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Die Entbohdanisierung Selenskyjs: Wie das Präsidentenbüro nun arbeitet

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Troika: Serhij Schefir, Wolodymyr Selenskyj und Andrij Jermak - Ukrajinska Prawda

In der klassischen Geschichte verging für einen Epochenwechsel ein Jahrhundert. Veränderungen im politischen Bewusstsein verliefen langsam und bedurften manchmal mehr als eine Generation.

In der heutigen Welt der sozialen Netzwerke und des Hochgeschwindigkeitsinternets vollziehen sich Veränderungen explosionsartig.

Zum Beispiel ist nur ein Jahr vergangen seit der Geburt des politischen Phänomens „Wolodymyr Selenskyj“, dessen Kern die völlige Erneuerung der politischen Klasse war, bis zum Start des gemäßigten „Selenskyj 2.0“.

Zwischen diesen Selenskyjs klafft eine ideologische Lücke. Ihre Natur beschrieb kürzlich in einem Interview der Präsident selbst, der sagte, er habe erkannt, „ohne Menschen mit Erfahrung ist es unmöglich, den Staat zu regieren.“

Es ist interessant, dass der Beginn dieser neuen Phase in der ukrainischen Politik zeitlich klar an zwei Ereignissen abgelesen werden kann.

Das erste ist die Entlassung von Andrij Bohdan aus dem Amt des Leiters des Präsidentenamtes am 11. Februar.

Das zweite der Rücktritt der Regierung „Neuer Gesichter“ von Olexij Hontscharuk am 4. März.

Der neue Favorit des Präsidenten, Andrij Jermak, hat zu beiden Ereignissen beigetragen.

Er war es, der Bohdan auf dem Posten ersetzte, und war selbst einer der Antreiber des Austauschs von Hontscharuk.

Wie ein notorischer Charakter sagte: „Zufall?“ Denke/t nicht! [Bezugnahme auf den russischen Chefpropagandisten Dmitri Kisseljow, A.d.R.]

Daher hat die Ukrajinska Prawda beschlossen, herauszufinden, wie sich die Arbeit des Präsidentenbüros seit Bohdans Rücktritt verändert hat, wer nun den Abgeordneten und Ministern Kopfnüsse verteilt und auf wessen Rat Präsident Selenskyj in kritischen Zeiten hören wird.

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Entbohdanisierung oder das Ende des Zeitalters neuer Gesichter

„Bohdan und Jermak sind wie zwei verschiedene Sportarten. Bohdan ist explosiv, impulsiv. Ein Sprinter. Und Jermak ist ein Geher. Dies sind unterschiedliche Stile von Management thinking“, so beschreibt einer der stellvertretenden Leiter des Präsidentenbüros den Unterschied zwischen seinem ehemaligen und jetzigen Chef.

„Sie sprechen unterschiedlich mit Menschen. Jermak gibt Ihnen eine langfristige Aufgabe und überwacht dann die Durchführung. Aber er stört dich nicht. Bohdan konnte eine Aufgabe geben und dich 25 Mal am Tag anrufen, nachfragen, schreien. Am Ende wird dieselbe Arbeit erledigt, aber der Prozess geht auf unterschiedliche Weise voran“, fügt ein weiterer Gesprächspartner aus der Verwaltung des Präsidentenbüros hinzu.

Trotz eines so bemerkenswerten Unterschieds in den Managementansätzen bei den Leitern scheint der äußere Tagesablauf des Präsidentenbüros dasselbe zu sein.

Selbst das große Montagstreffen mit dem Präsidenten, die sogenannte „Bohdan-Besprechung“, zu der Vertreter aller Regierungszweige kommen, beschloss man fortzusetzen. Allerdings nun ohne Bohdan.

„Die Besprechungen auf der Bankowastraße [Sitz des Präsidenten, A.d.R.] am Montag wurden beibehalten. Als Bohdan sich das einfallen ließ, grummelten alle, weil es so aussah, als würde das Präsidentenbüro allen die Aufgaben beschneiden. Aber es stellte sich als sehr cool heraus, die Arbeit zu synchronisieren, herauszufinden, wer Probleme hat und was diese Woche die Hauptsache sein würde“, erzählt einer der regelmäßigen Teilnehmer solcher Besprechungen der Ukrajinska Prawda.

Bei aller scheinbaren Ruhe und Stabilität des Büros gab es jedoch einige wichtige Veränderungen in seinem Tagesablauf.

Nach seinem Wechsel vom Assistenten des Präsidenten zum Leiter des Büros nahm Andrij Jermak keine Änderungen an der Struktur des Präsidentenbüros vor. Alle Stellvertreter, die während der Zeit von Bohdan ernannt wurden, behielten ihre Positionen und Funktionen.

Jermaks Zurückhaltung bei der Umbildung der Führungsmannschaft hat mehrere Gründe. In erster Linie bilden er und der Präsident die Regierung um, er richtet in allen Regionen den Kurs auf die Vertikale des Präsidenten aus und so weiter. Für Personalwechsel im Büro gibt es einfach keinen dringenden Bedarf und keine Zeit.

Eine zweite, nicht so offensichtliche Erklärung könnte in der Idee liegen, die Jermak nach seiner Ernennung im Kreise der obersten Führung des Landes geäußert hat.

„Jermak kam an mit der Idee, komplett Posten wie den Stellvertreter des Büroschefs abzuschaffen. Auf dass nur er und unter ihm direkte Abteilungsleiter wären. Aber er beeilt sich nicht damit, dies umzusetzen“, sagt einer der Teilnehmer an diesem Gespräch mit Jermak gegenüber der Ukrajinska Prawda.

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„Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Abteilungsleiter beschließt, selbst zum Präsidenten zu gehen. Sie haben ein anderes Koordinatensystem. Das haben wir auch Jermak gesagt, wenn wir alle Stellvertreter entfernen würden, dann würde er für jede Kleinigkeit allein zum Präsidenten gehen.“

Für einen Büroleiter ist es ziemlich problematisch, solch eine Fülle verschiedener Probleme durchzukauen. Es sei denn natürlich, das Monopol zum Betreten des Zimmers des Präsidenten war nicht das ursprüngliche Ziel.

Laut Jermaks Untergebenen ist von einer Entlassung der Stellvertreter bereits seit einem Monat die Rede. Jermak selbst indes ließ dies jedoch nicht gegenüber seinen Stellvertretern verlauten.

„Wenn jetzt eine ruhige Zeit wäre, könnte eine solche Geschichte durchgezogen werden. Aber jetzt ist unsere Regierung unvollendet. Also scheint so gut wie nichts getan zu werden. Natürlich, wenn Jermak jeden Tag 300-400 Dokumente unterschreiben will, die von den Stellvertretern bearbeitet werden, und sich um alle ihre Angelegenheiten kümmert, dann geht das. Aber macht das Sinn?“, sagt einer von Jermaks Stellvertretern im Gespräch mit der Ukrajinska Prawda.

Nach den Informationen, welche die Ukrajinska Prawda hat, wird es jedoch bald Änderungen im Büro geben. Zunächst werden sie die Bereiche Medien und Kommunikation betreffen.

„Jermak sagt, wenn ich erst mal das Büro leite, werde ich es so ändern, wie es mir effektiv erscheint. Sehr bald wird die Bürokommunikation absolut anders aussehen“, so paraphrasiert einer der Gesprächspartner aus seinem engsten Umfeld die Worte des Büroleiters.

Ob dies den Rücktritt der Personen bedeutet, die sich im Präsidentenbüro seit Bohdan mit der Kommunikation beschäftigten wie Kyrylo Tymoschenko [Stellvertreter Jermaks, A.d.R.] oder Julija Mendel [Selenskyjs Pressesprecherin, A.d.R.], ist noch nicht klar.

Gegenwärtig hat in anderen Institutionen bereits eine erhebliche Entbohdanisierung stattgefunden.

Unmittelbar nach dem Rücktritt von Andrij Bohdan begann im Umfeld der „Diener des Volkes“ [Sluha narodu, Präsidentenpartei, A.d.R.] das Gerede, dass sich Ministerpräsident Olexij Hontscharuk und Generalstaatsanwalt Ruslan Rjaboschapka auf einen beschleunigten Rücktritt vorbereiten sollten. [Hontscharuk und Rjaboschapka wurden am 4. bzw. 5. März entlassen. A.d.R.]

Beide erhielten im Se!-Team mit Unterstützung von Bohdan Status und Positionen, er war für sie die letzte Verteidigungslinie vor dem Präsidenten und seinem Gefolge.

Es ist klar, dass die Entscheidung, den Ministerpräsidenten und den Generalstaatsanwalt zu entlassen, von Selenskyj nicht an einem Tag beschlossen wurde. Bis zuletzt fand Bohdan jedoch Argumente, um diese Entscheidungen zu verschieben.

Seine Entlassung machte den Austausch von Hontscharuk und Rjaboschapka unvermeidlich. Insbesondere in der Situation, in welcher der neue Leiter des Büros, bereits im Januar vorgeschlagen hatte, Hontscharuk zu entfernen, als er also seine falsche Rücktrittserklärung an der Bankowastraße einreichte.

In der neuen Regierung hat bereits Jermak, nicht Bohdan, mehrere Personen gleichzeitig, die als seine guten Bekannten angesehen werden können.

Ein weiterer Bereich, mit dem sich Bohdan früher befasst hat und mit dem sich Jermak jetzt befassen muss, ist die Zusammenarbeit mit dem Parlament.

In dieser Hinsicht schenkte der frühere Chef des Präsidentenbüros der ukrainischen Politik den Begriff des Turbomodus oder, wie seine Gegner verächtlich nannten, des „grünen Druckers“. [grün ist die Parteifarbe von Diener des Volkes, A.d.R.]

Tatsächlich machte sich Bohdan mit seinem ständigen Hinterherrennen hinter den Abgeordneten und dem Druck auf die Führung des Parlaments viele Feinde im Kreis der Abgeordneten.

„Genau genommen hat nicht einmal Jermak Bohdan gefressen. Er hat sich selbst angeknabbert. Mit solch einem verrückten Tempo. Die Leute können es nicht ertragen, solch einen ‚Sturm und Drang‘ permanent auszuhalten ist unmöglich. Nun, einen Monat, gut, zwei, aber dann wollen sie alle eine Pause“, breitet einer der einflussreichen Abgeordneten von „Diener des Volkes“ die Hände aus.

Bohdan spielte in Selenskyjs Team die Rolle des „bösen Polizisten“. Er mischte sich ein, wenn im Parlament Gesetze ausgearbeitet wurden, die Opposition ein Betrugsschema erfand oder das Podium blockierte oder wenn etwas wirklich Ernstes geschah.

Zum Beispiel die Geschichte der sogenannten „Pawljuk-Gruppe“, in der mehrere Dutzend Direktmandatsträger angeblich Geld von Leuten des Oligarchen Achmetow [reichster Ukrainer, A.d.R.] bekommen haben, wofür sie einen Teil des gerechten Zorns des Präsidenten auf der Bankowastraße ernteten. Und es war Bohdan, der die Bestrafung der „Pawljuks“ und die Auflösung ihrer Gruppe leitete und kontrollierte.

Jermak hat eine diametral entgegengesetzte Beziehung zur Fraktion. Er ist nachdrücklich höflich, spricht nur zur Sache. Im Gegensatz zu Bohdan, der sowohl für die Führung des Parlaments als auch für die Führer der Fraktion und manchmal für gewöhnliche Abgeordnete genug Zeit hatte, kommuniziert Jermak hauptsächlich mit der Spitze des Parlaments und der Fraktion „Diener des Volkes“.

„Bohdan hat angerufen und allen etwas vorgegeben. Jermak ist nicht so. Einmal versuchte er zu sagen, dass es einige „Sanktionen“ geben würde, wenn die Abgeordneten nicht dafür abstimmen würden. Wir haben ihm aber sogleich erklärt, dass das so nicht funktionieren würde, Druck und Einschüchterung funktionieren schon nicht mehr. Im Gegenteil, jetzt stimmen alle dagegen, nur um ihn zu ärgern. Und dann wird er vor dem Präsidenten als Dummkopf erscheinen“, erzählt einer der Führer von „Diener des Volkes“ im Gespräch mit der Ukrajinska Prawda.

„Und Jermak verstand sofort alles. Jetzt kommunizieren wir sehr konstruktiv“, ergänzt er.

Jermak selbst will, wie die Gesprächspartner in der Bankowa sagen, Beziehungen zu allen Abgeordneten aufbauen.

„Jermak ist offen. Er wird niemanden anrufen und fluchen. Im Gegenteil, er ist bereit, Beziehungen zu jedem Einzelnen aufzubauen, der es will. Aber wenn er irgendwelche falschen Dinge sieht, wird er sofort ärgerlich und schrecklich“, sagt der Gesprächspartner aus Jermaks Umgebung.

Der Aufbau der Beziehungen zwischen dem Chef des Präsidentenbüros und der Fraktion der „Diener des Volkes“ kam jedoch zu Beginn zum Stillstand. Der Siedepunkt war Jermaks Aktivität in Minsk.

60 Abgeordnete der Präsidentenfraktion unterzeichnen ein kollektives Protestschreiben gegen die Idee der Schaffung einer sogenannten „konsultativen Gruppe“ mit ORDLO-Vertretern [ORDLO steht für „einzelne Kreise der Gebiete Donezk und Luhansk“ und wurde mit den Minsker Abkommen 2014 eingeführt, A.d.R.] im Rahmen der trilateralen Minsker Gruppe. Die pro-europäische Opposition fasste die Initiative sofort als Kapitulation und als Anerkennung der DNR-LNR-Kämpfer [Luhansker und Donezker Volksrepublik, A.d.Ü.] als Subjekte auf, wonach Russland seit mehreren Jahren strebt.

Jermak selbst betrachtet die „Beratergruppe“ als Sieg. Nach fester Ansicht des Präsidententeams „bricht diese Initiative das Monopol“ der bewaffneten Kämpfer, die in Minsk vertreten sind.

„Denn jetzt gibt es zwar in jeder Untergruppe Vertreter der L/DNR. Und am großen Runden Tisch der dreigliedrigen Gruppe sitzen sie. Und unter den Minsker Abkommen gibt es fünf Unterschriften: Ukraine, OSZE, Russland und noch zwei Kämpfer. Aber unsere Leute aus dem Donbass gibt es in Minsk nicht, nur die der anderen Seite. Das wollen wir ändern“, erklärt eines der Mitglieder der Minsker Gruppe von Selenskyjs Team.

Aber selbst seiner Fraktion die Zweckmäßigkeit und das Wesentliche solcher Vereinbarungen zu erklären, versuchte das Büro Jermaks nicht, oder es gelang ihm nicht, die Situation bis zum öffentlichen Vorstoß seiner Abgeordneten treibend.

Jermak muss die Spannung eilig beilegen, indem er sich mit den „Aufstandsinitiatoren“ im Büro traf.

Hierbei war der Initiator des Treffens nicht der Leiter des Präsidentenbüros, sondern die „Diener des Volkes“ selbst. Die filmische Vergangenheit scheint mit Jermak einen schlechten Scherz zu spielen, da Politik und Kino diametral entgegengesetzte Kommunikationsmodelle brauchen.

Im Film wirken Missverständnisse, Intrigen und Informationsmangel als Hilfselemente für die explosive Entladung.

In der Politik und vor allem bei Themen wie dem Donbass oder der Krim funktioniert alles umgekehrt – die Regierung sollte ihre Argumente sofort der Öffentlichkeit präsentieren, sozusagen von Anfang an, damit das Land eine explosive Entladung vermeiden kann.

„Troika“: Selenskyj, Jermak und Schefir

„Historisch gesehen war es immer so, dass derjenige, der einen Präsidenten oder eine politische Kraft an die Macht bringt, zurücktritt“, sinniert einer seiner direkten Untergebenen über den Grund für Bohdans Rücktritt.

„Als wir gerade in die Bankowa kamen, sagte Bohdan selbst, dass er maximal ein Jahr bleiben würde“, erinnert er sich.

Doch der Abgang des Präsidentenbüros-Leiters aus dem Team ist jedoch nicht nur ein Verlust eines Begleiters, von denen es schon viele „verloren“ hat. Bohdan war der Architekt des Regierungssystems, das sich auf die Figur von Präsident Selenskyj konzentrierte.

Zu Arbeitsbeginn der neuen Regierung war Bohdan der Hauptberater in Personal-, Wirtschafts-, Rechts- und anderen Fragen.

Selenskyj bildete nach und nach eine Entscheidungsgruppe, zu der Bohdan, Jermak und der Adjutant des Präsidenten, Serhij Schefir, gehörten. In diesem Kreis wurden wichtige Entscheidungen getroffen.

Nach Bohdans Rücktritt verwandelte sich das Quartett offiziell in ein Trio oder eine „Troika“, wie es die Abgeordneten der Präsidentenfraktion scherzhaft nennen.

De facto ist Bohdan etwas früher aus diesem Rahmen herausgefallen. Die eigentliche Festlegung der getrennten Arbeitsweise der „Troika“ war die Befragung von Kandidaten für Ministerpositionen in der damaligen Hontscharuk-Regierung. Bohdan nahm an diesen Treffen nicht teil, aber Jermak und Schefir.

Tatsächlich wird die „Troika“ nach dem auf Selenskyj zentrierten Regierungsmodell zum Hauptzentrum politischer Entscheidungen, und es kontrolliert das Land. Die „Troika“ bestimmt, wer und wo ernannt wird, was bedeutet, dass sie den Ton für Wirtschaft, Politik und Geopolitik angibt.

Die endgültige Option der wichtigsten Entscheidungen wird weiterhin von Präsident Selenskyj persönlich ausgewählt. Nach der Ernennung von Jermak haben sich jedoch die Optionen geändert, unter denen der Präsident seine Wahl trifft.

Das auffälligste Ergebnis dieser Änderung zeigt sich beim Vergleich der unter Bohdan gebildeten Hontscharuk-Regierung mit der Regierung von [Denys] Schmyhal, für deren Bildung Jermak und Schefir verantwortlich sind.

Die endgültigen Personalentscheidungen in beiden Fällen wurden von Selenskyj getroffen, aber der Unterschied zwischen dem Ministerkabinett der „neuen Gesichter“ von Hontscharuk und dem Ministerkabinett von Schmyhal, das eine ganze Welle von „Menschen mit Erfahrung“ mitbrachte, einschließlich von Arbeit unter Janukowytsch [Gemeint ist der 2014 gestürzte 4. Präsident der Ukraine, Wiktor Janukowytsch. A.d.R.], ist erstaunlich.

Innerhalb der „Toika“ gibt es eine klare Verteilung der Rollen und Kompetenzbereiche.

Andrij Jermak führt weiterhin die internationale Arbeit fort, wo sich der Fokus nun von einer engen Zusammenarbeit mit westlichen Partnern hin zu möglichen Vereinbarungen mit Moskau verlagert.

Jermak hat sich jetzt auch die Innenpolitik gesichert: Er muss die Koordination der Regierung, deren Komplettierung [mehr als zwei Wochen nach deren Einsetzung sind immer noch drei Ministerposten unbesetzt. A.d.R.] und die Zusammenarbeit zwischen dem Ministerkabinett und dem Parlament sicherstellen.

Jermak versucht auch, die gesamte Präsidentenabteilung der staatlichen Verwaltung im Land, die direkt von seinem Stellvertreter Serhij Trofimow überwacht wird, für seine Interessen einzuspannen.

Schefir hat laut Ukrajinska Prawda eine andere Funktion. Der langjährige Geschäftspartner von Selenskyj ist für die Kommunikation mit Großunternehmen und Oligarchen verantwortlich.

Bei einem Besuch Schefirs beim Oligarchen Igor Kolomojskyj haben ihn die Journalisten der Sendung „Schemy“ erwischt. Bei der Beantwortung von Fragen zum Grund des Besuchs äußerte Schefir unerwartet eine weitere wichtige Funktion: Er leitet weiterhin die Angelegenheiten der Fernsehsendung „Quartal“ und koordiniert die Zusammenarbeit des Studios mit dem Kolomojskyj-Kanal.

Das heißt, eine Person, die direkten Einfluss auf die Ernennung der obersten Regierung hat, ist weiterhin für das Hauptunternehmen des Präsidenten verantwortlich.

„Schefir spricht mit den großen Geschäftsleuten. Das stimmt. Die Kommunikation mit Kolomojskyj ist schwierig. Es ist schwierig, aber sie läuft. Mit Achmetow ist sie ok. Von den Größten gibt es am wenigsten Gespräche mit Pintschuk. Sie treffen sich mit Kutschma [Gemeint ist Leonid Kutschma, der 2. Präsident der Ukraine, der gleichzeitig der Schwiegervater von Wiktor Pintschuk ist. A.d.R.], weil er in der Kontaktgruppe ist. Doch Pintschuk ist irgendwie außen vor“, erklärt einer der Führer der Präsidentschaftspartei.

Darüber hinaus ist Schefir im Se[lenskyj]!-Team der Hauptfreund und Einstiegspunkt in den nächsten Kreis des Präsidenten für den Chef des Innenministeriums, Arsen Awakow. Der Einfluss des Letzteren auf die neue Regierung hat in keiner Weise abgenommen. Im Gegenteil, Arsen Borysowytsch [Awakow] fehlen derzeit Raketeneinheiten in der Nationalgarde, um seine Armee mit gepanzerten Fahrzeugen, Luftfahrt und Marine zu vervollständigen.

Schefirs Stärke im Team des Präsidenten heißen Vorsicht und Besonnenheit. „Schefir ist wie ein Vogel im Sumpf. Er wird zehnmal mit dem Bein versuchen, ob es fest ist, und erst dann steht er“, beschreibt eines der führenden Mitglieder des Se[lenskyj]!Teams den ersten Assistenten des Präsidenten.

***

Besonnenheit ist ein sehr wichtiges Merkmal in der Politik. Sowie die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen.

Jetzt stehen Präsident Selenskyj, seine „Troika“ und die gesamte Regierung vor großen Herausforderungen, vor allem wirtschaftlichen und geopolitischen.

Einerseits schwebt [bedrohlich] über dem Staatsoberhaupt die komplizierte Frage der PrivatBank und der Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds. Um das Programm des Fonds fortzusetzen, sollte ein Gesetz verabschiedet werden, das die Rückgabe von Banken an frühere Eigentümer verbietet.

„Die Bank sollte weder Kolomojskyj zurückgegeben, noch sollte ein Krieg mit ihm begonnen werden. Entweder den Internationalen Währungsfonds oder Kolomojskyj zum Teufel schicken. Aber es muss eine Entscheidung getroffen werden. Man kann das nicht mehr hinauszögern“, empört sich eines der Teammitglieder des Präsidenten.

Das zweite schmerzliche Problem ist seinen Worten nach Russland:

„Wir sind zu Putin gegangen und haben gesagt, auf, komm uns ein paar Schritte entgegen, und dann können wir unseren Leuten erklären, warum wir einige Schritte unternehmen müssen. Und die Russen sind auf den Gefangenenaustausch eingegangen, gaben die Schiffe zurück, der Gastransit wurde fortgesetzt. Und wir? Rein gar nichts.“

Die Explosivität der gegenwärtigen Situation wird durch die unkomplette Regierung oder vielmehr das Fehlen eines soliden Wirtschaftsblocks zusätzlich verstärkt. Unter den Bedingungen einer tiefen globalen Wirtschaftskrise!

Tatsächlich erinnert das Kabinett jetzt, wie die gesamte Selenskyj-Regierung, sehr an „Schrödingers Katze“.

Aber die Antwort auf die Frage, ob sie noch leben oder nicht, kommt sehr bald. Irgendwo zusammen mit der Coronavirus-Epidemie, die langsam in der Ukraine anrollt.

16. März 2020 // Roman Romanjuk

Quelle: Ukrajinska Prawda

Übersetzer:    — Wörter: 2847

Christian Weise trägt seit 2014 übersetzend und gelegentlich schreibend bei zu den Ukraine-Nachrichten. Im Oktober 2020 erschienen von ihm zwei literarische Übersetzungen: Vasyl’ Machno, Das Haus in Baiting Hollow. Leipziger Literaturverlag und Yuriy Tarnawsky, Warme arktische Nächte. Ibidem, Stuttgart. Im Januar 2020 bereits erschien seine Übersetzung des Bandes Verfolgt für die Wahrheit. Ukrainische griechisch-katholische Gläubige hinter dem Eisernen Vorhang. Ukrainische katholische Universität, Lwiw.

Mit ukrainischen Themen ist er seit 1994 vertraut, als er erstmals Kiew und Lemberg besuchte und sich zunächst mit kirchengeschichtlichen Fragen beschäftigte. Wenn nicht Pandemien hindern, bereist er etwa fünfmal im Jahr die Ukraine.

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