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Tomasz Konicz: Moskau gibt Gas

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Zahlungsschwierigkeiten in Kiew: Die energiepolitischen Auseinandersetzungen zwischen Rußland und der Ukraine schwelen weiter.

Droht der Europäischen Union erneut eine Unterbrechung der russischen Gaslieferungen, wie im vergangenen Winter? Dieses Schreckgespenst malte am vergangenen Dienstag Alexander Medwedew, Vize-Vorsitzender des russischen Monopolisten Gasprom gegenüber einer EU-Delegation an die Wand. Die »schwierige finanzielle Lage« der Ukraine, durch die ein Großteil des für Europa bestimmten russischen Gases fließt, könne kommenden Winter erneut zu Lieferengpässen führen. Ein sicherer Transit hänge von der Fähigkeit des ukrainischen Versorgungskonzerns Naftogas ab, »die erforderliche Gasmenge rechtzeitig zu kaufen und in die unterirdischen Speicher einzupumpen«, so Medwedew. Angesichts der desaströsen finanziellen Situation, in der sich Naftogas befinde, sei dies keinesfalls gesichert.

Die ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko reagierte noch am Dienstag abend auf diese Warnungen, indem sie gegenüber Journalisten in Kiew ein »Jahr ohne Gas-Streß« versprach. »Ich möchte alle beruhigen: Hört auf keine hysterische Kritik. Ich habe die gesamte ukrainische Erdgaspolitik übernommen«, so die etwas mißglückte Beschwichtigung der auch als »Gasprinzessin« titulierten Timoschenko. Die hatte sich diesen Spitznamen aufgrund trüber jedoch äußerst lukrativer Geschäfte im ukrainischen Energiesektor während der chaotischen Systemtransformation erworben. Nun behauptete sie, die Ukraine werde das notwendige Gas einpumpen und auch bezahlen.

Vor Staatsbankrott

Ob dem so sein wird, ist fraglich. Der osteuropäische Staat taumelt am Rande des Bankrotts. Eile bei der Bezahlung ihrer Gasrechnungen kann man der Regierung in Kiew da nicht vorwerfen. Am vergangenen Montag bestätigte Gasprom, daß die Ukraine für das im Mai gelieferte Erdgas erst kurz vor Ablauf der Frist gezahlt habe. Naftogas hatte im vergangenen Monat nach eigenen Angaben 2,376 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas im Wert von umgerechnet 646,8 Millionen US-Dollar importiert. Erst am 5. Juni erklärte der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko, die Rechnung noch im Laufe des Tages begleichen zu wollen.

Zuvor bemühte sich die Regierung um einen Kredit Moskaus in Höhe von umgerechnet 4,2 Milliarden US-Dollar. Damit sollten 19,5 Milliarden Kubikmeter Gas erworben werden. Der Kreml weigerte sich jedoch, Kiew dieses Geld im Alleingang zur Verfügung zu stellen und forderte Brüssel auf, sich zu beteiligen. Rußlands Regierungschef Wladimir Putin warnte in diesem Zusammenhang davor, daß die Ukraine bereits »Ende Juni« in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten geraten könne – und folglich der Gastransit nach Europa unterbrochen würde.

Tatsächlich hat Moskau gemäß des im vergangenen Winter ausgehandelten Vertrages das Recht, die Gaslieferungen unverzüglich zu stoppen, sobald Kiew in Zahlungsverzug gerät. Eine Wiederaufnahme der Versorgung muß Gasprom in einem solchen Falle erst dann in die Wege leiten, wenn Kiew eine Vorauszahlung geleistet hat. Bis zum siebten Tag des Folgemonats muß Naftogas seine monatlichen Gasrechnungen beglichen haben. Der Kreml kündigte vergangene Woche an, auf die Einhaltung dieser für die Ukraine äußerst nachteiligen Vertragsklauseln zu pochen, sollte diese jemals in Zahlungsverzug geraten. Dies würde automatisch – da die Gasspeicher der Ukraine leer sind – zu Lieferausfällen in der EU führen. Beobachter gehen davon aus, daß Rußlands Regierung durch diese kompromißlose Haltung Brüssel nötigen will, der Ukraine die notwendigen Kredite zur Aufrechterhaltung ihrer Gasversorgung zu gewähren.

Harte Bandagen

Längst ist der ewige »Gasstreit« zwischen Moskau und Kiew auch Thema im ukrainischen Wahlkampf. Präsident Juschtschenko hat den Liefervertrag mit Rußland am 11. Juni erneut scharf kritisiert und als einen »Verstoß gegen die Unabhängigkeit der Ukraine« gebrandmarkt. Insbesondere die Strafen für eine Unterschreitung der vereinbarten Liefermenge, die sich in diesem Jahr auf mehrere Milliarden US-Dollar summieren könnten, erregten Juscht­schenkos Zorn. Allerdings versprach Moskau bereits im März, einer Verminderung der Gaslieferungen an die Ukraine ohne Verhängung der Konventionalstrafe zuzustimmen.

Die von Rußland in den vergangenen Jahren durchgesetzte Preissteigerung für Erdgas lassen in Wechselwirkung mit den verheerenden Folgen der Weltwirtschaftskrise die Ukraine tatsächlich in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten geraten. Die Importpreise für 1000 Kubikmeter Erdgas stiegen von 50 US-Dollar 2005 auf nahezu 250 US-Dollar 2009. Die gesamten Aufwendungen des Landes für diese Importe verdreifachten sich im selben Zeitraum von umgerechnet 3,2 Milliarden auf 9,8 Milliarden US-Dollar, während die Transiteinnahmen nur von 1,5 Milliarden auf 2,3 Milliarden Dollar anstiegen. Dabei wird Naftogas bis Mitte 2010 keine Transitgebühren mehr erhalten, da Gasprom der Ukraine bereits einen entsprechenden Vorschuß von 1,7 Milliarden US-Dollar gewährt hatte. Die ukrainische Regierung hat diese enormen Preissteigerungen nicht an die privaten Verbraucher und auch nur teilweise an die Industrie weitergegeben. Zu dieser Mehrbelastung kommt der dramatische Wirtschaftseinbruch, der laut Juschtschenko im ersten Quartal 2009 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum erreichte.

Es ist nicht ganz klar, aus welchen Quellen Kiew seine Gasrechnungen bislang noch begleichen konnte. Möglicherweise wurden Staatsanleihen zur Finanzierung begeben, vielleicht geschieht alles nur noch auf Pump, ohne daß die Gläubiger bekannt sind. Fakt ist: Reserven hat das Land kaum noch, und der nächste Winter kommt bestimmt.

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Der Autor ist freier Journalist und berichtet über Osteuropa und die Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Seine Texte finden sich unter der Adresse im Netz.

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