In meinem letzten Artikel, der am 7. Mai veröffentlicht wurde, schrieb ich darüber, wie Russland in den Donbass einmarschiert ist und seine dortigen Invasionskräfte steuert. Dabei bestanden bereits konkrete Informationen (u.a. der ukrainischen Militäraufklärung, aber auch offen zugängliche russische Quellen), welche auf den Ausbau der russischen Militärinfrastruktur im südlichen und westlichen Militärbezirk an der Grenze zur Ukraine hindeuteten.
Das russische Verteidigungsministerium beschloss unter der Ägide von Schojgu die im Zuge einer früheren Kostenoptimierung aufgelösten Militärverbände wiederzubeleben und neue Verbände, Einheiten und Truppenteile zu schaffen, sowohl im eigenen Land als auch auf der besetzten Halbinsel Krim. Im Rahmen der Verstärkung der Militärverbände wurden im westrussischen Militärbezirk die 1. Panzerarmee im Moskauer Gebiet und die 20. Feldarmee in Woronesch geschaffen, welche 1999 respektive 2009 aufgelöst wurden.
Bereits damals warnte ich vor der Entstehung einer neuen Militärbasis in nur 18 Kilometer Entfernung zur Grenze mit der Ukraine (an der Grenze zu den Gebieten Charkiw und Luhansk). Sie ist wirklich im Eiltempo entstanden, davon zeugen frei zugängliche Satellitenbilder über Google Earth vom 19. Juni 2016. Offizieller Baubeginn war im Februar 2016.
Ich mahnte an, dass es ENDLICH an der Zeit sei, mit einer klaren Sprache zu sprechen. Es gibt keinen inneren Konflikt in der Ukraine und auch keine imaginären Separatisten. Von Anfang an war es eine russische Operation. Zuerst mit GRU-Spezialkräften, Polittechnologen und der neuen Nuklearwaffe, dem russischen TV, später mit einer Invasion ganzer Truppenteile der russischen Streitkräfte, bis schließlich auf ukrainischem Staatsgebiet eine gesonderte Invasionsstreitmacht im Donbass mit zwei Armeekorps aufgebaut wurde, die voll und ganz dem Oberkommando des russischen Generalstabs und der weiteren Befehlsstrukturen des südrussischen Militärbezirks untersteht. Hinzu kommt der systematische Ausbau der militärischen Infrastruktur der Krim und der dort stationierten Gruppierung als faktisch autark agierender Verband innerhalb der russischen Streitkräfte. Mittlerweile sind auf der Krim taktische Raketenkomplexe mit einer Reichweite bis 500 Km und das Luftabwehrsystem S-400 Triumph stationiert, mit dem den gesamten Luftraum bis Odessa und Dnipro kontrollieren kann.
Russland ist Kriegspartei, Besatzer und Aggressor. Instrumente für bürgerkriegsähnliche Konflikte sind demnach ungeeignet, um diesen Zustand zu verändern. Minsk I und II sind nicht tragfähig und nicht umsetzbar. Die Voraussetzung für dauerhaften Frieden im Donbass ist relativ einfach, aber die Instrumente zur Durchsetzung dieser Voraussetzung werden bisher nicht angewandt. Russland muss klar international als Kriegspartei anerkannt werden. Grundlage für alle weiteren Prozesse ist der Abzug von allen Einheiten der russischen Armee und allen Söldnern mit der gesamten Militär- und Waffentechnik. Danach können die Hoheit der Ukraine über ihr Staatsgebiet und die Kontrolle über die Grenze wiederhergestellt werden. Das ist der wichtigste Schritt zur Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit.
Leider muss ich feststellen, dass trotz immer neuer Beweise und Untersuchungen, so z.B. zu den Artilleriebeschüssen ukrainischer grenznaher Stellungen von russischem Territorium im Sommer 2014, der namentlichen Enttarnung mit personenbezogen Daten von russischen Generälen, Offizieren, sogar ganzer Teileinheiten immer noch kein klares Bild in der Medienberichterstattung zu erkennen ist. Die beidem Armeekorps im Donbass, die den Befehls- und Kommandostrukturen des südrussischen Militärbezirks über das Zentrum der Territorialstreitkräfte in Nowotscherkassk unterstehen, werden weiterhin unbedarft als „pro-russische Separatisten“ bezeichnet.
Wobei ein Prozess in der „westlichen“ Wahrnehmung vollkommen untergeht- der systematische Aufbau von militärischer Infrastruktur und die Formierung von schlagkräftigen Militärverbänden an den Grenzen der Ukraine, und zwar weit über den Donbass und dem angrenzenden Oblast Rostow hinaus.
Überblick über große russische Militärbasen und Militärpräsenz an der Grenze zur Ukraine (bzw. auch zu Belarus).
Hinzukommen nochmals rund 35.000 Mann der beiden der beiden Armeekorps im besetzten Donbass und weitere Truppenteile der 20. Feldarmee mit Kommandozentrale in Woronesch sowie Truppenteile, die sich in der Oblast Kursk befinden.
Schätzung der Mann-Stärke der einzelnen Gruppierungen der russischen Streitkräfte im Bereich der ukrainischen Grenze
Gebiet | Mann-Stärke (Schätzung) |
---|---|
annektierte Krim | 40.000 |
besetzter Teil des Donbass | 35.000 |
Rostower Gebiet | 40.000 (inklusive der circa 15.000 Mann Reserve für die beiden Armeekorps im Donbass – ständig im Rotationsprinzip bereitstehende schnelle Eingreiftruppen in Form von Bataillons-Kampfgruppen für die beiden Armeekorps im Donbass) |
Belgoroder und Woronescher Gebiet | 20.000 |
Brjansker und Kursker Gebiet | 10.000 |
Russisch besetztes und kontrolliertes Transnistrien (völkerrechtlich Teil der Republik Moldau) | 8.000 |
Insgesamt | 153.000 |
Darüber hinaus verfügt die russische Armee offensichtlich über die in unzähligen Manövern bewiese Fähigkeit, Verbände aus anderen Militärbezirken sehr schnell verlegen zu können. Man spricht von bis zu 100.000 innerhalb von 24 Stunden, so besteht jederzeit die Gefahr, dass innerhalb kürzester Zeit eine zum Angriff bereite Gruppierung an der Grenze zum Südosten, Osten, Nordosten oder Norden der Ukraine in Stellung gebracht wird, die so stark ist, dass sie den ukrainischen Verbänden im Verhältnis von mindestens drei zu eins überlegen ist. wobei man durch gezielte Desinformationsstrategien den ukrainischen Generalstab zu Fehlplanungen veranlassen kann, um von dem potenziellen Angriffsziel möglichst viele ukrainische Kräfte fernzuhalten. Dabei sind bereits circa 45.000 ukrainische Soldaten und 15.000 Reserve im Donbass gebunden und stehen für die Verteidigung an anderen möglichen Aufmarschgebieten der russischen Streitkräfte mit Ausnahme eines Teils der Reserve nicht zur Verfügung. Diverse Militärexperten (u.a. das amerikanische Think-Tank „Stratfor“) haben errechnet, dass Russland für eine Operation eines „Neurusslands“ von Charkiw bis Odessa (Angriff und Verteidigung der Versorgungslinien) mindestens 350-400.000 Mann bräuchte. Dies scheint ohne Mobilmachung momentan NOCH vollkommen unrealistisch, da die Landstreitkräfte nur über rund 350.000 Mann verfügen, allerdings kann Russland sich auf einzelne Teilabschnitte und Operationen konzentrieren, wo es eine entsprechende Gruppierung aufbauen kann. Zudem ist der Einsatz von Marine und Luftwaffe und taktischen Raketen mit mittlerer Reichweite zur Unterstützung wahrscheinlich. Die Ukraine hat dabei das strategische Problem, dass sie immer entsprechende Kräfte an anderen Stellen gebunden hat, die sie nicht einfach als Verstärkung abziehen kann. Die beiden russischen Armeekorps im Donbass binden mindestens 30.000, an der Grenze zur annektierten Krim sind weitere über 10.000 Mann gebunden und in den Gebieten Charkiw, Sumy, Tschernihiw mindestens zusammen 20.000. Als Reserve stehen allerdings 100.000 – 150.000 Soldaten und Offiziere bereit, die in der Zone der Antiterroroperation im Donbass Kampferfahrung gewonnen haben und nach der Demobilmachung als Teil der Reserve aktiv bei Manövern einbezogen werden. Darüber hinaus besteht eine weitere Reserve an Offizieren und Soldaten, die in der ukrainischen Armee gedient haben von circa 600.000 und bis zu fünf Millionen weitere Männer im wehrfähigen Alter. So wären eine Generalmobilmachung und die Ausrufung des Kriegszustands für Russland problematisch. In den letzten zwei Jahren haben entsprechende Drohungen seitens der Ukraine immer wieder dafür gesorgt, dass entsprechende Angriffsoperationen im Donbass schnell wieder abgebrochen wurden. Die russische Armee war per 2014 auf einen großen Krieg mit der Ukraine noch nicht vorbereitet, aber dies scheint sich unter den Deckmantel von Minsk I und II in dramatischer Geschwindigkeit zu ändern.
Russland bereitet sich auf Hochtouren für eine mögliche Kriegsausweitung gegen die Ukraine und andere potenzielle Kriege und Konflikte vor. So finden nach offiziellen Angaben des russischen Verteidigungsministeriums allein 2016 über 4000 (!) Militärübungen und Manöver statt, das sind im Durchschnitt 10-12 an verschiedenen Orten der Russischen Föderation und im Ausland TÄGLICH.
In der folgenden Grafik vom „Institute For The Studies Of War“ werden die aktuellen Aktivitäten Russlands sehr gut zusammengefasst.
Beachtlich ist auch der Ausbau der militärischen Infrastruktur – hierbei möchte ich mich vor allem über die Aktivitäten in Reichweite der ukrainischen Grenze (Umkreis von 60 Km) konzentrieren.
1. Ausbau des Truppenübungsplatzes und der Militärbasis Kadamowskij bei Nowotscherkassk im Rostower Gebiet für die neue 150. Motschützendivision
Überblick über die Militärbasis mit Truppenübungsplatz
“Kadamowskij” befindet sich dabei unmittelbar an einer direkten Eisenbahnanbindung in die Ukraine und liegt unmittelbar an der Hauptverkehrsroute in Richtung ukrainischer Grenze. Jede aktuelle Frontstellung im Luhansker Gebiet kann mit schnellen Eingreiftruppen per Transport- und Schützenpanzer (BTR, Radpanzer) in zwei bis drei Stunden erreicht werden. Zudem kann eine Verlegung von Panzer- und Artillerieeinheiten per Eisenbahntransport bis unmittelbar an die Grenze zur Ukraine erfolgen, wo dann im Bereich von fünf bis fünfzehn Kilometer Feldlager und Feuerstellungen (für die Artillerie zum Beschuss ukrainischen Positionen an der Grenze) geschaffen wurden.
Die Basis vor der massiven Invasion mit regulären Truppenverbänden im August 2014
Ausbau der Militärbasis
Die Militärbasis wird im Eiltempo ausgebaut. Es entsteht eine Garnisonsstadt für die Offiziere und 13 Module Wohneinheiten für je 200 Soldaten und weitere Infrastruktur, wie eine Mensa- alles in modernster Modulbauweise errichtet, so dass man diese Infrastruktur per Eisenbahn bei Bedarf verlegen kann. Den Fortschritt der Arbeiten kann man per Web-circa auf der Seite des russischen Verteidigungsministeriums verfolgen, welches seine Absichten ganz offen demonstriert.
In regelmäßigem Abstand wird über den Fortschritt berichtet, zuletzt am 15.07.2016.
Am 16.05.2016 in einem Videobeitrag für den Youtube-Kanal des russischen Verteidigungsministeriums über die Besonderheiten dieses militärischen Infrastrukturobjekts berichtet. Dabei wurde die Modulbauweise hervorgehoben. Eine Militärbasis, die nach Bedarf zu Kriegszwecken versetzt werden kann.
2. Invasionshub Kusminka/Golowinka im Rostower Gebiet
Auf dem 1. Bild sehen Sie ein großes Feld in der Nähe einer kleinen Siedlung Namens “Kusminka”. Von militärischen Vorbereitungen gibt es unmittelbar im Umkreis von 60 Kilometer zur ukrainischen Grenze zwischen der Oblast Rostow (Russland) und der Oblast Donezk (Ukraine) im Oktober 2013 keine Spur. Rot eingerahmt dazu die Fläche dieser Militärbasis mit Truppenübungsplatz genau ein Jahr später! Vor 2013 gab es keinerlei militärische Infrastruktur dort.
Eine Militärbasis mit Truppenübungsplatz mit einer Fläche von rund 50 Quadratkilometer ist in kürzester Zeit entstanden, viermal größer als der größte Flughafen in Europa. Dies muss im Zeitraum Winter 2013/14-Frühjahr 2014 geschehen sein. Die Militärbasis liegt strategisch günstig. Alle späteren Orte im Frontbereich der erschaffenen “DVR” sind in zwei bis drei Stunden per Transportpanzer (BTR) zu erreichen. Die kürzeste Route verläuft über den Grenzübergang bei Uspenka und führt über Amwrosijiwka direkt in Richtung Illowajsk.
Ausschnitt der Militärbasis im Oktober 2014. Über dieses Basis und die Basis Kadamowskij wurde und wird die russische Invasion im Donbass gesteuert.
3. Militärbasis Bugutschar für die neue 10. Panzerdivision
Die folgende Abbildung der Propaganda-Seite „Newsfront“ verrät die russische Absicht hinter dieser Stationierung, nur 45 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.
4. Militärbasis Waluki für die neue 23. Motschützen-Brigade
Nachdem im Juni die Verlegung eines Bataillons nach Klinzy in das Brjansker Gebiet bekannt geworden ist, kann man jetzt per Google Earth eine weitere russische Militärbasis erkennen (per Stand 19.06.2016). Als historisches Vergleichsbild sind Satellitenaufnahmen vom August 2013 verfügbar, wo keine Infrastruktur vorhanden war. Die Militärbasis befindet sich nur 20-21 Km vor der ukrainischen Grenze direkt mit entsprechender Straßenverbindung. Auf der Satellitenaufnahme sind Behausungen für das Militärpersonal und jede Menge Militär- und Waffentechnik und Kampfhubschrauber erkennbar. Geografisch liegt die Militärbasis ideal für einen Vorstoß in das gesamte historische Gebiet „Slobodschanschtschyna“ – den Norden des Luhansker Gebietes und in das Charkiwer Gebiet. Die Militärbasis befindet sich an der Grenze zwischen dem Charkiwer und dem Luhansker Gebiet. Mit dem BTR-Transport- und Schützenpanzer könnte man bei freier Fahrt (die es nicht geben wird) Charkiw in 2,5 Stunden erreichen. Die großen Militärbasen und Truppenübungsplätze Kadamowskij und Kusminka im Rostower Gebiet sind so angelegt, dass Sie mit gewöhnlicher Raketenartillerie nicht getroffen werden können (z.B. mit Smertsch), da sie circa 50-60 Km von der Grenze entfernt liegen. Russland scheint allerdings keinen ukrainischen Erstschlag zu fürchten. Man baut sich quasi demonstrativ an der Grenze auf. Der Standort hat übrigens mit der Front im Donbass wenig zu tun. Die Kontaktlinie ist über 200 Km entfernt. Russland will neue Gebiete erobern und der „Westen“? Der wird mit Terroranschlägen sehr beschäftigt sein…?!
Das gleiche Gebiet 2013 – die militärische Infrastruktur fehlt vollständig
5. Militärbasis Klinzy für die neue 28. Motschützen-Brigade
Aktuelle Satellitenbilder zu dieser Basis liegen in Google Earth nicht vor, dafür gab es unter anderem eine Exklusivreportage vom 07. Juni 2016 von „Radio Svaboda“, der belarussischen Redaktion von „Radio Liberty“ aus Klinzy. Im Bereich des alten Stadions in Klinzy entsteht ein neues Zuhause für die „neue“ 28. Motschützenbrigade, die aus Jekaterinburg nach Klinzy verlegt wurde. Eine Bataillons-Kampfgruppe dieser Einheit hat an der „Debalzewe-Operation“ der russischen Streitkräfte im Januar/Februar 2014 teilgenommen.
Das strategische Ziel der Basis ist nicht nur ein möglicher Einmarsch in das Gebiet Tschernihiw, sondern noch näher liegt die belarussische Grenze mit circa 40 Kilometer. Die Basis befindet sich an der Hauptverkehrsverbindung nach Homel. Vom belarussischen Homel wäre die Verbindung nach Kyjiw am kürzesten. Auch dieses Szenario kann man nicht ausschließen!
Satellitenbild aus dem Jahre 2015. Hier entsteht aktuell eine neue Militärbasis.
Über die aktuellen Baufortschritte gibt es keine verlässlichen Informationen, allerdings wurde die 28. Motschützenbrigade aus Jekaterinburg bereits am 02. Juni 2016 nach Klinzy verlegt. Die Ankunft ist auch auf Videos festgehalten.
Ein Anwohner von Klinzy kommentiert sein kurzes Video, wo er Panzerhaubitzen filmt mit „Bald geht es der Ukraine an den Kragen…“
6. Neue Eisenbahnverbindung
Die Infrastrukturarbeiten werden auch durch offizielle Videobeiträge des russischen Verteidigungsministeriums begleitet, so durch dieses Video vom 01.08.2018.
Hierbei wird über die Baufortschritte für die neue Eisenbahnlinie, welche den Südosten und den Nordosten der Ukraine umschließt. Unter normalen Umständen würde ein solches Infrastrukturprojekt mit Sicherheit nicht unter der Ägide des russischen Verteidigungsministeriums ablaufen.
7. Militärische Präsenz im Nordteil der Krim im Gebiet um Armjansk Dschankoj
In den letzten Tagen ist eine massive Truppenkonzentration im Nordteil der Krim zu beobachten, wobei bereits per Stand 13.08.2016 bei den Einwohnern von Armjansk und Dschankoj an der Grenze zum Chersoner Gebiet den 4. Tag in Folge das Internet aufgrund von „technischen Problemen“ nicht funktioniert. Man möchte mit aller Macht die Veröffentlichung von Videos im Internet zu Truppenbewegungen verhindern, wie es sie zahlreiche im Sommer 2014 und Winter 2015 aus dem Rostower Gebiet in die Grenznähe zur Ukraine gab.
Insgesamt wird die Gruppierung auf 40.000 Mann geschätzt, wobei offiziell vom russischen Verteidigungsministerium am 12. August 2016 die Verlegung des neuen Luftabwehrsystems S-400 „Triumph“ mit einem Radius von 400 Kilometern, womit der Luftraum bis Odessa und Dnipro kontrolliert werden kann. Außerdem wurden in den letzten Tagen taktische Raketenkomplexe des Typs „Bastion“ zur Vernichtung von Zielen im Meer mit einer Reichweite von 300 Kilometern und Iskander-M Raketenkomplexe zur Vernichtung von Landzielen in einer Reichweite von über 400 Kilometern gemeldet. Zudem sind im Internet Videos (trotz aller russischen Bemühungen) verfügbar, die große Kolonnen von Transport- und Schützenpanzern, Elko-Komplexen, Fahrzeuge der Ingenieurstruppen, Treibstofftanks und Raketenartillerie zeigen. Am 12. August 2016 wurde laut Information des russischen Verteidigungsministeriums bei einem der Manöver auf der Krim der Einsatz von schweren Flammenwerfersystemen des Typs „TOS-1 Buratino“ zur „Ausräucherung“ von feindlichen Stellungen geprobt. Sie finden diese Information auf der Seite des russischen Verteidigungsministeriums unter „Neuigkeiten aus dem südlichen Militärbezirk“. Welche Stellungen man probt „auszulöschen“, kann man sich ohne viel Fantasie vorstellen.
8. Bestehende Invasionskräfte und deren Infrastruktur im Donbass
Kategorie | Armeekorps I | Armeekorps II |
---|---|---|
operatives Gebiet | Oblast Donezk | Oblast Luhansk |
Befehls- und Kommando-Steuerung | Zentrum der Territorial-Streitkräfte im südrussischen Militärbezirk | Zentrum der Territorial-Streitkräfte im südrussischen Militärbezirk |
Mann-Stärke (circa) | 20.000 | 15.000 |
Angehörige regulärer Armeeeinheiten der russischen Streitkräfte (Kommandoführung, Offiziere, Soldaten) | 25 Prozent | 25 Prozent |
5.000 | 3.750 | |
weitere Söldner aus Russland (aus dem Dienst ausgeschiedene Offiziere, Soldaten und Kriegserfahrene) | 50 Prozent | 50 Prozent |
10.000 | 7.500 | |
weitere angeworbene Kräfte (aus anderen Ländern) sowie angeworbene und eingezogene lokale Kräfte | 25 Prozent | 25 Prozent |
5.000 | 3.750 | |
Im Rotationsprinzip im Rostower Gebiet befindliche Reserve als schnelle Eingreiftruppen in Form von mobilen Bataillons-Kampfgruppen, verlegbar innerhalb weniger Stunden | bis 10.000 | bis 10.000 |
Weitere schnell verfügbare Kräfte im Rostower Gebiet und Nordkaukasus bei Bedarf zur Verlegung | bis 30.000 | bis 30.000 |
Organisationsstruktur der beiden Armeekorps
Kategorie | Armeekorps I | Armeekorps II |
---|---|---|
gesonderte Brigaden | 5 | 4 |
gesonderte Regimenter | 3 | 2 |
gesonderte Bataillone | 8 | 6 |
gesonderte Kompanien | 2 | 3 |
Bewaffnung der beiden Armeekorps per 01.04.2016
Waffentyp | Armeekorps I | Armeekorps II | Gesamt |
---|---|---|---|
Kampfpanzer | 279 | 196 | 475 |
Gepanzerte Kampffahrzeuge | 529 | 419 | 948 |
Artilleriesysteme | 360 | 402 | 762 |
Mehrfachraketenwerfersysteme | 122 | 86 | 208 |
Der Aufbau der beiden Armeekorps begann sofort nach Minsk II und konnte im November 2015 abgeschlossen werden. Seitdem wird die Gefechtsbereitschaft der beiden Armeekorps systematisch erhöht und per Straße und vor allem Eisenbahn in Debalzewe, Illowajsk, Krasnodon und anderen Stationen kommen täglich neue Waffensysteme, Munition und Treibstoff für die Kriegsführung hinzu. Laut Informationen der ukrainischen Verhandlungsdelegation in Minsk, wurden von der ukrainischen Militäraufklärung mittlerweile 702 russische Panzer im Donbass fixiert. Nur für den 13. Augst 2016 meldete die ukrainische Militäraufklärung die Verlegung von sechs weiteren Panzern. Der Westen versucht krampfhaft an den sogenannten Minsker Vereinbarungen festzuhalten, während sich Russland systematisch auf neue Angriffsoperationen vorbereitet.
Minsk II funktioniert weder in der Theorie noch in der Praxis und geht auch an den Wünschen der Einwohner vorbei. Laut der Aussage des burjatischen Panzerfahrer Dschorschi Batomunkuew, der mit seiner Einheit aus Ulan Ude am Angriff auf die ukrainischen Stellungen um Debalzewe beteiligt war und nach einem Treffer fast verbrannt wäre, wurden die russischen Armeeeinheiten, die an der Debalzewe-Operation teilnahmen (mindestens acht Bataillons-Kampfgruppen), instruiert, dass in Makijiwka 70 Prozent der Bevölkerung eine feindliche Einstellung gegenüber ihnen hätten und wie es der verächtliche russische Slang ausdrückt, für die „Ukropen“ seien. [http://www.novayagazeta.ru/society/67490.html]
Eine neue (nicht-öffentliche) Studie, in Auftrag gegeben von dem sogenannten „Unternehmerverband der sogenannten Donzker Volksrepublik“, veröffentlicht von Gazeta.ru am 04. August 2016 liefert interessante Ergebnisse, zumal die Umfrage zur Stimmungslage unter der Bevölkerung in Form von „Face to Face“-Interviews stattfand, wo aufgrund der aktuellen Situation, der Angstfaktor die Ergebnisse zu Gunsten möglicher pro-russischer Umfrageergebnisse sehr signifikant beeinflusst hat. Für offen zur Schau gestellte pro-ukrainische Einstellungen kann man sehr schnell verhaftet, verhört, gefoltert und eingesperrt werden. Trotzdem bekennen sich nur 20 Prozent, sich als Bürger der sogenannten Donezker Volksrepublik und 15 Prozent geben offen ihre pro-ukrainische Einstellung an. Ein Umfragepunkt ist dabei am interessantesten: nur zehn Prozent wünschen sich einen besonderen Status für den Donbass. Die überwiegende Mehrheit der noch verbliebenden Bevölkerung, von denen 30 Prozent die Absicht zum Verlassen der besetzten Gebiete offen deklarieren, möchte in Wahrheit nur eins: den Abzug aller Truppenteile des 1. Armeekorps und ein normales Leben, welches nur ohne russische Soldaten, Söldner und Waffentechnik möglich ist, zur organisieren. In der zitierten Face-to Face Umfrage, die in vier Städten – Donezk, Makijiwka, Jenakijewe und Horliwka durchgeführt wurde, gaben 68 Prozent an, keinen Institutionen der Donezker Volksrepublik zu vertrauen. Dies passt zu der überlieferten Aussage der russischen Kommandoführung, dass 70 Prozent der verbliebenen örtlichen Bevölkerung in Makijiwka für die Ukraine sein.
Über Twitter, VKontakte, Facebook sieht man, wie gerade die ukrainischen Bürger in den besetzten Gebieten der ukrainischen Armee gezielt helfen, indem sie jede Bewegung des Feindes sofort weitergeben. Deswegen lassen sich per Twitter die russischen Truppenbewegen fast in „Echtzeit“ nachvollziehen.
Für wichtige Militäroperationen – Angriffe setzt die russische Armee auf mobile Bataillons-Kampfgruppen, die möglichst nachts aus dem Rostower Gebiet zusätzlich verlegt werden und nach Erfüllung des Kampfauftrags wieder verschwinden. Sie entfernen vor der Grenze sämtliche Hoheits- und Erkennungsabzeichen, belassen aber taktische Zeichen, um sich untereinander erkennen zu können.
Bataillons-Kampfgruppen der russischen Armee als mobile schnelle Eingreiftruppen zum Führen von Offensivoperationen am Beispiel der Debalzewe-Operation
Karte des ukrainischen Generalstabs vom 27.01.2015 über die operative Lage um Debalzewe
An der Debalzewe-Operation waren acht Bataillons-Kampfgruppen der schnellen Eingreiftruppen aus den Reihen der Luftlandetruppen der russischen Streitkräfte beteiligt.
Name der Einheit | Truppenteil-Nr. | Stützpunkt | Militärbezirk (MB) |
---|---|---|---|
20. gesonderte Motschützen-Gardebrigade | Trt 22220 | Wolgograd | südlicher MB |
21. gesonderte Motschützen-Brig. der 2. Armee | Trt 12128 | Trozkoje, Orenburger Gebiet | zentraler MB |
28. gesonderte Motschützen-Brig. der 2. Armee | Trt 61423 | Jekaterinburg | zentraler MB |
32. Motschüzen-Brig. der 41. Armee | Trt 22316 | Schilowo, Gebiet Nowosibirsk | zentraler MB |
138. gesonderte Motschützen-Brig. der 6. Armee | Trt 02511 | Kamenka, Leningrader Gebiet | westlicher MB |
200. gesonderte Motschützen-Brig. der Nordflotte | Trt 08275 | Bezirk Petschengskij, Murmansker Gebiet | südlicher MB |
13. Panzerregiment der 4. Panzerdivision der 1. Panzerarmee | Trt 32010 | Naro-Forminsk, Moskauer Gebiet | westlicher MB |
104. Luftlande-Gardesturmregiment der 76. Luftlande- und Sturmdivision der Luftlandetruppen | Trt 32515 | Tscherecha, Pskower Gebiet | westlicher MB |
Insgesamt betrug die Gruppierung circa 9000 Mann, die durch Söldner ergänzt wurden. Ihnen standen nach Angaben des ukrainischen Generalstabs an diesem Frontabschnitt 4700 Soldaten der ukrainischen Armee und 500 Soldaten der Nationalgarde gegenüber.
Bewaffnung der Bataillons-Kampfgruppen der russischen Streitkräfte, die an der Debalzewe-Operation beteiligt waren
Bewaffnung | Anzahl |
---|---|
Panzer | bis 130 |
sonstige gepanzerte Kampffahrzeuge | bis 200 |
Artilleriesysteme | bis 220 |
Mehrfachraketenwerfersysteme | bis 30 |
Im späteren Verlauf dieser Operation wurde mindestens noch eine Bataillons-Kampfgruppe einer weiteren Einheit hinzugezogen, und zwar das 11. Luftlande- Sturm- und Garderegiment aus Ulan-Ude, Burjatien mit der Truppenteilnummer Trt 32364. Ihr Einsatz zu durch Fotos, Videos, Einträge in sozialen Netzwerken und den weltweit bekannt geworden Fall, des jungen burjatischen Panzerfahrers, der nach einem direkten Treffer in einem Panzerduell zwischen seinem T-72 B3, den es in dieser Ausführung in keinem „Wojentorg“ zu kaufen gibt und einem ukrainischen T-64BM Bulat. Er wäre in seinem Panzer fast verbrannt. Er beschrieb im Detail den Einsatz seiner Einheit in einem Interview mit der Novaja Gazeta vom 02.03.2015. Er wird mit 20 Jahren für den Rest seines Lebens gezeichnet sein.
Zur Taktik der russischen Kriegsführung
- Spezialkräfte und organisierte Söldner nehmen in der 2. Aprilhälfte 2014 wichtige Verwaltungsgebäude und Städte in Beschlag. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt immer noch auf einen Angriff aus dem Westen ausgerichteten ukrainischen Militärdoktrin und dem zu diesem Zeitpunkt schlechten logistischen und versorgungstechnischen Zustand der ukrainischen Armee ist eine entsprechende sofortige Reaktion nicht möglich. Als im Juni-August die ukrainische Armee mit Unterstützung der neuformierten Nationalgarde und Freiwilligenverbänden zu Beginn der Anti-Terror-Operation große Gebiete zurückgewinnen kann, bis an die Grenze vorrückt und wichtige Kommunikations- und Verkehrswege unterbricht und die Söldnerverbände praktisch eingeschlossen sind und militärisch praktisch vor der sicheren Niederlage stehen, setzt die 2. Phase sein.
- Seit Juli 2014 werden ukrainische Stellungen in Grenznähe gezielt vom russischen Territorium mit Artillerie- und Raketenwerfern (Grad, Uragan und Smertsch) beschossen. Die russische Armee hat so im Bereich Juli/ August 2014 rund 450 Kilometer Grenze erbeutet, weil die ukrainische Armee sich zurückziehen musste.
- Für definierte Militäroperationen dringen schnelle Eingreiftruppen unterstützt von Artillerie- und Panzerverbänden nachts außer Sichtweite von OSZE und Co. über Feldwege auf das Gebiet der Ukraine vor. Sie übermalen alle Nummern und Hoheitsabzeichen und tauchen dann am Tage im russischen TV bei Kriegshandlungen als “Volksmilizionäre” auf. Sie sind mit bloßem Auge nicht zu unterscheiden. Sie tragen grüne Uniformen, aber haben keinerlei Hoheitsabzeichen. Identifizierbar sind sie trotzdem, da sie Militärtechnik mitführen, die sie weder im “Wojentorg” kaufen können noch in der Ukraine erbeuten können, weil es:
a.) diese Modifikationen bestimmter Kampfpanzer, Artilleriesysteme, Raketenwerfer, Luftabwehr und Funkstörtechnik in der Ukraine nicht gibt und (!)
b.) diese Modifikationen von Russland nie exportiert wurden.
- Kampfpanzer T-72 B3 – der besonders bei Aufnahmen bei den Kampfhandlungen um Debalzewe im Januar und Februar 2015 zum Vorschein kam.
- Modernisiertes Grad-K (Raketenwerfer auf Basis eines Kamas-Chassis)
- Panzir Luftabwehr – erst seit 2012 bei den russischen Streitkräften im Einsatz
- Elko-Komplex „Schitel“ wurde bei Donezk identifiziert. Dieser Komplex wurde nie von Russland exportiert.
Vorstöße in Gebiete, wo sich die ukrainischen Stellungen in Grenznähe befinden, werden durch Artilleriestellungen vom russischen Territorium direkt unter Feuer genommen. Die Ukrainer können damit nicht zurückschießen, um einen “großen Krieg” mit Russland zu vermeiden.
Wie können Sie russische Einheiten und Technik im Donbass trotz der fehlenden Hoheitsabzeichen erkennen?- Jede Einheit benutzt als Erkennungszeichen kleine Symbole (Vierecke, Kreise, ausgefüllt, umrandet…etc.), damit sich die Einheiten untereinander erkennen.
- In der Debalzewe-Operation haben die russischen Soldaten zur Unterscheidung weiße Armbinden getragen.
Der Minsker Prozess ist gescheitert – wie weiter?
Sinnbild für das Scheitern von Minsk I sind die Ereignisse um das Gelände des Flughafens in Donezk gewesen. Seit dem 06.09.2014 sollten die Waffen im Donbass schweigen. Statt auf die pausenlosen russischen Artillerie- und Sturmangriffe auf den Flughafen zu reagieren, wurde mit Minsk II neue Verabredungen getroffen, die Russland auch nicht einen Tag umgesetzt hat.
Der Flughafen von Donezk unter ukrainischer Kontrolle am 06.09.2014 nach dem Abschluss von Minsk I – faktisch keine gravierenden Schäden
Das Flughafengelände von Donezk im Februar 2015, weitgehend unter Kontrolle der russischen Invasionskräfte
Das Sinnbild für das immer noch ignorierte Scheitern von Minsk II ist Debalzewe. Die ukrainischen Kräfte konnten die Stadt und kleinere Versorgungswege nach Bachmut (damals noch Artemiwsk) bis zur endgültigen Waffenruhe ab dem 15.02.2015, 0:00 Uhr Kyjiwer Ortszeit halten. Nur wenige Tage später nach der vereinbarten all-umfassenden Waffenruhe erobern die russischen Invasionstruppen Debalzewe. Eine Antwort des Westens blieb aus. Ausgezahlt hat sich das überhaupt nicht. Der russische Generalstab brauchte für seine weiteren Pläne die Eroberung des strategisch wichtigen Eisenbahnknotenpunkts Debalzewe. Warum sollte Russland überhaupt jemals ein wirkliches Interesse an der Erfüllung von Minsk II gehabt haben, wenn es dieses Abkommen sofort bricht? Minsk II hat Russland jedoch die Gelegenheit gegeben, ungestört eine Invasionsstreitmacht in Form von zwei Armeekorps im Donbass aufzubauen.
Russland ist nicht an einem Dialog interessiert. Russland missachtet seit 2014 das Memorandum von Budapest, im Rahmen dessen die Ukraine als Gegenleistung für Garantien bezüglich der Unverletzlichkeit seiner Grenzen und der staatlichen Souveränität und Bündnisfreiheit nicht nur das drittgrößte Nuklearwaffenarsenal der Welt freiwillig abgegeben hat, sondern auch alle taktischen Raketen mit einer Reichweite von 300-500 Kilometer und fast 200 Langstreckenbomber des Typs TU-222. Zur Verteidigung bietet man jetzt der Ukraine unter anderem Feldapotheken an…
Das Mantra von: „Es gibt keine militärische Lösung…“ ist ad absurdum geführt worden. Es müsste heißen: „Wir möchten eine militärische Eskalation verhindern, indem wir auf einen ausgewogenen Mix von Dialogangeboten, wirtschaftliche Sanktionen und der Lieferung von Logistik und Defensivwaffen an die Ukraine setzen, damit die Verteidigungsfähigkeit der ukrainischen Armee gestärkt wird. Die Ressourcen für eine weitere russische Kriegseskalation müssen gezielt beschnitten werden, gleichzeitig sollte ein Signal an die russische Bevölkerung gesendet werden, dass die Sanktionen nicht gegen sie gerichtet sind.“
Ein Lösungsansatz beginnt mit einer realistischen Situations- und Lageeinschätzung. Die Fakten der russischen Invasion im Donbass müssen auf den Tisch. In einem nächsten Schritt könnte eine Roadmap festgelegt werden, welche Minsk I und II ersetzt und in deren Kern der schrittweise und kontrollierte Abzug aller russischen Einheiten und Söldner aus dem Donbass, der Entwaffnung von illegalen Militärverbänden, der Rückführung von russischer Militärtechnik und die Rückgewinnung der Kontrolle der Ukraine über ihre Grenze sein. Danach können wieder Ordnung und Sicherheit garantiert werden und zivile Verwaltungsstrukturen wieder hergestellt werden. Wahlen sind kein Mittel zum Zweck, sondern der letzte Schritt. Dafür braucht es keine extra vereinbarten Modalitäten und auch kein neues Wahlgesetz. Es können nach einer gewissen Zeit der Beruhigung und unter der Beteiligung der Binnenflüchtlinge dann Nachwahlen für die Rada (dem Parlament) und Lokalwahlen abgehalten werden. Dies sind allerdings ausschließlich interne Angelegenheiten der Ukraine.
Diese Roadmap sollte mit Sanktionen nach dem Bonus- und Malus-Prinzip flankiert werden. Werden bestimmte mess- und verifizierbare Meilensteine erreicht, können vordefinierte Teile der Sanktionen gelockert werden, findet eine Verletzung der Roadmap durch Russland statt, gibt es vordefinierte Strafen, in dem stufenweise (automatisch) neue Sanktionen beschlossen werden, die unter anderem Exportbeschränkungen für russisches Erdöl bis hin zum Abklemmen russischer Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift beinhalten.
Die Politiklinie, welche die Möglichkeit verfolgt hat, Russland eine Gesichtswahrung zu ermöglichen, ist nicht nur gescheitert, sondern hat zu einem noch stärkeren russischen Aufmarsch geführt. Die Risiken sind durch diese Politiklinie nicht kleiner geworden, sondern größer. Die Lieferung von 1000 Javelin – mobilen panzerbrechenden Lenkraketen – und leistungsfähigen Artillerieradaren hätte als Abschreckung viel mehr zur Sicherheit beigetragen.
Dialogangebote, wirtschaftliche Sanktionen zur Einschränkung der Ressourcenbasis zur Kriegsführung und gezielte Hilfe der Ukraine im militärischen Bereich, wobei ausschließlich mit Defensivwaffen – dies ist ein Dreiklang, der zu einem Ergebnis führen kann.
Dabei dürfen die Prozesse im Donbass nicht von der Annexion der Krim getrennt werden. Die letzten Sanktionen in Zusammenhang mit dem russischen Handeln in Bezug auf die Ukraine können erst aufgehoben werden, wenn eine De-Okkupation der Krim stattgefunden hat.
Fazit und acht ungehörte Botschaften des Kremls
Die Entwicklungen der letzten zwei Jahre und insbesondere der letzten Woche lassen sich in acht Botschaften des Kremls zusammenfassen.
- Verteidigungsminister Schojgu konnte unlängst die Schaffung von 4 neuen Divisionen, 9 Brigaden, 22 Regimenter und 2 neuen Raketen-Brigaden mit dem operativ-taktischen Komplex Iskander-M im südwestlichen operativen Sektor offiziell bekanntgeben. Der Aufmarsch wird teilweise als Reaktion auf die NATO verkauft, jedoch erkennt man bei genauerer Analyse, dass die baltischen NATO-Länder keineswegs das primäre Ziel sind (zumindest nicht in der aktuellen Phase), sondern die Ukraine. Es entsteht im Eiltempo eine neue Eisbahnverbindung um die Ukraine (Gebiete Rostow, Woronesch, Belgorod), drei neue Militärbasen werden errichtet und die Militärbasis Kadamowskij im Rostower Gebiet wird deutlich ausgebaut, u.a. mit Infrastruktur in Modulbauweise, die per Eisenbahn im Bedarfsfall schnell verlegt werden kann (Kriegsvorbereitung). Weiter wurden die zwei russischen Armeekorps im Donbass systematisch hochgerüstet und verfügen mittlerweile nach ukrainischen Erkenntnissen über 700 Panzer, deutlich mehr, als der Bundeswehr aktuell zur Verfügung stehen! Vom Westen gab es keine adäquate Reaktion. Die Öffentlichkeit und selbst viele Entscheidungsträger und Meinungsmacher dürften nicht einmal im Bilde sein.
- Wir steigen aus dem Minsker Prozess aus (Putin am 10.08.2016).
- Hysterie wegen angeblicher ukrainischer Aufklärungs- und Sabotagetrupps auf der Krim – oder die Suche nach dem Casus Belli.
- Sergej Iwanow, Chef der Präsidialadministration im Kreml wird entlassen (2. Mann im russischen Staate) – Absicherung gegen Putschversuche aus den eigenen Reihen.
- Geplanter Abbruch aller diplomatischen Beziehungen mit der Ukraine (entsprechende Ankündigung dieser Möglichkeit von Dmitrij Medwedew).
- Ab Montag, dem 15.08.2016 beginnen die Vorbereitungen und vorbereitenden Militärmanöver für Kawkas 2016 im südlichen Militärbezirk der Russischen Föderation mit der Endphase vom 5.-9. September 2016, abgeschlossen unter anderem mit einer Leistungsschau in Kadamowskij (Militärbasis und Truppenübungsplatz) bei Nowotscherkassk, wo sich das Zentrum der Territorialstreitkräfte im südrussischen Militärbezirk befindet, von wo aus die russischen Invasionskräfte in der Ukraine und sämtliche Operationen gesteuert werden.
- Möglicher großer Krieg ab dem 24.08.2016 (25. Unabhängigkeitstag der Ukraine) – innerhalb der nächsten vier bis sechs Wochen ist ein Angriff jeden Tag möglich, wobei er sowohl vom Donbass, vom Nordosten (Belgoroder und Woronescher Gebiet), Norden (Kursker und Brjansker Gebiet) als auch vom Südosten (Krim) stattfinden kann, wobei ein Angriff in den operativen Sektoren Donezk und Mariupol im Donbass, aus dem Nordosten und von der Krim aus als wahrscheinlichste Szenarien gelten.
- Wunsch: Kein 26. Unabhängigkeitstag der Ukraine oder zumindest ein sogenanntes Neurussland, welches Charkiw und Odessa mit einschließt…
Die achte Botschaft ist mit vereinten Kräften zu verhindern, denn sonst droht Europa eine noch viel größere Katastrophe …
Solidarität, Entschlossenheit und eine werteorientierte Politik sind dafür der beste Kompass!
Jan Schönfelder — Der Autor ist interdisziplinärer Ukraine- sowie Mittel- und Osteuropa-Spezialist.
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