Es wäre viel einfacher nachzufragen, wer uns gern hat. Dennoch kann man aufgrund der über zwanzig Jahre langen Beobachtungen dieser Tendenz die fünf wichtigsten Gruppen derer definieren, die die Galizier besonders nicht mögen. Mit Galizier meint man vor allem eine besondere Bevölkerungsgruppe, nämlich die, für welche die galizische Identität die wichtigste ist.
1. Professionelle Ukrainer mögen die Galizier nicht, weil diese ihrer beruflichen Karriere schaden. Man kann sie auch verstehen. Es gab Zeiten, zu denen professionelle Ukrainer, mit dem Professor Hruschewskyj an der Spitze, viel Geld und Mühe in die Ukrainisierung der Galizier und Kleinrussen investiert haben. Laut den Nachfolgern stellen die unvollkommen ukrainisierten Galizier und Kleinrussen heutzutage die Spitze der Undankbarkeit dar. Zusätzlich sind sie eine Bedrohung für die “professionelle“ Karriere der Professionellen. Moderne professionelle Ukrainer leben von den Dividenden dieser alten Investitionen. Zu eingeschränkt für eine intellektuelle Arbeit und zu faul für eine körperliche Arbeit, können sie am besten die Ukraine öffentlich lieben und auf ihr Ukrainertum stolz sein. Um in diesem Bereich ein ukraineweites oder internationales Ansehen zu erreichen, ist es aber notwendig, dass das Objekt ihrer Liebe das Größte, das Beste und das Wichtigste auf dieser Welt ist. Galizier hinterfragen also, ob das Liebesobjekt der professionellen Ukrainer das Größte, das Beste und das Wichtigste ist. Warum sollte man sie dann mögen?
2. Russische Imperialisten können die Galizier nicht leiden, weil sie in die Matrix der “russischen Welt“ nicht passen. Man kann sie ebenfalls verstehen. Die Meinung der Russen ist bekannt, denn sie erobern nicht und unterdrücken nicht, sondern bringen allen Völkern ihre brüderliche Hilfe und Wohlstand. Laut eines tschechischen Denkers, haben die Russen zuerst alles Russische slawisch genannt, um danach alles Slawische russisch zu nennen. Sie meinen, dass jedes Stückchen fremder Erde, für das das Blut der russischen Soldaten vergossen wurde, ihnen gehöre. Wie viel Blut der einheimischen Bevölkerung sie vergossen haben, beachtet niemand: “Die Sieger richtet man nicht“ Aus diesem Grund wird jeder, der auf einem okkupierten Gebiet nicht zu einem Bruder wird, zu einem Feind. Warum sollte man also Feinde lieben?
3. Kleinrussen mögen die Galizier genau so wenig, wie es ein schlafender Mensch nicht mag aus tiefem Schlaf in den Arbeitsalltag geweckt zu werden. Die Stämme um den Dnipro herum haben einen hohen Preis dafür bezahlt als Rus’ bezeichnet zu werden. Danach haben sie noch mehr bezahlt, um zu einem Kosaken-Volk zu werden. Erst wenn sie zu einem kleinrussischen Volk in einem Groß-Russischen Staat geworden sind, haben sie sich mehr oder weniger beruhigt gefühlt. Kaum hatten sie sich damit abgefunden, wollte man aus ihnen schon wieder etwas anderes machen, nämlich Ukrainer und dies schon wieder zum Preis von Leid und Verlust. Endlich hat man mit den großrussischen Brüdern einen Konsens gefunden: Ein Ukrainer ist gleich ein Kleinrusse – und gut ist; bis irgendwelche Galizier proklamieren, dass sie ebenfalls Ukrainer sind und dazu noch wahrhaftigere als die Kleinrussen. Jedem ist aber klar, dass man zwei so unterschiedliche Typen nicht unter einem Namen vereinen kann. Sowohl den Galizier als auch den Kleinrussen ist bewusst, dass nur einer von ihnen Ukrainer sein kann. Die Galizier sind in der Minderheit, müssten der Mehrheit also nachgeben, wollen aber nicht. Wofür sollte man sie also mögen?
4. Polnische Chauvinisten haben die Galizier nie leiden können. Man kann sie auch verstehen. Zu den Zeiten der Österreicher mochte man Galizier nicht, man hat sie mit Spitznamen „Halilejtschyk“ oder „Schwarzgelbe“ für ihre Treue zu den Habsburgern genannt. In Österreich-Ungarn, in den Zeiten der Autonomie von Halytsch, konnte man sich damit nicht abfinden, dass die Ruthenen die Aufteilung der Monarchie in Ost und West anstrebten. Diese Gegend sollte doch zum polnischem Piemont werden, die Ruthenen von Halytsch wollten aber einen eigenes Piemont. Danach haben die Polen so viel in das Projekt “Ukraine“ investiert, dass jedes Projekt von Galizien für sie eine Beleidigung ist und über hundertjährige Bemühungen zunichte macht. Von den Traditionen der polnischen Romantik braucht man nicht zu reden: So lebt irgendwo am Dnipro ihr herzenslieber, wilder und betrunkener Kosak und Halbfreier in der Wyschywanka (ukrainisches Trachtoberteil). In Galizien leben “Halsabschneider“, Anhänger von Bandera und vor allem Konkurrenten im Anspruch auf das kulturelle Erbe dieses Landes und sein katholisches Gesicht. Wie kann man sie mögen?
5. Die “nicht-zurückkehrenden“ Galizier mögen die Galizier nicht, die nach Veränderungen streben. Man kann auch sie verstehen. Jeder Mensch will besser leben (zumindest besser als alle anderen). In Galizien ist das Leben schwer für alle, bereits seit Jahrzehnten. Das gewünschte Ergebnis kann man nur erreichen, wenn man als Gastarbeiter in die USA, nach Europa, nach Kyjiw oder nach Russland flieht. Die „ Nicht-Zurückkehrer“ brauchen also das arme und strapazierte Galizien nur als einen Ausgangspunkt bei der Überlegung, um wie viel sich ihr Leben verbessert hat. Hier kommt man ohne Sentimentalitäten ganz klar nicht aus. Früher kam die Tante aus Kanada und der Onkel aus den USA, große Herren, haben Jeans mitgebracht und unter den Kindern Fünf-Dollarscheine verteilt. Die ganze Verwandtschaft hat aber das Monatseinkommen ausgegeben, um sie würdig, “auf ukrainisch“ zu empfangen. Auch neue Kyjiwer kamen und haben ihr Vergnügen nicht versteckt: Hier ist alles so ungewöhnlich günstig. Sich reich fühlen für fünf Dollar ist tatsächlich ungewöhnlich. So wollen die „Nicht-Zurückkehrer“ als Herren dastehen, für eine Jeans und fünf Dollar einmal im Jahr zu Ostern oder Weihnachten. Hier aber wollen irgendwelche Galizier das Ganze ruinieren. Wie kann man sie mögen?
Wahrscheinlich, könnte man noch ein paar Nationalitäten oder Gemeinschaften finden, die die Galizier nicht mögen, wobei die Aufgezählten bereits für ein Volk reichen, das formell nicht mal existiert. Man würde gerne auch diejenigen kennen, die die Galizier mögen. Wobei dafür müssen die Galizier sich möglichst laut als ein real existierendes Volk präsentieren, ein Volk mit eigenen besonderen Ambitionen und Stolz.
11. Februar 2013 // Wolodymyr Pawliw
Quelle: Zaxid.net
Sachse war ich auch dort und meine Kontakte hatte ich immer in Sachsen.
Woran erkenne ich einen Galizier in meinem persönlichen Umfeld?
Ich denke, dass Du da bei Dir keine Angst haben musst. Erstens sind Galizier sehr nette Menschen und zweitens sehr mit ihrer Scholle verbunden. Freiwillig hat von denen keiner die Halitschina verlassen.
Trotz oder wegen der guten Formulierungen im Artikel einige Gedanken von einem der in Galizien lebt.
Zitat:
Mit Galizier meint man vor allem eine besondere Bevölkerungsgruppe, nämlich die, für welche die galizische Identität die wichtigste ist.
Ich habe das schon einmal thematisiert. Könnt Ihr Euch noch an den Prozess der Länderbildung in der Ex-DDR erinnern?
Das sich die Menschen in Sachsen als Sachsen, die in Thüringen als Thüringer und so weiter fühlten, war gar keine Frage. Jetzt war man nicht mehr einer aus dem Bezirk XYZ, sondern man war wieder ein Landsmann in einer Volksgruppe mit einer Vergangenheit und einem Grund zum Stolz sein.
Zu der...
Zum Glück sind vor Gott alle Menschen gleich!
Das stimmt nicht. Die Russen sind am Gleichesten und die Kiewer sind Gleicher.
Ich finde den Beitrag treffend und einfach erfrischend in seiner herzlichen Satire.
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