FacebookXVKontakteTelegramWhatsAppViber

Land der Großmeister

0 Kommentare

Ukrainische Schachspieler sind die stärksten der Welt

Der Sieg bei der 39. Schacholympiade in Chanty-Mansisk hat bewiesen, dass die ukrainischen Schachspieler die stärksten der Welt sind, doch ihre heutigen Siege haben solide historische Wurzeln.

Renaissance des Schach

Schach ist das alte und vornehme Spiel kluger Menschen. Der weltweit erste Platz im Schach ist ein eindrucksvoller Beweis des intellektuellen Potentials einer Nation. Und im Triumph der ukrainischen Schachspieler in Chanty-Mansisk liegt nichts verwunderliches. Erstens haben unsere Sportler bereits vor sechs Jahren die Schacholympiade (die alle zwei Jahre stattfindet) im spanischen Calvià gewonnen. Und zweitens lag das Team der Ukraine, für die Wassili Iwantschuk, Ruslan Ponomarjow, Pawel Eljanow, Sachar Jefimenko und Aleksandr Moissejenko antraten, in der Summe der Ratingzahlen nur hinter der ersten Mannschaft Russlands (Russland wurde auf der Olympiade durch gleich fünf Mannschaften vertreten).

Die Ukraine nimmt heute weltweit den zweiten Platz nach Anzahl internationaler Großmeister (68 Männer und 16 Frauen) ein, und unter den ersten hundert Plätzen im Rating der internationalen Schachföderation FIDE befinden sich zehn unserer Schachspieler und acht Schachspielerinnen.

Gleichwohl gibt es unter unseren Machthabenden und Oligarchen keine Liebhaber dieser Sportart, daher wurde in der Zeit der Unabhängigkeit in der Ukraine praktisch keine systematische Arbeit zur Entwicklung dieser Sportart durchgeführt.

Ein Teil der stärksten ukrainischen Profis ging aus Geldnot und mangels Unterstützung und Interesse ins Ausland. Heute spielen Aleksandr Beljawski und Anna Musytschuk für Slowenien, Aleksandr Onischtschuk für die USA und Sergei Karjakin, der mit 20 Jahren der jüngste Großmeister in der Geschichte wurde, tritt heute für Russland an.

Doch in diesem Jahr fand im Schachleben der Ukrainne ein ernsthafter Umschwung zum Besseren statt. Im April wurde der berühmte Finalist Viktor Kapustin zum Vorsitzenden der Nationalen Schachföderation, der sich daran machte, Ordnung in diesen Betrieb zu bringen, eigene Mittel investierte und Sponsoren anlockte. Die Schulden der Ukraine gegenüber der FIDE wurden beglichen, starke Spieler und Trainer angelockt und erstmals ein Budget und ein Aktionsplan für die Föderation aufgestellt.

Die Anstrengungen Kapustins brachten ihre Früchte bei der Olympiade in Chanty-Mansisk, gelang es ihm doch, in die Auswahl des Landes die stärksten Großmeister zurückzubringen.

“Der Schachbetrieb der Ukraine ist zu stark zerstört. Um ihn zu stärken, sind mindestens fünf Jahre nötig. Die Hauptsache ist Konsequenz und Vorwärtsbewegung”, findet Wiktor Wladimirowitsch Kapustin.

Helden vergangener Tage

In der Ukraine gibt es eine große Auswahl von Namen, deren Andenken künftige internationale Turniere gewidmet werden könnten. Hat doch die heutige Generation ukrainischer Schachmeister nicht wenige berühmte Vorgänger.

Von dem Moment an, als 1881 in Charkow die “Gesellschaft der Freunde des Schachspiels” gegründet wurde, schrieben talentierte Ukrainer mit goldenen Buchstaben ihre Namen in die Weltschachgeschichte. Bis zur Revolution glänzten Boris Berlinski aus Odessa und die Kiewer Fjodor Bogatirtschuk, Aleksandr Ewenson und Jefim Bogoljubow. In den Jahren 1920 bis 1930 erreichten gemeinsam mit Bogoljubow und Bogatirtschuk, von denen gesondert die Rede ist, Fedor Dus-Chotimirski, Wsewolod Rauser, Aleksandr Konstantinopolski und andere ukrainische Meister herausragende Erfolge.

Den täglichen oder wöchentlichen Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben!

Im Jahr 1950 fand das Kandidatenturnier um das Recht, gegen den Weltmeister Michael Botwinnik anzutreten statt. Die Teilnehmer waren der in Solotonoscha (Gebiet Tscherkassi) gebürtige Isaak Boleslawski und der in Belaja Zerkow gebürtige Dawid Bronstein. Als Sieger ging Bronstein hervor, der daraufhin im Titelduell mit Botwinnik remis spielte, und entsprechend dem Reglement blieb der Titel beim amtierenden Meister.

Der Traum ukrainischer Schachspieler von der Weltmeisterkrone ging ein halbes Jahrhundert später in Erfüllung, im Jahr 2002. Im Finale des Turniers um den Titel des FIDE-Weltmeisters spielten zwei Ukrainer: Ruslan Ponomarjow aus Kramatorsk und Wassili Iwantschuk aus Lemberg. Der 18jährige Ponomarjow gewann und wurde zum jüngsten Weltmeister in der Geschichte des Schach.

Doch in diesem halben Jahrhundert gewannen ukrainische Vertreter eine Menge Turniere: Jefim Geller, Leonid Stein, Eduard Gufeld, Wladimir Sawon, Wladimir Tukmakow und andere.

Doch die leuchtendsten und zu Unrecht vergessenen Namen der ukrainischen Schachgeschichte sind Jefim Bogoljubow und Fedor Bogatirtschuk.

Große Verbannte

Die Kiewer Jefim Bogoljubow (1889-1952) und Fedor Bogatirtschuk (1892-1984) trafen oft hinter dem Schachbrett aufeinander. Sie spielten auch auf dem berühmten Ersten Moskauer Internationalen Turnier 1925, was als repräsentativste Meisterschaft in der Vorkriegsschachgeschichte gilt. Untereinander trennten sich die Ukrainer friedlich, und Bogoljubow wurde Sieger des Turniers und ließ damit die großen José Raúl Capablanca, Emanuel Lasker, Richard Réti, Akiba Rubinstein und viele andere Berühmtheiten hinter sich.

Das Schicksal beider Schachspieler sollte mit Deutschland verbunden sein. 1914 wurden Bogoljubow und Bogatirtschuk, die sich zum Moment des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs zu einem Turnier in Mannheim befanden, interniert. Bogatirtschuk kehrte nach Hause zurück, erhielt ein Diplom als Arzt und ging als Freiwilliger an die Front. Bogoljubow dagegen heiratete und blieb in Deutschland. 1924 kehrte er in die UdSSR zurück und gewann zweimal die Landesmeisterschaft – ein Turnier, das nach seiner Besetzung traditionell stärker war als internationale Wettkämpfe. Doch 1926 ging Bogoljubow, der schnell die “Schönheit” des sowjetischen Systems erkannte, erneut nach Deutschland, wo er bis zum Ende seines Lebens blieb. Er wurde zum Verräter erklärt, die sowjetische Staatsbürgerschaft wurde ihm ebenso entzogen wie der Titel des Meisters der UdSSR (der einzige Fall in der Geschichte). Dies hindert Jefim Dmitrijewitsch Bogoljubow nicht daran, eine Reihe großer Turniere zu gewinnen und zwei Spiele mit dem Weltmeister Aleksandr Aljechin auszutragen. Nach dem Krieg spielte Bogoljubow für die Auswahl der Bundesrepublik Deutschland. Aus verständlichen Gründen wurde sein Name in der Sowjetunion nicht öffentlich gebraucht.

Ein ähnliches Schicksal ereilte Fjodor Bogatirtschuk, den sowjetischen Meister von 1927, dreimaligen Drittplatzierten bei unionsweiten Wettkämpfen, den einzigen Schachspieler, der eine positive Bilanz in Begegnungen mit Michail Botwinnik hatte (drei Siege, zwei Remis). Der Doktor der Medizin (Spezialist für Knochen und Gelenke), Autor des ersten ukrainischen Schachlehrbuchs “Schach. Lehrbuch des Spiels” und Vorsitzende der Schachföderation der Ukraine hatte in den Augen der Machthabenden einen großen Fehler – er liebte die Ukraine und hasste den Kommunismus. In den Jahren der Besatzung blieb Bogatirtschuk in Kiew und leitete die Abteilung des Roten Kreuzes. Und danach ging er mit den Deutschen, freundete sich mit General Wlassow an und unterschrieb das Prager “Manifest der Befreiungsbewegung der Völker Russlands”. 1948 ging Bogatirtschuk von Deutschland nach Kanada, wo er sich aktiv wissenschaftlich betätigte, Schach spielte und an der Arbeit ukrainischer nationalistischer Organisationen teilnahm. Sowjetische Schachspieler boykottierten internationale Wettkämpfe mit Teilnahme Bogatirtschuks, daher verlegte er sich auf Briefschach. Sein Name war in der UdSSR gänzlich verboten und bleib nur in Protokollen und Tabellen von Wettkämpfen erhalten.

Igor Lewenstein

Quelle: Weekly.ua

Übersetzer:    — Wörter: 1058

arbeitet als freier Journalist, Autor und Übersetzer in Berlin. Neben der Ukraine befasst er sich hauptsächlich mit Russland, Polen und Estland.

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Vielleicht sollten Sie eine Spende in Betracht ziehen.
Diskussionen zu diesem Artikel und anderen Themen finden Sie auch im Forum.

Benachrichtigungen über neue Beiträge gibt es per Facebook, Google News, Mastodon, Telegram, X (ehemals Twitter), VK, RSS und täglich oder wöchentlich per E-Mail.

Artikel bewerten:

Rating: 6.3/7 (bei 3 abgegebenen Bewertungen)

Neueste Beiträge

Kiewer/Kyjiwer Sonntagsstammtisch - Regelmäßiges Treffen von Deutschsprachigen in Kiew/Kyjiw

Karikaturen

Andrij Makarenko: Russische Hilfe für Italien

Wetterbericht

Für Details mit dem Mauszeiger über das zugehörige Icon gehen
Kyjiw (Kiew)11 °C  Ushhorod13 °C  
Lwiw (Lemberg)13 °C  Iwano-Frankiwsk12 °C  
Rachiw9 °C  Jassinja9 °C  
Ternopil12 °C  Tscherniwzi (Czernowitz)14 °C  
Luzk13 °C  Riwne12 °C  
Chmelnyzkyj11 °C  Winnyzja12 °C  
Schytomyr10 °C  Tschernihiw (Tschernigow)12 °C  
Tscherkassy15 °C  Kropywnyzkyj (Kirowograd)14 °C  
Poltawa13 °C  Sumy12 °C  
Odessa18 °C  Mykolajiw (Nikolajew)17 °C  
Cherson18 °C  Charkiw (Charkow)14 °C  
Krywyj Rih (Kriwoj Rog)16 °C  Saporischschja (Saporoschje)16 °C  
Dnipro (Dnepropetrowsk)14 °C  Donezk15 °C  
Luhansk (Lugansk)14 °C  Simferopol16 °C  
Sewastopol18 °C  Jalta19 °C  
Daten von OpenWeatherMap.org

Mehr Ukrainewetter findet sich im Forum

Forumsdiskussionen

„Bei Anreise Montag oder Dienstag, findet die Heirat Donnerstag oder Freitag derselben Woche statt. Natürlich werden die Unterlagen in der Zeit vorbereitet und Übersetzt. Nach der Hochzeit das Gleiche...“

„Hallo und danke für die Infos....wie lange würde es eurer Meinung nach dauern wenn ich euch für diesen Service in Anspruch nehmen würde?.....meine Unterlagen wären zu dem Zeitpunkt übersetzt und...“

„Schöner Joke. Tatsachen wären mir aber lieber.“

„"Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts Kursk stimmten für den Anschluss zur Ukraine." Wäre mir ganz neu, hast Du Belege dafür ? Nein. hat...“

„"Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts Kursk stimmten für den Anschluss zur Ukraine." Wäre mir ganz neu, hast Du Belege dafür ?“

„Natürlich ist Rheinmetall einer der Gewinner des Krieges: die Aktien dieser Fa. haben seit Kriegsanfang um 550% zugelegt. Mal zu dem Russophilen-Kriegsverlierer: Gazprom hat 2023 mit 6.5 Millarden USD...“

„Ja, machen einige EU Länder, besonders Ungarn & Österreich, ein wenig auch die Slowakei. das wurde diesen auch erlaubt, weil sie 'rumstöhnten". Östereich hat sich übrigens bereits kräftig in...“

„Das Putin Regime ist ja noch nicht einmal fähig genug Söldner mehr zu finden, um Kursk zu befreien. Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts...“

„Westliche Staaten sollten der Ukraine ermöglichen das techn. Knowhow das noch fehlt, bzw. entspr. Technologie, zukommen zu lassen. Dies sollte möglich sein ohne unangemessene Technik zu übergeben. Die...“

„Westliche Staaten sollten der Ukraine ermöglichen das techn. Knowhow das noch fehlt, bzw. entspr. Technologie, zukommen zu lassen. Dies sollte möglich sein ohne unangemessene Technik zu übergeben.“

„Wir das jetzt die Ausrede um irgendwie doch westliche Waffen für Angriffe tief in russisches Territorium zu ermöglichen? Wird auch nichts bringen. Wer sich kürzlich die Rede von Lloyd Austin angehört...“

„dramatisch! Eine Freundin lebt in Charkiv“

„Ja, das ist so. Das war schon so lange der Fall, wie ich denken kann. Vor dem Krieg konnte man das aber auf 2-3 Tage verkürzen. Das war der Sinn, dieser sog. "Heiratsbüros", was in der Regel Kommunalunternehmen...“

„Hallo aus krementschuk..... mittlerweile mein 4ter Aufenthalt dort.....unsere heiratspläne rücken näher.....jetzt bin ich davon ausgegangen das ich nach übersetzung aller Papiere einen Heiratstermin...“

„Naja, das Experiment mit der Demokratie in Russland ist doch schon ziemlich böse in die Hose gegangen. Ein wenig sind die den gleichen Weg gegangen, den auch Deutschland nach dem 1. WW und seinen ersten...“

„Na, wer da noch einen Willen nach dem Nawalny MOrd noch erkennt, ist wohl blind.“