Die Ukraine – das ist das nicht stattgefundene Griechenland. Der Unterschied zwischen diesen beiden Ländern besteht lediglich in dem, was gemeinhin als „Zivilgesellschaft“ bezeichnet wird. Sie ist die dünne blaue Line, die das Schicksal Kiews von dem Athens trennt.
Jede Gesellschaft setzt sich aus zwei Schichten zusammen.
Eine dieser beiden lebt nach unkonditionierten Reflexen und angeborenen Instinkten. Egoismus und Emotionen sind leitendes Handlungsprinzip.
Eine solche Gesellschaft ist leicht zu führen – sie nimmt leichtgläubig alle möglichen Versprechungen ab – egal, wie unrealistisch diese sind. Sie mag keine unpopulären Maßnahmen, glaubt nicht an einen evolutionären Weg, möchte das gegenwärtige Erleben nicht für langfristige Konzepte opfern und erkennt keine Interessen jenseits der eigenen Haustür an.
Der andere Teil der Gesellschaft hat sich dagegen konditionierte Reflexe erarbeitet. Dieser weiß, dass jeder Heilungsprozess unangenehm ist, dass jedes Gelage in einem Kater endet und jeder Schritt Konsequenzen hat.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Schichten ähnelt dem zwischen einem verantwortungslosen Kind und dem Verhalten eines verantwortungsbewussten Erwachsenen.
Die erste Gruppe ist das Volk, das rhetorische Fragen stellen darf.
Der zweite Teil die Eliten – die politischen, gesellschaftlichen, intellektuellen – die auf diese rhetorischen Fragen keinen Anspruch haben. Dafür dürfen sie Antworten auf die bereits gestellten rhetorischen Fragen geben oder neue, zeitgemäß angepasste Fragen stellen.
An dieser Differenzierung ist nichts Abwertendes – es wäre naiv, von jedem Land extremen Scharfsinn und Weitblick zu verlangen.
Daher erfüllt jede Elite die Rolle einer gesellschaftlichen Absicherung. Denn diese soll „instinktive Reaktionen“ bremsen, Folgen kalkulieren, wohlüberlegte Entscheidungen treffen und schließlich Verantwortung übernehmen.
Während die Gesellschaft mit einem Organismus gleichgesetzt werden kann, der im angeborenen Impuls vor einer Spritze zurückschreckt, ist die Elite das Gehirn, die Ratio, die graue Masse, die die Notwendigkeit einer Injektion in die gesellschaftliche Vene erkennt.
Möchte man wissen, was in Ländern passiert, in denen alles auf Kopf steht, sollte man nach Athen schauen. In den letzten Monaten zeigten die Griechen beispielhaft, wie kollektiver Selbstmord aussieht.
Die griechische Tragödie – das ist die Entkräftung der alten paternalistischen Grundhaltung, dass „da oben keine Idioten sitzen“.
Aber mitunter sitzen da ziemliche Idioten. Gelegentlich auch Heuchler. Aber das macht letztendlich keinen Unterschied.
Die griechische Lehre besteht darin, dass es in einer Situation, die einfach auf Dummheit zurückgeführt werden kann, nicht lohnt nach einer bösen Absicht zu suchen.
Die Welt wird nicht von Verschwörungstheorien gelenkt – wir werden nicht selten von Zufällen geleitet. Verfügt eine Gesellschaft über eine hohe Widerstandskraft, gute Stabilität und Belastbarkeit, werden auch ungünstige Zeiten überstanden. Wenn nicht, passiert das, was in Venezuela geschehen ist.
Wenn heute von Revanche der „Regionalen“ – wenn auch unter anderen Parteifarben – gesprochen wird, ist das eine Illusion.
Die Annexion der Krim und des Donbass haben diesen Kräften den elektoralen Boden, die Wählerbasis, geraubt. Um die Ukraine zu besiegen, braucht Moskau lediglich auf die patriotische Rhetorik der ukrainischen Populisten zu setzen.
Diese können die Vergabe westlicher Kredite gefährden, indem sie die Kürzung von Sozialleistungen verweigern.
Sie vermögen die letzten Reste der ukrainischen Attraktivität für Investitionen zu begraben, indem sie Verstaatlichungen postulieren.
Sie können die Hrywnja an den Dollar binden und damit den Devisenmarkt begraben.
Sie können regulierte Preise einführen. Die Banken verpflichten, Fremdwährungskredite abzuschreiben. Den Export von Weizen verbieten.
Wohin diese guten Absichten führen, ist in aller Regel klar.
Heute ist die prorussische Partei nicht die, die die Zollunion befürwortet, sondern die, die die Minsker Vereinbarungen zugunsten einer sofortigen Offensive bricht.
Heute ist die kremlfreundliche Politik nicht die, die eine zweite Amtssprache fordert, sondern die, die die alten Tarife zurückhaben möchte.
Heute droht der Ukraine nicht die rote Fahne mit Hammer und Sichel, sondern eine linksgerichtete Rhetorik, die sich von Kindern mit ideologisch geeichten Gesichtern zueigen gemacht wurde.
Deshalb müssen diese nicht unbedingt irgendjemandes Projekt sein, ihre Reden können ehrlich gemeint sein – und wahrscheinlich wollen sie wirklich Glück für alle und niemandem Leid zufügen. Aber das ändert nichts an der Sache an sich.
Denn sie gehören zu jenem Teil der Gesellschaft, der Folgen nicht einschätzen kann.
Der sich von angeborenen Reflexen leiten lässt. Der die volle Komplexität der sie umgegebenen Realität nicht zu fassen vermag. Genauso wenig wie dieser Teil der Gesellschaft nicht begreifen mag, dass die heutigen Reformen im Land mit einer Generalüberholung des Motors gleichzusetzen sind.
Die Ukraine ist ein Land mit einer schlechten Regierung und einer guten Zivilgesellschaft. Die mittlerweile über bedingte Reflexe verfügt. Die zudem gezwungen ist, die Funktion der Ratio zu übernehmen – in einem Land, in welchem Emotionen äußerst populär sind.
17. Juli 2015 // Pawel Kasarin
Quelle: Ukrainskaja Prawda
Forumsdiskussionen
Bernd D-UA in MDR • Re: Ukraine: Trotz Krieg Touristen
„@lev dann wünsche ich Dir eine gute Reise, es war sehr schön in LVIV, muss unbedingt nochmals so eine Rundreise machen. Ich habe so wundervolle Menschen kennengelernt, ich bin zutiefst beeindruckt! Es...“
lev in MDR • Re: Ukraine: Trotz Krieg Touristen
„Danke Bernd für deine Eindrücke. Ich fahre Ende Mai wieder für mehrere Wochen nach Lviv. Nicht um Urlaub zu machen, sondern in unsere Wohnung. Hatte sie ja vor dem Krieg, aufwendig saniert und möchte...“
Bernd D-UA in MDR • Re: Ukraine: Trotz Krieg Touristen
„Hallo liebe Forengemeinde und Mitleser, ich bin gerade auf einem Kurztripp durch die Ukraine. Es ist wunderschön wieder hier zu sein. Es fehlen die Touristen, gestern habe ich einen persönlichen und...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Kurzer Bericht, hab dann doch den Wachwechsel erwischt, bei den Polen ging dann bestimmt 45 Minuten gar nix. Und dann wurde in zwei Schüben eingelassen, ich finde, dann ging es in einem guten Tempo voran....“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Bin jetzt da, 10 PKW vor mir, das ist akzeptabel, ist ja auch der 1.Mai. Bin zufrieden mit der Situation. @Frank Fahre immer noch ein schwarzes Auto... kennst doch meine Erfahrung mit der Polizei in UA...Kaffeebraun...“
Frank in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Probier doch einfach. Wenn der offen ist doch alles ok. Bin da glaube mal zurück drüber gefahren. War dann nur eine ewige Kurverei bis zur A4. Bin da aber eh erstmal bis Krakau. Kann natürlich auch...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Schade, dass es keine Info´s zu Zosin gibt, wer aber noch was weiß, bitte schreiben, ich fahre jetzt in 30 Minuten los und kann immer noch in ca. 10h bei einem Stopp nochmals nachlesen. Google Maps schickt...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Diesen Grenzübergang hatte ich schon auf dem Schirm, kenne ihn nur noch nicht. Kann jemand noch etwas zu Zosin sagen, wäre ja auch machbar oder lieber nicht? Vielen Dank Bernhard.“
bernhard1945 in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Hallo Bernd Es hängt etwas davon ab, wohin Du in Ukraine fahren möchtest. So wie es scheint möchtest Du (wie ich normalerweise) in Richtung Kiew fahren. Ich benütze deshalb seit Jahren den Übergang...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Ergänzend, möchte nach Luzk fahren, ist ja sicherlich nicht uninteressant für einen Ratschlag.“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Möchte morgen über Nacht in die Ukraine fahren und plane die Ankunft an der Grenze sehr früh am Morgen. Fahre entweder über Polen oder ggf. über Tschechien, je nachdem was google maps empfiehlt. Normalerweise...“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Visa D14
„Das ist ein simples D-Visum, wie man es auch in Deutschland für die Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung braucht. Man benötigt dazu keine Mindestaufenthaltszeit. Auch bei der Aufenthaltserlaubnis...“
JohannesTim in Berichte und Reisetipps • Mit dem Zug in die Ukraine
„Zunächst möchte ich sagen, daß die PKP für die Sitzplatzzüge, die zum Beispiel von Kattowitz bis nach Przemysl fahren, die Preise nicht erhöht hat. Allgemein gilt die Polnische Staatsbahn eher als...“
MHG1023 in Berichte und Reisetipps • Re: Mit dem Zug in die Ukraine
„"Warum verlangt die PKP von den Fahrgästen solch einen Preis ?" - Weil sie es können ... Die Nachfrage dürfte weiter hoch sein und weil es keine vergleichbaren Alternativen gibt (Buslinien über Nacht...“
JohannesTim in Berichte und Reisetipps • Re: Mit dem Zug in die Ukraine
„Die Polnische Staatseisenbahn PKP Intercity S.A. erhöhte für den Schlafwagen-Zug D 68 am 1. Februar 2025 die Fahrpreise um + 38 Prozent. : Vom Warschauer Ostbahnhof fährt abends um 17.49 Uhr der Schlafwagen-Zug...“
HelloMick in Hilfe und Rat • Brauchen Hilfe bei Diia Registrierung
„Hallo. Meine Ex-Frau ist schon über 22 Jahre in Deutschland. Jetzt benötigt sie einen Termin für das Konsulat. Aber es werden nur Termine über Diia vergeben. Kann uns jemand erklären wie das genau...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Visa D14
„Hallo..... Ich benötige nochmals euer Schwarmwissen.... Bin seit Dezember letzten Jahres in der Ukraine verheiratet worden Jetzt meine Frage.....ich habe auf der Seite der ukrainischen Botschaft einen...“