Nachdem wir von der Protestaktion der Reisenden der Kiewer Regionalbahn/Elektritschka gehört haben, entschloss sich LB.ua., eine Reportage über die klassische Regionalbahn zu schreiben. Wir fuhren an einer der stark befahrenen Strecken vorbei – Kiew-Borjaka (in Richtung Fastow) und fragten die Passagiere, ob sie zufrieden mit dem Service in den Bahnen sind und was sie ändern wollen würden.
Am Regionalbahnhof in Kiew treffen wir den ersten Experten in Sachen Regionalbahn: die Brötchenverkäuferin (ihren Namen wollte sie uns nicht nennen). Sie berichtet uns, dass sich aufgrund der „Lücken“ im Zugfahrplan zu viele Passagiere ansammeln und deswegen die Waggons übervoll seien:
„In Richtung Fastow? Um 05.24 Uhr? Sie müssen dorthin“, das Großmütterchen zeigt auf einen von zwei einander völlig gleichenden Zügen mit identischer Aufschrift (eine andere Art der Orientierung gibt es nicht). „Die zweite Bahn fährt um 06:42. Jetzt beginnt gerade der Pendlerverkehr“, eine ganze Stunde kam keine Bahn, nun haben sich eine ganze Menge Menschen angesammelt. „Tja, und nach der Arbeit kommen sie alle wieder. Hier kommen übrigens gerade meine Stammkunden – sie fahren jeden Tag mit der Bahn zur Arbeit und wieder zurück. Viele Menschen aus den Vororten arbeiten in Kiew. Und um 5.42 ist es schon vorbei, und wer um sechs kommt, muss sich nicht mehr mühsam reindrängen.“
Auf dem Bahnsteig wartet Pawel Demidov, Dozent an der Nationalen Wirtschafts- und Handelsuniversität und wohnhaft in dem Vorort Wischnjaki, auf die Abfahrt seines Zuges. Er weiß, warum es so viele „Lücken“ im Fahrplan gibt – viele Züge wurden einfach abgeschafft: „Man hat sowohl die Anzahl der Bahnen, als auch die Anzahl der Waggons verringert, deswegen ist hier so ein Gedränge. Morgens fahre ich schon mit dem ersten Zug. Um sechs Uhr setze ich mich in die Bahn von Kiew nach Wischnjaki. Das ist die dritte Station von der Endhaltestelle, Fastow, aus, und die Waggons sind bereits vollgestopft. Wenn man um sieben oder acht fährt, gibt es schlicht keinen Platz mehr. Warum das so ist? Es gibt zu wenig Waggons und zu wenig Züge. Und die, die es gibt, die schnellen, die halten nicht an allen Haltestellen, sondern nur an den Bahnhöfen. Totales Chaos!
Ich bin Pensionär, fahre mit einem kostenlosen Ticket. Reisende, die zu ermäßigten Preisen fahren, gibt es in einem Zug wirklich viele. Wenn Sie in einen Waggon gehen, fährt schon die Hälfte zum ermäßigten Preis. Und dieses Geld wäre schon ausreichend, doch auch hier wird betrogen! Sie transportieren Massen von Passagieren, aber Geld gibt es keins.
Es gibt noch ein wichtiges Problem. Leute steigen ein und benutzen den Vorraum, trinken und rauchen den ganzen Weg, bis hin nach Fastow. Das verfolgt niemand, alles ist erlaubt. Aber die Türen sind beschädigt, Rauch weht durch den Waggon. Durchlüften und die Fenster öffnen – nicht erlaubt. So fahren wir, eineinhalb Stunden bis zu einer Stunde und vierzig Minuten im Rauch. Wie soll man das aushalten? Ich bin Herzkrank und habe hohen Blutdruck. Solche Fahrten sind einfach nur unerträglich.“
Mit Leonid aus Wasilkowa sprechen wir im Vorraum. Der Mann versucht nicht einmal, einen Platz im Waggon zu ergattern, dort ist alles voller Menschen. Im Vorraum ist es ziemlich dreckig und es riecht auch unangenehm – die Tür zur Toilette lässt sich nicht schließen. Zu den überfüllten Waggons äußerst sich Leonid stoisch, aber der Service erscheint ihm einfach nur unerträglich: „Ich bin selbst aus der Oblast Shitomyr, arbeite in Kiew und lebe in Wassylkowe – so ist es billiger. Zur Arbeit und zurück fahre ich mit der Elektritschka. Also am Freitag ist der ‘Tag der Befreiung Kiews’. Alle fahren auf die Dörfer, die Waggons sind schrecklich voll. Doch die Hauptsache ist der Service! Du gehst zum zweiten Mal in den Waggon, doch sind die Toilettentüren verschlossen! Was also tun? Die Leute gehe zwischen die Waggons und verzeihen Sie mir die Einzelheiten, verrichten, bitte sehr, alles dort! Es ist sehr notwendig, die Leute können sich nirgends festhalten und fallen aufeinander.“
Die Studentin Shenja treffen wir im nächsten Zwischenraum. Dort ist kein Licht, aber die Leute stehen eng gedrängt, die Reisenden bezeichnet es als „Sardinen in der Dose“. Für die große Shenja ist die Fahrt sehr unangenehm – es gibt keine Haltegriffe, man kann sich nirgendwo festhalten. „Ich hab mich schon dran gewöhnt, ich fahre jeden Morgen hin und auch wieder zurück mit der Bahn. Die Ironie des Schicksals liegt darin, dass ich gerade Lokführergehilfin werde.“
Der etwas erfahrener Fahrende Michail aus Tarowski beschreibt die Gründe der Probleme mit der Vorortbahn: „Erstens haben sie die Waggons seit den Sowjetzeiten nicht mehr ausgetauscht. Das macht man einfach nicht, und Ersatzteile werden nicht mehr hergestellt. Es gab das Lugansker Werk, das gibt es aber nicht mehr. Seitdem werden die Waggons immer weniger. Sonst waren es immer so zwölf Waggons, jetzt sind es nur noch sechs, maximal acht. Doch es werden immer mehr Menschen. Außerdem haben sie einen Teil der Bahnen den Städtischen Bahn überlassen, und es ist fast nichts übrig geblieben. Irgendwann haben sie mal fünf neue Züge gekauft, aber die haben bei weitem noch nicht alle Passagiere zu Gesicht bekommen.“
In unser Gespräch klinkt sich eine sehr junge Frau ein, doch selbst sie spricht schon mit einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit: „Wir können nichts ändern, und Unterschriftensammlungen bringen nichts. Man kann auf Strecken fahren, auf denen die Züge nicht in allen Ortschaften halten, aber das kostet doppelt so viel und man fährt länger. Es gibt also keine wirkliche Wahl. Jeder von uns hofft, aus den Vororten Kiews herausziehen zu können, nur um nicht mit diesen Regionalbahnen fahren zu müssen.“
LB.ua. hofft nun, dass die Mitarbeiter die Wünsche der Passagiere berücksichtigen. Unserer Ansicht nach ließe sich das Problem der Schwarzfahrer, das die Eisenbahner beklagen, recht einfach lösen. Es würde sich lohnen, die Drehkreuze, die schon lange auf den Bahnsteigen stehen, zu reparieren – jetzt funktionieren sie nur selten, der Fahrschein wird am Eingang vom Sicherheitspersonal entwertet. Hinaus gehen einfach alle so, ohne den Fahrschein vorzuweisen. Aber man sollte nur mit Hilfe des Tickets den Bahnhof verlassen können (diese Funktion haben die Drehkreuze), so dass jeder genau für die Entfernung zahlt, die er auch gefahren ist – andernfalls käme er nicht heraus. Das Problem der Schwarzfahrer wäre damit erledigt.
16. November 2011 // Aljona Melnik
Quelle: Lewyj Bereg
Forumsdiskussionen
lev in MDR • Re: Ukraine: Trotz Krieg Touristen
„Danke Bernd für deine Eindrücke. Ich fahre Ende Mai wieder für mehrere Wochen nach Lviv. Nicht um Urlaub zu machen, sondern in unsere Wohnung. Hatte sie ja vor dem Krieg, aufwendig saniert und möchte...“
Bernd D-UA in MDR • Re: Ukraine: Trotz Krieg Touristen
„Hallo liebe Forengemeinde und Mitleser, ich bin gerade auf einem Kurztripp durch die Ukraine. Es ist wunderschön wieder hier zu sein. Es fehlen die Touristen, gestern habe ich einen persönlichen und...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Kurzer Bericht, hab dann doch den Wachwechsel erwischt, bei den Polen ging dann bestimmt 45 Minuten gar nix. Und dann wurde in zwei Schüben eingelassen, ich finde, dann ging es in einem guten Tempo voran....“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Bin jetzt da, 10 PKW vor mir, das ist akzeptabel, ist ja auch der 1.Mai. Bin zufrieden mit der Situation. @Frank Fahre immer noch ein schwarzes Auto... kennst doch meine Erfahrung mit der Polizei in UA...Kaffeebraun...“
Frank in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Probier doch einfach. Wenn der offen ist doch alles ok. Bin da glaube mal zurück drüber gefahren. War dann nur eine ewige Kurverei bis zur A4. Bin da aber eh erstmal bis Krakau. Kann natürlich auch...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Schade, dass es keine Info´s zu Zosin gibt, wer aber noch was weiß, bitte schreiben, ich fahre jetzt in 30 Minuten los und kann immer noch in ca. 10h bei einem Stopp nochmals nachlesen. Google Maps schickt...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Diesen Grenzübergang hatte ich schon auf dem Schirm, kenne ihn nur noch nicht. Kann jemand noch etwas zu Zosin sagen, wäre ja auch machbar oder lieber nicht? Vielen Dank Bernhard.“
bernhard1945 in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Hallo Bernd Es hängt etwas davon ab, wohin Du in Ukraine fahren möchtest. So wie es scheint möchtest Du (wie ich normalerweise) in Richtung Kiew fahren. Ich benütze deshalb seit Jahren den Übergang...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Ergänzend, möchte nach Luzk fahren, ist ja sicherlich nicht uninteressant für einen Ratschlag.“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
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„Das ist ein simples D-Visum, wie man es auch in Deutschland für die Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung braucht. Man benötigt dazu keine Mindestaufenthaltszeit. Auch bei der Aufenthaltserlaubnis...“
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„Zunächst möchte ich sagen, daß die PKP für die Sitzplatzzüge, die zum Beispiel von Kattowitz bis nach Przemysl fahren, die Preise nicht erhöht hat. Allgemein gilt die Polnische Staatsbahn eher als...“
MHG1023 in Berichte und Reisetipps • Re: Mit dem Zug in die Ukraine
„"Warum verlangt die PKP von den Fahrgästen solch einen Preis ?" - Weil sie es können ... Die Nachfrage dürfte weiter hoch sein und weil es keine vergleichbaren Alternativen gibt (Buslinien über Nacht...“
JohannesTim in Berichte und Reisetipps • Re: Mit dem Zug in die Ukraine
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