Die Sowjetunion liebte das einfache amerikanische Volk leidenschaftlich. Fütter es nicht mit Brot – gib dem einfachen Farmer, Arbeiter und mehr noch dem Arbeitslosen dein Mitgefühl. Nun, ungefähr so liebte die sowjetische Propaganda es zu erzählen. Dabei nicht nur nach außen hin, sondern auch im Inneren des Landes. Ich erinnere mich heute noch an die tränenreichen Texte aus dem Lesebuch: „Dort wo der Reiche noch regiert, dort herrscht Ungerechtigkeit, dort herrschen Klage, Elend und sind hinreichend viele Menschen in Unfreiheit. Wir dagegen leben in Wohlstand und Wärme auf unserem Land. Im Oktober errang unser Volk die freie Arbeit, das freie Schaffen.“
Dagegen liebt die moderne russische Propaganda den einfachen Amerikaner nicht. Besonders im Inneren des Landes. Der einfache Amerikaner ist für sie ein „dummer fetter Nichtsnutz“, auf den man eine Atombombe werfen will. Und das Ergebnis ist offensichtlich: wenn zu Sowjetzeiten die UdSSR es vermochte in den Staaten des Westens schnittige Reihen der linken Öffentlichkeit zu mobilisieren, so demonstriert die jetzige Russische Föderation ein völliges Scheitern an der Propagandafront, besonders im Vergleich zu den Mitteln, die für die Propaganda ausgegeben werden.
Eine qualitative Propaganda sagt dem kollektiven Feind immer: wir lieben dich, Dummerchen, lass uns gemeinsam gegen deine Regierung kämpfen, die unser gemeinsamer Feind ist. Und, übrigens, hat der Kreml in der Ukraine diese Message immer gesendet und sendet sie weiter.
Daher sah für mich immer die Message seltsam aus, die im russischsprachigen Informationsraum von den sogenannten „Poroschenko-Bots“ vertreten wurde: „Ein Russe? Dann verpiss dich!“ Besonders lächerlich wirkte das bei prinzipiell russischsprachigen Genossen mit Familiennamen der Endung „ow“ und „in“. Es drängte sich der Eindruck auf, dass sie versuchten größere Ukrainer zu sein, als einfach nur Ukrainer. Jedes Zusammenschlagen friedlicher Protestierender in Moskau rief bei ihnen einen Ausbruch unglaublichen Glücks hervor: hahaha, schaut auf diese Duldsamen, diese Rotznasen schaffen es nicht einen Maidan zu veranstalten, wir würden dagegen ohne Scherz den Kreml einnehmen! Und die Einreiseverweigerung des SBU für irgendeinen oppositionell eingestellten Bürger der Russischen Föderation an der Grenze rief einfach einen unglaublichen Freudentaumel hervor, sicher sogar größer, als wenn unsere Streitkräfte unerwartet Donezk einnehmen würden. „A hahaha, dachtest du, dass nur Putin unser Feind sei? Nein! Für uns ist jeder von euch ein Feind! Ihr Schufte seid alle schuld, dass ihr nicht am richtigen Ort und mit dem richtigen Pass geboren wurdet!“ Hier würde ich gern das bekannte Mem mit dem Waschbären einstellen: „Das ist ein Waschbär. Und was hast du erreicht?“
Wobei je tiefer das offensichtliche Scheitern des Poroschenko’schen Bildes „Leben auf neue Art“ [Wahlkampflosung von Poroschenko 2014, A.d.Ü.], je offensichtlicher wurde, dass der Wohlstand des durchschnittlichen Ukrainers nicht so bald den Wohlstand des durchschnittlichen Russen übertreffen wird, um so intensiver wurde das Entfachen der sinnlosen Russenfeindschaft der Poroschenko’schen Trollfabriken. Die Informationsblase, in welcher der Ex-Präsident weilte, brachte ihn darauf, dass er eben so die Patrioten um sich scharen und die Wahlen gewinnen könne. Niemand dachte daran, dass die Formel „Putin ist schlecht, doch die Russen sind betrogen, man muss ihren Kampf für die Freiheit unterstützen“ es erlaubt hätte komplett anders die Kommunikation mit den russischkulturellen (oder sowjetischkulturellen) Einwohnern des Ostens und des Südens aufzubauen. Wozu? Es ist viel leichter alles russische herabzuwürdigen, Bandera dort hineinzustopfen, wo er nötig oder auch nicht nötig ist und der Sieg ist in der Tasche! Doch danach: „Und wie hat dieser Selenskyj gesiegt? Bestimmt ist unser Volk schlecht.“
Ich werde jetzt keine fertigen Rezepte ausgeben. Sage nur, dass für die Mehrheit der Ukrainer das Verhältnis zu Russland und den Russen immer noch eine Frage und kein Axiom ist. Es ist weder gut noch schlecht, aber einfach eine Tatsache. Und wenn jemand im Krieg gewinnen will – besonders in einem Informationskrieg – dann muss diese Frage klug gelöst werden, anstatt zu versuchen den Feind mit Kosakenmützen zu bewerfen. Merkwürdig, dass dieser einfache Gedanke niemandem aus der Umgebung des „von Gott gesandten Diplomaten“, der im Präsidentensessel saß, in den Kopf kam.
11. Oktober 2019 // Pawlo Subjuk
Quelle: Zaxid.net
Den ersten Kommentar im Forum schreiben