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José Manuel Barroso: Die Ukraine 20 Jahre nach der Unabhängigkeit: Reformen sind der Schlüssel für engere und tiefere Beziehungen mit der EU

Das Jahr 2011 ist sehr wichtig für die Ukraine. Das ist das Jahr, in dem wir uns an einige der wichtigsten Ereignisse der ukrainischen Geschichte erinnern und sie feierlich begehen. Gleichzeitig ist das ein Jahr, in dem das zukünftige Bild der gegenwärtigen Ukraine bestimmt werden soll. Die Europäische Union begeht nicht nur mit dem ukrainischen Volk diese Ereignisse, sondern arbeitet gemeinsam mit Ihnen, um eine bessere Zukunft zu schaffen.

Im April 2011 gedachten wir gemeinsam mit anderen Ländern und weltweiten Organisationen des 25. Jahrestages der Tschernobyl-Katastrophe. Für uns alle war das ein bewegender Moment, der uns alle zum Nachdenken brachte. Und das geschah nicht nur dann, als wir über die Reichweite der Katastrophe und ihre Folgen für die Bevölkerung und Umwelt sprachen, sondern auch dann, als wir Erinnerungen über Heldentaten und auch die Opfer hörten, die alle diejenigen gebracht haben, die gegen die zerstörenden Wirkungen der Katastrophe gekämpft hatten. Die Europäische Union bekundete ein weiteres Mal ihre Solidarität der Ukraine gegenüber und bestätigte ihre Position als weltweit größter Förderer von Tschernobyl-Projekten.

Am 24. August kommen wir zusammen, nicht um ein trauriges, sondern um ein freudiges Ereignis zu begehen. An diesem Tag feiern die Ukrainer und ihre Freunde den 20. Jahrestag des Aktes der Unabhängigkeit der Ukraine, der von der Werchowna Rada verkündet wurde. Ich zähle mich zu den Freunden der Ukraine und bin stolz darauf. In diesem Zusammenhang möchte ich die Gelegenheit nutzen und meine Glückwünsche aussprechen.

Ich hoffe, dass diese Feierlichkeiten zum Anlass für ernste Überlegungen und Diskussionen über die Lehre werden, die wir einerseits als Bürger der Ukraine, anderseits als ihre Partner gezogen haben. Und dass diese Lehre uns dazu ermuntern wird, in die Zukunft, die auf uns wartet, zu schauen.

Die Unabhängigkeit bedeutet nicht nur die Souveränität, sondern auch die Einführung einer neuen politischen Ordnung sowie auch anderer wichtiger Änderungen in den sozialen und wirtschaftlichen Bereichen des Landes. Vor Ihnen in der Ukraine steht noch eine wichtige Aufgabe: Sie müssen Ihre Unabhängigkeit bestätigen und befestigen und dies soll im Prozess großer struktureller Reformen verlaufen.

Heutzutage ist die Ukraine ein wichtiger Akteur auf der internationalen Bühne und ein Partner, mit dem wir eng in vielen Bereichen zusammenarbeiten. Die Ukraine ist Mitglied der UNO und der OSZE. Ihr Land setzte sich immer für Frieden, Stabilität und ausschließlich für die friedliche Lösung von Konflikten ein. Die Ukraine spielte eine wichtige Rolle in der Regelung von Konflikten in der Republik Moldau und Georgien und leistete einen wichtigen Beitrag zu friedlichen Tätigkeit der UNO auf der ganzen Welt. Ihr Land beteiligt sich aktiv und erfolgreich an Nichtverbreitung von Kernwaffen und auch nicht atomaren Waffen. Zu dem bereits gesagten möchte ich hinzufügen, dass die Ukraine überzeugende Erfolge in der Kultur, Wissenschaft und Sport verzeichnet. Ich bin mir sicher, dass dank der Europameisterschaft 2012, die Welt die Möglichkeit bekommen wird, die Schönheit der Ukraine, ihre Kultur und Vielfalt näher kennen zu lernen.

Die Ukraine hat im Laufe ihrer Unabhängigkeit viel erreicht und darauf kann sie auch stolz sein. Die Ukraine hat jedoch nur angefangen, ihr Potenzial zu nutzen und daran muss sie noch viel arbeiten. Dies betrifft die nachfolgenden Bereiche wie die Rechtsstaatlichkeit, den Kampf gegen die Korruption, die Unabhängigkeit der Justiz und der Medienfreiheit. Eben diese Werte liegen den langfristigen Beziehungen zu Grunde, welche die EU mit der Ukraine einrichten möchte und eben diese sind die Säulen für eine reife Demokratie und eine blühende Wirtschaft. In diesem Kontext betonte die EU vor Kurzem die Notwendigkeit von freien, gerechten und transparenten Gerichtsprozessen, um selektiver Justiz keine Chance zu geben.

Die Europäische Union ist einer der größten Handelspartner für die Ukraine. 2010 importierte die Ukraine Waren im Wert von 17 Mrd. Euro und exportierte für 11 Mrd. Euro. Die Europäische Union gilt auch als der größte Investor für die ukrainische Wirtschaft: 75% aller Direktinvestitionen gehen auf die EU zurück. Dieses Potenzial ist aber noch nicht erschöpft. Bekannt ist, dass viele internationale Unternehmen an der Ukraine interessiert sind. Dieses Interesse kann man nur dann in konkrete Investitionen und konkrete Möglichkeiten für ukrainische Bürger umwandeln, wenn ein Fortschritt in den Fragen der Vereinfachung von normativen Rechtsregelungen, der Besteuerung, der Beachtung von geistigen Eigentumsrechten und in der Genehmigungserteilung erreicht wird. Diese Fragen werden heutzutage sehr intensiv diskutiert und diese Tatsache ist erfreulich.

Die Europäische Union wird weiter Reformbemühungen der ukrainischen Regierung und ukrainischer Bürger unterstützen. Erfolge in der Politik und Wirtschaft, die in diesen 20 Jahren erreicht wurden, werden im neuen Assoziierungsabkommen fixiert, das vertiefte und allumfassende Freihandelszone einschließt. Die Vertragsbeziehungen zwischen uns werden in Übereinstimmung mit heutigen Anforderungen modernisiert. Unsererseits bitten wir die Ukraine, ihr Bekennen zu den Werten, die alle EU-Staaten anhalten sollen, zu bestätigen. Dazu gehören die Einhaltung der Menschenrechte, der Demokratie und der wichtigsten Freiheiten, der Rechtsstaatlichkeit und der Pressefreiheit.

Die Vertiefung der menschlichen Kontakte ist auch ein wichtiger Bestandteil, um unsere Beziehungen und unsere Werte zu entwickeln und zu festigen. Bereits heutzutage zieht die Ukraine mehr und mehr Touristen aus dem Ausland an. Und ich bin mir sicher, dass es für ukrainische Bürger möglich wird, die EU-Länder öfter zu besuchen, nachdem wir erfolgreich die Visumsbestimmungen, woran wir heute gemeinsam arbeiten, erleichtert haben.

Diese gemeinsame Tagesordnung wird jedoch nicht effektiv, wenn sie von den meisten Ukrainern nicht unterstützt wird. Darum beharre ich immer wieder auf der Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen den Parteiführern des ganzen politischen Spektrums. Die politische Atmosphäre, die durch zahlreiche polarisierte Meinungen kennzeichnet ist, trägt nicht zur Ausarbeitung und Umsetzung von Reformen bei. Und dazu zählen Reformen in der Verfassung, des Wahlsystems und der Gerichtsverfassung, die durch die Zeit erprobt sind und wo die Unterstützung von Gesellschaft von solch großer Bedeutung ist. Ich werde auch weiter meinen Einfluss nutzen, um die ukrainische Regierung davon zu überzeugen, dass es vonnöten ist, sich auf die Zukunft zu konzentrieren und nicht ständig in die Vergangenheit zu blicken.

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Ich hoffe, dass ich mehr Möglichkeiten bekommen werde, die Ukraine viel öfter zu besuchen, um mit den einfachen Bürgern über die Perspektiven im Land sowie auch über die Perspektive der Integration der Ukraine in die EU sprechen zu können. Durch das Programm der Östlichen Partnerschaft und die europäische Politik der Nachbarschaft streben wir danach, die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft zu vertiefen und dadurch noch mehr unsere Beziehungen zu stärken.

Als ich in diesem Jahr die Ukraine besuchte, war ich sehr von Gesprächen mit Studenten der Schewtschenko-Universität Kiew beindruckt. Diese jungen Frauen und Männer, die auch so alt sind wie die Deklaration über die Unabhängigkeit, hatten sich sehr klar für die Integration der Ukraine in die EU geäußert. Als Bürgerinnen und Bürger der Ukraine möchten sie jedoch aktiv an Entwicklungsprozessen im eigenen Staat beteiligen. Darum wünsche ich ihnen, dass der Weg, den die Ukraine für die Reformen gewählt hat, sich als richtiger Weg für die Schaffung neuer Institutionen und neuer Erfahrung erweist und dass die jungen Bürgerinnen und Bürger der Ukraine die Möglichkeit bekommen, ihre eigenen Träume und Ambitionen zu verwirklichen.

Der 20. Jahrestag der Unabhängigkeit der Ukraine kann man unterschiedlich feiern. Am besten wäre es, wenn die Ukraine als ein moderner und erfolgreicher Staat in diesem Jubiläumsjahr entscheidende Schritte für ihre eigene Konsolidierung macht und dass es möglich wird, bereits in diesem Jahr über die reale Annäherung mit der Europäischen Union zu sprechen.

19. August 2011 // José Manuel Barroso

Quelle: Serkalo Nedeli

Übersetzerin:   Ljudmyla Melnyk — Wörter: 1210

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„Ja, machen einige EU Länder, besonders Ungarn & Österreich, ein wenig auch die Slowakei. das wurde diesen auch erlaubt, weil sie 'rumstöhnten". Östereich hat sich übrigens bereits kräftig in...“

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