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Tourismus in Lviv: Allheilmittel oder Bedrohung?

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Aus den Äußerungen unserer Politiker über den Tourismus entsteht der Eindruck, dass der Tourismus zur letzten Hoffnung der Glücklosen, ja fast eine Frage des Glaubens an eine glückliche Zukunft geworden ist. Verwaltungsbeamte aller Ebenen beschreiben den Tourismus einhellig als prioritäres Gebiet der Stadtentwicklung und sehen dabei märchenhafte Einnahmen durch den Tourismus in fernen Ländern voraus.

Es gab schon viele Versuche, die Abteilung für Tourismus zu reformieren. Als Resultat dieser Versuche haben wir nun das Ministerium für Kultur und Tourismus mit entsprechenden lokalen Strukturen vor Ort. Das Ergebnis: Weder Entwicklung der Kultur, noch des Tourismus.

Eines der Dokumente der UNESCO erläutert: „Wie bekannt ist, kann Tourismus für die Entwicklung sowohl ein tödlicher Feind, als auch ein guter Freund sein.“ Eine vereinfachte Sicht auf den Tourismus versteht ihn als Mittel Geld zu verdienen, Budgets aufzubessern oder die Infrastruktur im Dienstleistungssektor zu entwickeln. Hinter dieser rein ökonomischen Sichtweise verstecken sich Bedrohungen für kulturelle und natürliche Ressourcen, sprich für diejenigen Ressourcen, die die Ressourcen des Tourismus sind. Darüber hinaus deformiert eine an Gewinn orientierte Motivation den kulturhistorischen Kontext einer Stadt, vereinfacht Inhalte und glamourisiert Wertmittel, was wir auch in Lviv sehen. Diese Sicht ist fern davon, zeitgenössischen Standards des Tourismus oder den Interessen der Stadtbewohner zu entsprechen. Worin liegt also die Bedrohung des Tourismus?

Bedrohungen durch den Tourismus für eine historische Stadt können folgende sein:

  • unverantwortliches, zerstörendes Nutzen des kulturhistorischen Raums, welcher die wesentliche Ressource des Tourismus ist;
  • negativer Einfluss auf die soziokulturelle Umgebung, welcher soziokulturelle Tätigkeitsfelder und –arten sowie ihre Qualität eingrenzt;
  • die Herausbildung neuer Stereotype über die Herkunftsländer der Touristen, Vergnügungstourismus verhält sich kulturfeindlich und kommerzialisiert den Lebensstil;
  • das Stimulieren sozialer Pathologien (Drogensucht, Prostitution, Schwarzmarkt usw.), was das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung und der Touristen beeinflusst;
  • verstärkter Einfluss von Inflation und Korruption.

Für eine Stadt mit reichem historischen Erbe und niedrigem Niveau an wirtschaftlicher und kultureller Entwicklung sind diese Bedrohungen gefährlich.

Um dem negativen Einfluss des Tourismus auf die Entwicklung der Stadt und der Region zu entgehen und seine Möglichkeiten zu nutzen, ist eine verantwortliche Regulierung durch die städtischen Verwaltungsorgane nötig. Um die Möglichkeiten einschätzen zu können, die der Tourismus für eine beständige Entwicklung der Stadt mit sich bringt, muss sein wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und ökologischer Einfluss umfassend untersucht werden. So wie der Tourismus alle Sphären der gesellschaftlichen Aktivitäten beeinflusst, so kann er auch integraler Bestandteil der Entwicklungsstrategien verschiedener Bereiche sein und durch sie auf die Entwicklung des Tourismus einwirken.

In einigen entwickelten Ländern wird der Tourismus nicht als eigenständiger Sektor behandelt. Die Regulierung des Tourismus wird durch die Ausbildung des Personals sichergestellt, um in die Tourismus-Industrie angemessene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Standards einzuführen, um auf dem Markt vielfältige touristische Produkte zu fördern und um eine verantwortungsbewusste Haltung gegenüber Kulturgütern auszubilden.

Welche Art von Tourismus soll in historischen Städten entwickelt werden? In der letzten Zeit formulierte man das Konzept des „Städtetourismus“, welches darauf abzielt, Städte zu besuchen und von ihnen Eindrücke zu erlangen. Es vereint in sich Kulturtourismus, Bildungstourismus und Vergnügungstourismus. Darunter fallen zwei Ansätze: zum einen der technologische (Massen-)Tourismus, der passiv, quantitativ und in der Motivation engstirnig ist (in einer bestimmten Zeit sollen möglichst viele lokale Denkmäler besichtigt werden); zum anderen der konzeptuelle (oder thematische) Tourismus, welcher sich auf das anthropologische Verständnis einer Kultur gründet, die Motivation vergrößert und die Möglichkeit gibt, sich komplexe lokale kulturelle Besonderheiten zu eröffnen.

Meiner Meinung nach muss man in Lviv den Kulturtourismus aktiv vorantreiben, der verschiedene Arten des Tourismus mit integralen kulturellen Angeboten verbindet. Denn es ist die architektonische Substanz, die die Touristen nach Lviv zieht, vielmehr zieht sie nicht nur an, sondern bezaubert sie. Und wir müssen sie mit neuen Kontexten füllen, mit Inhalten und Veranstaltungen, also mit Produkten des Kulturtourismus, welche die Bedeutung Lvivs eröffnen, die besondere Atmosphäre und die Seele der Stadt wiederbeleben. Und dies nicht nur für Gäste, sondern auch für die Einwohner Lvivs.

Kulturell motivierter Tourismus ist eine Folge der Umwandlung von Kapital. In ökonomischen Kategorien ist dieser Tourismus durch kulturelles Angebot und kulturelle Nachfrage bestimmt. Folglich erhöht ein Produkt des Kulturtourismus die Umwandlung ökonomischen Kapitals in objektiviertes soziales, symbolisches und kulturelles Kapital, die Interessen von Kultur und Wirtschaft vereinend.

Kulturtourismus ist Prestige-Tourismus. In Europa hat er als distinguierter Tourismus eine lange Tradition für das Erleben anderer Kulturen: die sogenannte Grand Tour im England des 16. Jh. oder die Italien-Reisen (J. W. v. Goethe). Das Ideal des Reisens hatte das Ziel einer zusätzlichen besonderen Bildungserfahrung, der Erweiterung des Wissens, und des Erlebens romantischer Abenteuer. Ich glaube, dass auch Lviv zu seiner Zeit Ziel dieser Wanderungen war. Und genau diese Motivation gilt es auch jetzt in Lviv zu entwickeln.

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Der Kulturtourismus stimuliert die Nutzung kultureller Ressourcen und aktiviert die soziale Funktion der Kultur, die sich nicht nur an Touristen, sondern auch an die Stadtbewohner richtet. Dies geschieht durch das Zusammenspiel der Kulturen (der sogenannte Aspekt der vier Kulturen: Kultur als Herkunftsort des Touristen, Kultur der Erholungszeit, Kultur der Dienstleistungen, Stadtkultur), das die Bedrohungen des Massentourismus verringert.

Kulturtourismus stimuliert das Verständnis der kulturellen Ressourcen einer Stadt, und zwar:

  • stimuliert er die Fertigung kultureller Produkte als touristisches Angebot;
  • unterstützt er die Authentizität des kulturellen Erbes;
  • fördert er die Zusammenarbeit von Institutionen des Denkmalschutzes und der Museen, der Tourismus-Firmen und Unternehmen;
  • entwickelt er das Bewusstsein der Einwohner durch das Einbeziehen und Ausbilden eines eigenen Images und Stadtmarketings;
  • entwickelt er neue Formen und Methoden der Kommunikation und Bildungsvermittlung;
  • hilft er, die Balance zwischen Hoch- und Massenkultur zu halten;
  • unterstützt er das Streben nach gemeinsamen Interessen und die Formulierung gemeinsamer Strategien verschiedener Bereiche.

Kulturtourismus ist ein Mittel für internen Einsatz auf allen Gebieten und Anpassung an die Bedingungen des Markts.

Kulturtourismus bedeutet nicht das Verdienen von Geld, sondern ist eine Methode gemeinsame Aufgaben und Tätigkeitsstrategien unter neuen Bedingungen zu identifizieren.

Kulturtourismus ist die Möglichkeit, offene Beziehungen zur äußeren Umgebung aufzubauen und Aufgaben von sozialer Bedeutung zu erfüllen, beispielsweise Wissen zu verbreiten und Symbole und Werte der soziokulturellen städtischen Umgebung zu interpretieren, um eine Haltung des Menschen zur Welt auszubilden.

Kulturtourismus ist also nicht als Allheilmittel zu betrachten, sondern lediglich als Möglichkeit den Bedrohungen des Massentourismus zu entgehen, der auf Gewinn abzielt, der auf Kosten städtischer Ressourcen bis zur völligen Abnutzung basiert.

12. Januar 2012 // Senowij Masuryk

Quelle: ZAXID.NET

Übersetzerin:   Constanze Aka — Wörter: 1027

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Kommentare

#1 von Kurt Simmchen - galizier
Selten so herzlich gelacht.
Mir fehlt die klare Sicht auf den Zustand des momentanen Angebotes, die Qualitäten der Gastgeber, nicht nur der Hotels, nein auch der Menschen.
Tourismus ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Wenn aber der Tourist sich in schlechten Hotels, miserablen Gaststätten geneppt wird, dann berichtet er davon.

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