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Donezk: Zwei Wochen vor dem Hunger

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Tagsüber ist es vor dem Eingang zum Stadion Donbass Arena in Donezk leer, obgleich hier lange Schlangen für humanitäre Hilfe stehen.

Heute gibt es nur spezielle Zusammenstellungen für Schwangere, doch die Lebensmittel, die gewöhnlich den lokalen Einwohnern ausgegeben wurden, sind nicht bis in die Stadt gekommen.

Gestern Abend haben im Kreis Welikaja Nowosjolka, nicht weit von Kurachowo (Gebiet Donezk), Mitglieder des Freiwilligenbataillons Dnjepr-1, dessen «Pate» Igor Kolomojskij ist, 22 LKWs angehalten und ihnen nicht gestattet nach Donezk zu fahren, wo diese Hilfe gewöhnlich unter den Leuten verteilt wird, die in den okkupierten Territorien der Oblast leben.

Wladimir Parassjuk, Sergej Sobolew und Semjon SementschenkoDie Abgeordneten Wladimir Parassjuk, Sergej Sobolew und Semjon Sementschenko posieren mit Kämpfern des Freiwilligenbataillons Dnjepr-1 Foto: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=863912873643488&set=pcb.863909520310490&type=1&theater
Der offizielle Grund liegt den Worten der Pressechefin des Unternehmens System Capital Management von Rinat Achmetow, Natalija Jemtschenko, nach in «zusätzlichen Anforderungen an die Dokumente». Zu der Fracht selbst gab es von den Bataillonen anfänglich keine Fragen. Heute haben die Bataillonsmitglieder die Fracht erneut geprüft und erklärt, dass sie auf eine Erlaubnis für die Passage der Fracht von den Parlamentsabgeordneten Semjon Sementschenko, Wladimir Parassjuk und Jegor Sobolew warten, die gerade vor Ort sind.

Als die Abgeordneten im Kreis Welikaja Nowosjolka eintrafen, verkündete Sementschenko in seinem Facebook, dass die Kämpfer von Dnjepr in den festgehaltenen LKWs neben Kinderbrei, Makaroni und Gebäck, die er als «normale Soldatennahrung» bezeichnete, Tarnkleidung und Thermounterwäsche fanden.

Ebenso erklärten die Abgeordneten, dass in Donezk angeblich ein Teil der humanitären Hilfe auf Handelspunkte verteilt und an die lokale Bevölkerung verkauft wird.

Der Verantwortliche für die Verteilung der humanitären Hilfe beim Achmetow-Fonds, Andrej Sanin, gibt zu, dass auf den von Sementschenko veröffentlichten Fotos wirklich die LKWs des Fonds zu sehen sind, doch weder Tarnkleidung noch Thermounterwäsche könne dort sein.

«Am ersten Kontrollpunkt der DNR (Donezker Volksrepublik) wären die Militärs, wenn sie das gesehen hätten, sofort bei uns im Büro aufgetaucht und Mitarbeiter des „Ministeriums für Staatssicherheit“ hätte eine leidenschaftliche Befragung durchgeführt», sagt Sanin, hinzufügend, dass es bereits Durchsuchungen vonseiten des „Ministeriums“ beim humanitären Stab gab. «Ich bin schockiert von diesen Äußerungen. In diesen Fuhren gibt es nur Lebensmittel. Womöglich hat die Abgeordneten jemand bewusst hinters Licht geführt, denn ihre Logik ist irrational.»

Von August dieses Jahres an, als es in der Region Anzeichen einer sich nähernden humanitären Katastrophe gab, hat der Fonds in den besetzten Territorien der Donezker Oblast etwa 880 000 Lebensmittelpakete ausgegeben.

In naher Zukunft wird der Bedarf für diese Hilfe nur noch steigen.

Wie Volontäre, die in den okkupierten Territorien arbeiten, der Ukrainskaja Prawda mitteilten, sind bereits Fälle von Hungertod bekanntgeworden. Ihren Angaben nach starben in Kirowsk sieben Menschen, in Sneschnoje und Krasnodon zehn und in Krasnopartisansk im Gebiet Lugansk 68 Menschen. In der Regel sind das Leute, die bereits einige Monate keine Zahlungen weder vom ukrainischen Rentenfonds, noch von der Führung der DNR/LNR (Donezker und Lugansker Volksrepublik) erhalten haben, ungeachtet dessen, dass in diese Territorien regelmäßig LKWs mit russischer humanitärer Hilfe fahren.

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Derartige Todesfälle werden in der Regel in offiziellen Papieren als «Herzanfälle» und andere Krankheiten geschrieben. Die Ärzte fürchten wahrscheinlich, die realen Gründe aufgrund eines Befehls „von oben“ zu schreiben.

Derweil hat der konkrete Vorfall mit der Weigerung des ukrainischen Bataillons und der Abgeordneten den Hilfstransport durchzulassen eine politische Färbung bekommen.

leere Paletten in Donezkleere Paletten in Donezk Foto: Jekaterina Sergazkowa
Sobald der Abgeordnete und ehemalige Stellvertreter des Gouverneurs des Dnjepropetrowsker Gebietes Boris Filatow in seinem Facebook eine Mitteilung über das Geschehene veröffentlichte, hagelte es sofort Anschuldigungen, dass die Verzögerung der humanitären Fracht eine Auseinandersetzung zwischen Kolomojskij und Achmetow sei.

«So ist es immer: irgendetwas hörend, beginnen die Schlauköpfe in den Arbeitszimmern zu sagen, dass dies ein Krieg zwischen Achmetow und Kolomojskij ist», kommentierte Filatow die Angelegenheit der Korrespondentin der Ukrainskaja Prawda. «Tatsächlich ist alles, was vor sich ging spontan, wie es jetzt auch im Parlament und im Land ist.

Es gibt eine Gruppe von Gleichgesinnten, die beschlossen hat, sich für den Erhalt realer Ergebnisse zusammenzuschließen. Die Sache ist die: das Bataillon Dnjepr hat periodisch Hilfstransporte von Achmetow festgehalten und da haben sie Waren mit doppelter Verwendungsmöglichkeit gefunden – Tarnkleidung und Thermounterwäsche.

Den Fahrern wurde die Frage gestellt, ob sie das den alten Leuten bringen? Sie nickten mit dem Kopf. Im Endeffekt wurde operativ ermittelt und es ergab sich dieses Schema: die Produkte werden in dem Geschäft Brusnitschka in Dnjepropetrowsk verladen und nach Donezk gebracht, wo ein Teil der humanitären Hilfe an Handelspunkte verteilt wird.

Ich weiß, dass das Kommando von Dnjepr auf irgendeine Weise die Separatisten kontaktiert hat und sagte: wenn ihr Futter haben wollte, dann gebt die Gefangenen heraus. Ich bin nur ein Vermittler in dieser Situation und kann nicht sagen, dass die humanitäre Hilfe Achmetows eine direkte Hilfe für die Separatisten ist. Das muss genau untersucht werden.»

Sementschenko bekräftigt in seinem Facebook ebenfalls, dass es „logisch“ war, die humanitäre Hilfe gegen Kriegsgefangene auszutauschen, denn letzten Informationen nach befinden sich in der Gefangenschaft der DNR etwa 600 Soldaten und Freiwillige (diese Angaben wurden gegenüber der Korrespondentin der Ukrainskaja Prawda von einem Mitarbeiter des Zentrums zur Befreiung der Gefangenen gemacht).

Tatsache ist, dass die Spezialisten, die sich mit dem Verhandlungsprozess beschäftigen, darauf bestehen, dass derartige Austausche nicht durchgeführt werden sollten, Gefangene dürfen nur gegen Gefangene getauscht werden, andernfalls verwandeln sich die Verhandlungen in Menschenhandel.

«Für einen Ausweg aus der vorliegenden Situation muss es Garantien geben, dass die humanitäre Hilfe unter Leuten verteilt und nicht in Geschäften verkauft wird und dabei sollte es keine Waren mit doppelter Verwendbarkeit geben», meint Boris Filatow. «Diese Geschichte ist ein Beispiel für den Gang von Politikern aus ihren Arbeitszimmern ins „Feld“. Gerade ist es nicht möglich, Probleme auf andere Art zu lösen. Und in naher Zukunft muss, meiner Ansicht nach, ein Ausschuss parlamentarischer Kommissare geschaffen werden, der derartige Überwachungen durchführt.»

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Zur gleichen Zeit wird die humanitäre Situation in ein bis zwei Wochen in den okkupierten Territorien kritisch werden.

Vorratslager in DonezkVorratslager in Donezk Foto: Jekaterina Sergazkowa
Bereits jetzt gehen dem Fonds die Pakete mit Kindernahrung aus und die Lebensmittelpakete für die Rentner reichen bis zum 19. Dezember. Medikamente und Insulin für die Krankenhäuser gibt es noch, doch sind die Vorräte nicht endlos.

«Die Ausgabe von Paketen muss rationiert werden», sagt ein Mitglied des Fonds. «Wir werden 2.000 Rationen ausgeben und den Rest verschieben wir auf unbestimmte Zeit. In ein bis zwei Wochen beginnt hier der reale Hunger, denn bislang halten sich die Leute mit alten Vorräten über Wasser und bald werden auch die aufgebraucht sein.»

Sanins Worten nach war der Achmetowsche humanitäre Stab „Wir helfen“ eine gewichtige Quelle für den Lebensunterhalt der Einwohner der relativ wohlbehaltenen Städte Donezk, Makejewka und Gorlowka und ebenfalls der ernsthaft geschädigten Städte Schachtjorsk, Charzyssk, Sugress, Mospino und Ilowajsk.

Eine andere wirkliche humanitäre Quelle haben die Leute hier nicht: wie die Aussagen von vielen lokalen Einwohnern und Volontären belegen, die sich im humanitären Bereich engagieren, der russische Hilfstransport gelangt nicht in die Hände der Donezker und landet, Informationen aus mehreren Quellen zufolge, in lokalen Geschäften.

Doch in der Region beginnt unerbittlich der erzwungene Hunger.

15. Dezember 2014 // Jekaterina Sergazkowa

Quelle: Ukrainskaja Prawda

Übersetzer:   Andreas Stein — Wörter: 1130

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