten Anlass, dabei stützen sich einige seiner Bürger auf Hilfe seitens eines oligarchischen Staates, und andere – auf Hilfe seitens eines demokratischen; im Übrigen entsteht ein anderes Mal eine Fehde auch ohne Einmischung vom außen.
(Platon, „Der Staat“, 380 Jahr v. u. Z.)_

Nur noch eins verleiht Zuversicht. Laut Platon ist es unmöglich, ohne die Phase der „Oligarchie“ durchgemacht zu haben, zu einer idealen Staatsordnung zu kommen, die dem Dialog im Motto dieses Artikels zugrunde liegt.

Das heißt, wir haben alles noch vor uns.

Alexander Morosow, 31.03.2009

Quelle: Ukrajinska PRawda

¹Rückübersetzt aus dem Russischen. In der deutschen Übersetzung von Zeno.org heißt es:

Wie nennt aber in den übrigen das Volk die Regierenden sonst noch, außer »Mitbürger«?
In den meisten »Herrscher«, in den demokratisch eingerichteten aber eben mit diesem Namen »Regierung«.
Erhalter und Helfer, antwortete er.
Und diese das Volk?
Lohngeber und Ernährer.
Dagegen in den andern die Regierenden das Volk?
Knechte, erwiderte er.
Und die Regierenden einander?
Mitregierende.
Aber die unsrigen?
Mitwächter.

² Rückübersetzt aus dem Russischen. In der deutschen Übersetzung von Zeno.org heißt es:

Welche Staatseinrichtung, fragte er, verstehst du denn unter dem Namen Oligarchie?

Ich antwortete: Die auf Vermögensschätzung gegründete Staatsverfassung, in der nur die Reichen das Ruder führen und dem Armen kein Anteil an der Regierung zukommt.
[…]
Da sitzen nun diese, denke ich, bestachelt und bewaffnet im Staat, einige verschuldet, einige ihrer Staatsbürgerrechte [308] beraubt, einige beides, kochen Haß und Pläne nicht nur gegen die Inhaber ihres durchgebrachten Vermögens, sondern auch gegen die übrige Welt, und lauern auf eine Revolution.
[…]
Jene geldhungrigen Schacherer aber ducken sich bekanntlich und tun, als bemerkten sie diese Herabgesunkenen gar nicht, schießen jeden nächsten besten der übrigen jungen Herrn, der sich nicht zur Wehr setzt, mit einer Ladung ihres Geldes an, streichen die das Kapital weit übersteigenden Zinsen ein und bringen also eine große Drohnen- und Bettlerzahl in dem Staate hervor.
[…]
Wie nun ein krankhafter Körper nur einen ganz kleinen Anstoß von außen braucht, um in eine tödliche Krankheit zu verfallen, ja bisweilen ohne die äußeren Einwirkungen mit sich selbst in Zwiespalt gerät, – nicht wahr, so verfällt auch der mit jenem Körper in denselben Zuständen befindliche Staat auf eine ganz geringfügige Veranlassung, mag nun die eine Partei Hilfe von außen her von einem oligarchisch regierten Staate oder die andre von einem demokratischen Staate Hilfe zugeführt bekommen, in eine Krankheit und gerät in einen Kampf mit sich selbst, – ja zuweilen kommt es schon ohne diese äußeren Veranlassungen zu einem Bürgerkrieg?

Übersetzerin:   Vita Martynyuk — Wörter: 1820

Vita Martynyuk stammt aus Kiew, hat von 1998-2003 ein Diplom als Übersetzerin/Dolmetscherin für Russisch/Ukrainisch/Deutsch/Englisch im Fachbereich: Technische Fachliteratur an der Nationalen Technischen Universität der Ukraine „KPI“ in Kiew erworben.
Danach machte sie noch einen Master of Global Studies Fachbereich: Gender Studies, Regional Studies, Geschichte an der Universität Wien und der Universität Leipzig, wo sie heute lebt und je nach Zeit zu den Ukraine-Nachrichten beiträgt.

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