An der Wiederaufnahme der trilateralen „Gas-Gespräche“ zwischen der Ukraine, Russland und der Europäischen Kommission sind alle drei Parteien interessiert. Gleichzeitig ist die Ukraine auch weiterhin nicht auf russisches Gas angewiesen, da sie über genügend Vorräte verfügt. Davon gehen zumindest die Experten aus, die vom Gorschenin Institut befragt wurden.
Trilaterale Gespräche und Stockholmer Gericht
Gemäß dem stellvertretenden Leiter des Gorschenin Instituts Aleksej Leschtschenko seien alle drei Parteien an einer Wiederaufnahme der Gas-Verhandlungen interessiert – die Ukraine, Russland sowie die Europäische Kommission. Aber die Bedingungen, die „Gazprom“ vermutlich durchzusetzen versuchen wird, werden von der Ukraine nicht erfüllt werden können.
„Die Ukraine ist daran interessiert, auch in Zukunft den Status eines Transitlandes und zuverlässigen Partners – sowohl für die EU als auch Russlands – zu behalten und auch weiterhin eine kontinuierliche Versorgung mit russischem Gas sicherzustellen. Bislang wird mehr als die Hälfte des von Gazprom nach Europa exportierten Gases (der Anteil Gazproms am europäischen Gasmarkt beträgt 28 bis 30 Prozent) durch ukrainische Pipelines geleitet. Da wir über die entsprechende Infrastruktur verfügen, sind wir an der Schaffung einer europäischen Gashandelsdrehscheibe auf dem Gebiet der Ukraine interessiert. Gazprom wird dieses Interesse in den Verhandlung mit Naftogaz ausnutzen und das Transitpotenzial unseres Landes herabsetzen und gegenüber der EU diskreditieren wollen. Für die Europäische Union ist Gazprom ein Lieferant innerhalb einer diversifizierten Lieferstruktur, von welchem sie sich weder mittel- noch langfristig trennen wird. Und Russland ist an einer Rückkehr auf den ukrainischen Markt interessiert“, sagt Aleksej Leschtschenko.
Gemäß dem Generaldirektor des Zentrums für Energiewirtschaftsanalysen Alexander Chartschenko hat Gazprom erste Schritte in Richtung Wiederherstellung des eigenen Einflusses gemacht, nachdem die Ukraine anfing, die Leitungsstränge für Gaslieferungen zu diversifizieren. „Andererseits gibt es einen Prozess in Stockholm, weshalb Gazprom und Naftogaz kaum zu einer Einigung kommen werden. Denn eine Zustimmung seitens Gazproms zu einem von Naftogaz geforderten zusätzlichen Vertrag würde das Schiedsgericht mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dazu bringen, den alten Vertrag, dessen Statthaftigkeit die ukrainische Seite anzweifelt, für unrechtmäßig zu erklären. Auf der anderen Seite kann wiederum die Ukraine aus zwei Gründen nicht im Rahmen des alten Vertrages aktiv werden. Zum einen würde das Schiedsgericht im Falle irgendwelcher Zahlungen seitens der Ukraine entscheiden, dass diese den Vertrag anerkennt. Zum anderen gibt es Grund zu befürchten, dass Gazprom im Falle von Zahlungen sofort die Rückzahlung früherer Schulden fordert“, bemerkt der Experte.
Für Chartschenko ist in einer solchen Situation kein Kompromiss möglich. Und solange das Verhalten beider Parteien das Urteil des Schiedsgerichts beeinflussen kann, seien Geschäfte mit Russland sehr unwahrscheinlich.
Der Preis einer unabhängigen Energiewirtschaft. Ein Jahr ohne russisches Gas.
Aleksej Leschtschenko meinte zur Möglichkeit, auch weiterhin ohne russisches Gas auszukommen, dass die Ukraine noch 2013 Russlands größter Abnehmer war. „Lediglich Deutschland hat zumindest mengenmäßig mehr importiert. Und dass Naftogaz bereits seit einem Jahr kein Gas von Gazprom kauft, hat sich für Gazprom spürbar finanziell ausgewirkt. Mit Blick auf die Größe und das Potenzial des ukrainischen Marktes hat Gazprom jetzt auch seine mächtige Propagandamaschine angeworfen. Der Diskurs zu diesem Thema ist von einer Reihe von Unterstellungen und Stereotype geprägt, die die beteiligten Akteure ausnutzen wollen. Auf der einen Seite wird uns gesagt, dass wir unser Gas jetzt von europäischen Lieferanten kaufen. Auf der anderen versucht man uns zu zeigen, dass wir genau das gleiche russische Gas kaufen – aber eben mit Aufpreis. Ebenso sprechen jene europäischen Lieferanten von Gazprom als eigentliche Quelle des gelieferten Gases, die unsere Untertagespeicher nutzen und uns Gas verkaufen“, sagt der Experte.
Lässt man alle Propaganda beiseite, fügt Leschtschenko hinzu, führt die Tatsache, dass die Ukraine kein Gazprom-Gas, sondern europäisches Gas kauft, zu mindestens drei Konsequenzen: „Zum ersten hat Gazprom sein Druckmittel gegenüber der Ukraine verloren. Zum zweiten haben sich dadurch die Vertrags- und Verhandlungsbedingungen den normalen Marktbedingungen fernab der für Gazprom charakteristischen „nimm und zahl“-Politik angenähert. Zum dritten wurde die politische Komponente aus den Vertragsverhandlungen herausgenommen. Ich denke, die Ukraine sollte auch dementsprechend ihre energiewirtschaftliche Strategie ausrichten, um zwischen Lieferanten wählen und die Energieversorgung diversifizieren zu können. Sollte dies gelingen, werden die Verhandlungen zwischen Gazprom und Naftogaz gleichberechtigter und die Lieferbedingungen – sollten sie erneuert werden – für beide Seiten optimal und gewinnbringend sein“, unterstreicht der stellvertretende Leiter des Instituts Gorschenin.
Laut dem Berater des ukrainischen Ministers für Energie und Kohleindustrie Sergej Tschech ist die Ukraine auch weiterhin nicht darauf angewiesen, russisches Gas zu kaufen, da sich die Möglichkeiten in Bezug auf Reverslieferungen nicht geändert haben, während sich gleichzeitig die Nachfrage stabilisierte. „Der Verzicht auf russisches Gas war nicht das eigentliche Ziel, sondern ist vielmehr das Ergebnis einer Diversifizierung der Lieferanten. Sollte die inländische Gasproduktion erhöht und nicht gesenkt werden, wird es keinen Bedarf für russisches Gas geben“, sagt er.
Alexander Chartschenko ist sich sicher, die Ukraine auch weiterhin nicht auf russisches Gas angewiesen ist. „Rein objektiv betrachtet ist das möglich. Ich erwarte in naher Zukunft keine nennenswerten Veränderungen, durch welche die Ukraine plötzlich nicht mehr ohne russisches Gas auskommen würde. Das einzige Argument, das europäische und russlandnahe Experten sowie die Russen selbst zum jetzigen Zeitpunkt zur Sprache bringen, ist, dass der Ukraine das Gas nicht reicht, um einen Transit aufrechtzuerhalten. Das ist reine Manipulation – die Ukraine verfügt über genügend Gasreserven. Eine andere Sache ist, dass die Russen Europa und sich selbst darauf vorbereiten, von ihrer Seite nicht ausreichend Druck auf die Leitungen zu bekommen. Und Europa hat wirklich Angst davor, dass das Gas ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr durch die Leitungen kommt“, fasst er zusammen.
2. Dezember 2016
Quelle: Lewyj Bereg
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