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Digitale Technologien kommen in die ukrainischen Schulen

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Bildungsministerin Lilija Hrynewytsch und Charkiws Gouverneurin Julija SwitlytschnaBildungsministerin Lilija Hrynewytsch und Charkiws Gouverneurin Julija Switlytschna auf dem EdCamp Foto: edcamp.org.ua
“Wir fangen mit der Entwicklung der digitalen Bildung in der Ukraine an – eine nationale Bildungsplattform und E-Books werden geschaffen, aber wir brauchen Hilfe. Unter anderem laden wir Programmierer und Geschäftsvertreter zur Zusammenarbeit ein. Moderne Technologien in der Schule werden Kinder zum Lernen motivieren und praktische Fertigkeiten sowie Kompetenzen entwickeln”, erklärte die Ministerin für Bildung und Wissenschaft der Ukraine Lilija Hrynewytsch am Runden Tisch “Neue Bildungsqualität durch digitale Technologien: Perspektiven des E-Learning-Markts in der Ukraine“ im Mai in Kyjiw.

Und bereits im Juli fand mit der Teilnahme der Ministerin die vierte nationale (Nicht-) Konferenz für Schullehrer EdCamp Ukraine 2018 in Charkiw statt. Bei dieser Konferenz waren dutzende Expertinnen und Experten aus sechzehn Ländern der Welt anwesend. Unter ihnen waren auch diejenigen, die die digitale Bildung fördern. Sie tauschten ihre Erfahrung aus, diskutierten und brachten hunderten ukrainischen Lehrerinnen und Lehrern bei, wie sie Gadgets und Technologien benutzen können.

Neue Technologien in der neuen ukrainischen Schule einzuführen, verspricht auch das Ministerium für Bildung und Wissenschaft der Ukraine.

Der Expertenkreis ist überzeugt, dass die digitale Bildung effektiver und ökonomischer als die traditionelle Methodik ist. Einige der von ihnen vorgeschlagenen Neuerungen sind für Ukrainer längst bekannt, doch sind sie noch nicht in die Schule vorgedrungen. Andere wirken wie Zukunftstechnologien, doch sind sie bereits jetzt zugänglich. Nichts hindert die Schule daran, „digital“ zu sein, man muss nur die Lehrerschaft mit den neuen Möglichkeiten vertraut machen.

„So zu zu, als ob Gagdets nicht existieren würden, als ob sie Feinde der Schule wären, ist sinnlos. Sind sind bereits Teil des Lebens, daher müssen sie zum Teil des Lernprozesses werden“, denkt der Inspirator der EdCamp-Bewegung in der Ukraine und Berater der Ministerin für Bildung und Wissenschaft der Ukraine Olexander Elkin. Wenn wir Informationen über unbekannte Sachen „googeln“, dann warum verbieten wir das unseren Kindern? Im Gegenteil soll man ihnen beibringen, richtig zu „googeln“.

Statt Papier und Kreide

Während der ganzen (Nicht-)Konferenz standen die Lehrerinnen um die Schautafel der ungarischen Firma Mozaik Education herum. Hier wurden die Vorteile des interaktiven Bildschirmes demonstriert. Er hat die Größe einer Schultafel, lässt sich mittels Berührung bedienen sowie überträgt das Programm MozaBook – 3D-Animationen, Videoclips und Visualisierungen aller Schulfächer. Mathematiklehrerinnen und -lehrer sahen begeistert zu, wie der Computer Parabeln und Hyperbeln mit Hilfe von Punkten baute, welche sie auf dem Bildschirm berührten. Eine Biologielehrerin baute das Modell der inneren Organe des Menschen zusammen und zerlegte es wieder. Es wurden Atommodelle für Physiker, Panoramen von verschiedenen Ecken des Planeten für Geografen gezeigt.

Aber eine solche Software würde die Schulen mehr als 6.000 Hrywnja (circa 188 Euro, A.d.Ü.) pro Jahr kosten. Man muss den interaktiven Bildschirm extra kaufen. Jedoch funktioniert das System auch mit dem üblichen Paar „Laptop-Beamer“ sowie lässt es sich mit der Maus bedienen. Es gibt für die Schüler, welche die Software zu Hause oder mit ihren eigenen Smartphones benutzen wollen, eine Schülerversion, die 1.280 Hrywnja (circa 40 Euro, A.d.Ü.) pro Jahr kostet.

Der Mitgründer der Firma Peter Torok meint, dass dies für Schulen keine zusätzlichen Kosten, sondern eine Möglichkeit zum Sparen darstellen würde: „Die materielle Versorgung der Schulen kostet ziemlich viel, hat eine begrenzte Anzahl und Frist für die Nutzung. Im Biologieunterricht lernt man zum Beispiel die Anatomie mit Hilfe von Plastikmodellen des menschlichen Körpers. Doch nicht jede Schule, besonders eine Landschule, kann sich solch ein Modell leisten. Trotzdem ist es für sie möglich, einen Beamer zu kaufen und dann ein digitales Modell zu benutzen. Man kann es umdrehen, zerlegen und sammeln sowie die Animation der Prozesse, die im menschlichen Körper verlaufen, beobachten. Mit demselben Beamer kann man viele Visualisierungen auch im Geschichts-, Physik- und Chemieunterricht usw. zeigen.“

Mehr als zweihundert ukrainische Schulen haben MozaBook gekauft, hauptsächlich in Lwiw. Peter Torok sagt, dass der Prozess der Aneignung der neuen Technologie leicht erfolgt, weil die Software sich auf die verfügbaren Lehrbücher stützt: „Wir fügen ihnen 3D-Animationen, verschiedene Visualisierungen und Übungen hinzu. Der Lehrer braucht nicht viel Zeit für die Erstellung eigener Präsentationen aufzuwenden, er kann dem Lehrbuch und seiner Struktur folgen. Das ist keine Veränderung des Paradigmas, das ist ein Werkzeug.“

Als Ergänzung zur Realität

„Nehmen Sie Ihre Smartphones heraus“, bittet der Gründer des Zentrums der neuen Bildung, Autor und Entwickler der Plattform „UMITY“ (eine Bildungsplattform, im Ukrainischen bedeutet das „Können“, A.d.Ü.) Iwan Iwanow die Lehrerinnen und Lehrer. Er erzählt ihnen über neue Möglichkeiten, die die ergänzte Realität bietet. Das, was noch vor ein paar Jahren das Spiel der Suche nach Pokémons war, wird zu einer mächtigen und etwas gamifizierten Methode der Wissensvermittlung.

Iwanow demonstriert, wie man solche Apps zur Unterhaltung der erweiterten Realität wie Wallame in der Bildung benutzen kann. Wallame ermöglicht, irgendeine Wand mit dem Smartphone zu fotografieren und dort ein Bild oder eine Nachricht zu hinterlassen. Ein auf solche Weise erzeugtes Objekt wird an ein Bild sowie an die geografischen Koordinaten angebunden. Eine andere Person, die die App benutzt, sieht das Nachrichtensymbol auf der Karte. Sie kann jedoch nur dann herausfinden, was dort steht, wenn sie die Kamera auf diese Wand richtet.

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Iwan Iwanow schlägt vor, eine andere Oberfläche statt einer Wand zum Beispiel ein Blatt Papier oder ein Bild im Lehrbuch zu benutzen, statt spielerische Nachrichten zusätzliche Instruktionen oder sogar die Links zu Artikeln, Videos und Ähnlichem zu hinterlassen. Wallame ist nur eines der Beispiele dafür, wie die erweiterte Realität ein Instrument in der Bildung sein kann. Die Universität von Kalifornien in Los Angeles schlägt eine interaktive Projektion der topographischen Karte vor, mit Hilfe welcher man die Landschaft erlernen, Berge und Täler selber erstellen und das Verhalten vom Wasser in der Natur beobachten kann. Das Programm Expeditions AR von Google „schafft“ Planeten und Vulkane, DNA-Stränge und Lungen gerade im Klassenzimmer. All das löst eine große Reaktion der Schüler aus und erfordert nur ein Smartphone.

In der Ukraine gebe es keine Trainings, die den Lehrerinnen und Lehrern beibringen würden, die erweiterte Realität zu schaffen. Es habe Seminare gegeben, wo erzählt wurde, dass es eine solche interessante Technologie gebe, und irgendwann werden wir sie in der Zukunft benutzen würden, sagt Iwan Iwanow, aber dass es irgendwann in Zukunft sein werde, sei ein Mythos. Das sei heute.

Bekannte Begriffe

Nicht nur futuristische Methoden wurden den ukrainischen Pädagogen angeboten. Besondere Aufmerksamkeit wurde auf die Dinge gelenkt, die Teil des modernen Lebens wurden, aber immer noch außerhalb der Schule bleiben, wie zum Beispiel die Online-Bildung.

Der Projektmanager des EdEra-Online-Education-Studios Olexandr Papisch, der Online-Kurse für Nutzer anbietet, scheint im Prinzip nichts Neues zu erzählen: „Wir teilen ein großes Thema in Mikrothemen ein. Jedes Mikrothema wird untersucht, danach werden die Kenntnisse mit Hilfe von Tests oder kreativen Aufgaben überprüft. Jede Phase besteht aus drei Etappen – Vordenken, Durchführung und Selbstevaluation. Wir verfolgen ähnliche Projekte in anderen Ländern und können sagen, dass es keinen besseren Ansatz zur Online-Ausbildung gibt.“

Laut EdX (einer Plattform für offene zugängliche interaktive Kurse, gegründet vom Institut für Technologie Massachusetts und der Harvard-Universität) ist die optimale Dauer eines Videos in der Online-Bildung sechs Minuten. „Länger ist einfach langweilig“, teilt Olexandr Papisch seine Erfahrungen mit. „Wenn kürzer, dann hat man einfach keine Zeit, das Material zu erklären. Die maximale Videolänge bei uns beträgt zehn Minuten.

Laut dem Pädagogen macht ein solches Format für Kinder Spaß: „Es ist sehr angenehm, solche kurzen Kommentare wie „cool“ oder „voll krass“ zu lesen. Also hat das Kind davon profitiert.“

In der Online-Bildung verhalten sich Pädagogen manchmal wie einige Kinder: „Man machte für Lehrerkräfte einen Kurs und die Aufgaben waren alle gleich. Und die richtigen Antworten begannen sich im Netzwerk zu verbreiten. Angefangen mit dem dritten Modul mussten wir alle wichtigen Aufgaben für jeden unterschiedlich machen.“

Ukrainische Realien

Schon seit den 1990er Jahren widmet die Schule Nr. 114 in Krywyj Rih der neuesten Technologien viel Aufmerksamkeit. „Wir verwenden Kahoot!, Plickers, LearningApps, und vom diesjährigen EdCamp brachten wir die Wallame-Idee und der erweiterte Realität mit“, erzählt Direktorin Ljudmyla Chorkowa. Die Schule Nr. 114 ist schon seit fünf Jahren der Leader der Stadt in Bezug auf die Ausbildungsmethodik, die Arbeit mit begabten Kindern und anderen Bewertungen. Die Direktorin meint, dass die Technologien hier eine Schlüsselrolle spielen. „Wir kämpfen nicht gegen Gadgets, wir benutzen sie. Gadgets locken die Kinder an und mit Verboten erreichen wir nichts. Man muss diese Neugier auf die Bildung richten. Zum Beispiel machten wir im Klassenzimmer für Geschichte ein Größenmaß mit den Größenanzeigen der hervorragenden Persönlichkeiten und neben jeder Größenanzeige steht ein QR-Code. Mithilfe des Smartphones kann das Kind den Code scannen und zum Artikel über diese Persönlichkeit kommen.“ Schließlich lesen Kinder die Lehrbücher und die schöngeistige Literatur auf Bildschirmen – so ist es bequemer für sie.

Jedoch braucht die Digitalisierung der Schule ausreichend Finanzierung. Die Schule Nr. 114 sucht nach ihr in verschiedenen Wettbewerben und Projekten, wo es die Möglichkeit gibt, ein neues Gerät zu bekommen. „Wir haben sieben Beamer, die wir im Unterricht verwenden. Ja, es ist teuer, aber ein künstliches Skelett für das Biologieklassenzimmer kostet 17.000 Hrywnja (circa 532 Euro, A.d.Ü.). Wäre es nicht sparsamer, die Technologien einzusetzen, die sowohl das Skelett, als auch das Übrige zeigen würden?“

Der Kinderarzt, Leiter der Klinik „Pediatr Plus“ Andrij Penkow glaubt, dass das Kind mit einem Gadget in seinen Händen neue Realität ist. Der Kinderarzt ist überzeugt: „Kinder sind daran gewöhnt, Informationen auf diese Weise zu erhalten, und das schadet der Gesundheit nicht. Denken Sie daran, wie wir in der Kindheit gewarnt wurden: Lies nicht so viel Bücher, die Augen werden schlechter. Das Lesen von Smartphone-Bildschirmen unterscheidet sich nicht von einem Papierbuch. Wenn man im Unterricht auf den Bildschirm oder auf die Projektion schaut, ist es das gleiche, wie auf eine Tafel zu schauen.“ Aber eine Bedrohung existiert ja trotzdem – die spezifische Sucht.

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„Die Kinder gewöhnen sich an Spiele, Videos, Content der sozialen Netzwerke, die sich ständig ändern. Das ist deswegen, weil es im realen Leben nichts Interessantes gibt. Hier müssen sich Eltern und Lehrer viel Mühe geben, damit es rundherum, im Unterricht, in der Pause interessanter als vor dem Bildschirm wird“, rät Andrij Penkow.

Mit der Zeit wird digitale Bildung so gewöhnlich sein, wie Beleuchtung in der Schule, meinen Experten. Also muss man sich nicht nur auf positive Einflüsse des Fortschritts, sondern auch auf die negativen, wie zum Beispiel Online-Abschreiben, wovon Olexandr Papisch oben erzählte, oder auf die Gefahren der digitalen Welt vorbereiten.

Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Technologischen Universität Tallinn Birgy Lorenz erzählt, wie man Kindern die Cybersicherheit ab der ersten Klasse in Estland lehrt: „Wir wollen, dass sie verstehen, was online und was offline ist. Dass sie komplizierte Passwörter verwenden. Ab der sechsten Klasse, wenn die Kinder schon ziemlich viel Zeit in sozialen Netzwerken verbringen, müssen sie eine ausgebildete kritische Denkweise haben. Sie müssen unterscheiden, was die Wahrheit ist, und was nicht. Ab der siebten – neunten Klasse helfen sie selbst den Lehrern. Und zum Zeitpunkt des Schulabschluss sind wir sicher, dass die Schüler sachkundige und bewusste Staatsbürger sind.“

8. September 2018 // Denys Kuklyn

Quelle: Lewyj Bereg

Übersetzer: Studenten des vierten Studienjahres der Fachrichtung Deutsch-Ukrainische Übersetzung der Nationalen Iwan-Franko-Universität Lwiw (Olena Lysenko, Maryna Myronchuk, Elvina Labiak, Olena Krykonchuk, Yulia Fitjo, Iryna Lisnjovska, Viktoriia Fok, Diana Ivaniuk, Oksana Scheleheda)

Leitung der Übersetzung: Roksoliana Stasenko, wissenschaftliche Assistentin des Lehrstuhls für Interkulturelle Kommunikation und Translationswissenschaft der Nationalen Iwan-Franko-Universität Lwiw

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