Am 21. Juli 2015 veröffentlichte der SPD-nahe Willy-Brandt-Kreis die Erklärung „Zum bedrohten Frieden – für einen neuen europäischen Umgang mit der Ukraine-Krise“. Einige Grundideen des Intellektuellenklubs ähneln den Prämissen und Argumenten des Briefes der 60 Prominenten „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen“ von Anfang Dezember 2014. Zu den bekannten Unterzeichner/innen der neuen prorussischen Stellungnahme deutscher Persönlichkeiten gehören, neben anderen, Egon Bahr (1922-2015), Friedrich Schorlemmer, Ingo Schulze und Antje Vollmer. Sich auf eine Reihe scheinbar ähnlicher historischer Situationen beziehend, fordern die Expolitiker, Akademiker und Publizisten unter anderem explizit eine Wiederaufnahme Moskaus in die G7 sowie implizit eine Aufhebung der westlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Ein „Neustart der Beziehungen zu Russland“ sei nötig, um „der drohenden Spirale neuerlicher Konfrontation und Spaltung Europas zu begegnen“.
Obwohl diese Stellungnahme des Willy-Brandt-Kreises weniger naiv formuliert ist, als der frühere Brief der 60, wirkt diese neue Erklärung vom Juli 2015 noch überraschender als der Dezemberaufruf. Ende 2014 war die Sicht der deutschen Öffentlichkeit auf die sogenannte „Ukraine-Krise“ stärker als heute von russischen Propagandamythen mitgeprägt – ukrainischer „Faschismus“, „Putsch“, „Bürgerkrieg“ usw. Dies musste man bei der letztjährigen Stellungnahme prominenter Persönlichkeiten, die zumeist keine nähere Verbindung zu Osteuropa hatten, in Rechnung stellen. Im ersten Halbjahr 2015 hat sich jedoch sowohl die westliche öffentliche Aufarbeitung des Konfliktherganges verbessert, als auch eine neue Ungeschminktheit der russischen Führung in ihrer öffentlichen Selbstdarstellung eingestellt. Vor diesem Hintergrund erscheint die vorsichtiger formulierte Brandt-Kreis-Erklärung noch unzeitgemäßer, als der ebenfalls kontraproduktive Brief der 60 Prominenten vom Dezember 2014.
So kann etwa nach der Veröffentlichung etlicher neuer journalistischer, zivilgesellschaftlicher und staatlicher Rechercheergebnisse heute kaum noch Zweifel daran bestehen, dass das malaysische Passagierflugzeug des Fluges MH17 am 17. Juli 2014 von einer russischen Flugabwehrrakete abgeschossen wurde. Solch ein kompliziertes Waffensystem konnte nicht ohne weiteres von sogenannten „Rebellen“, das heißt den von Moskau engagierten Abenteurern, Extremisten, Söldnern, Kriminellen usw. in der Ostukraine, bedient werden. Dies bedeutet, dass sich spätestens Mitte Juli 2014, wenn nicht bereits früher, reguläre russische Truppen und nicht nur moskaugesteuerte paramilitärische Einheiten im ukrainischen Donezbecken befanden.
Auch hat der russische Präsident inzwischen öffentlich ein bemerkenswert frühes Datum, die Nacht vom 22. zum 23. Februar 2014, ins Spiel gebracht, als er und einige Gefolgsleute im Kreml, so Putin, die Krimannexion beschlossen hätten. Vor dem Hintergrund früherer Inkonsistenzen und Selbstkorrekturen in den öffentlichen Reflexionen der russischen Führung zur sogenannten „Ukraine-Krise“ muss man allerdings warnen, dass auch diese Datumsangabe wiederum eine bewusste Fehlinformation sein könnte, wie etwa eine Recherche des Ukraine-Experten Herwig Höller in der Zeit Online vom 16.03.2015 andeutet. Wie dem auch sei: Es ist bemerkenswert, dass Putin nun ausdrücklich bestätigt hat, dass der Startschuss für die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation offenbar nicht aus Simferopol, sondern aus Moskau kam. Andere neue Informationen des letzten halben Jahres zum Beginn, Hergang und Ergebnis der sogenannten „Ukraine-Krise“ ließen sich aufzählen.
Die Stellungnahme der sozialdemokratischen und anderen Friedensbewegten reproduziert zur Ukraine leider eine Reihe von Ideen, die auch in der neosowjetischen Desinformationskampagne des Kremls eine Rolle spielen. So empfehlen die Sozialdemokraten der Ukraine eine Föderalisierung aufgrund positiver Erfahrungen mit diesem Staatsmodell in Europa. Unerwähnt bleibt, dass die Ukraine bereits schwerwiegende eigene Erfahrungen mit einem föderalen Subjekt innerhalb ihres postsowjetischen Unitarstaates, nämlich mit der Autonomen Republik Krim, gemacht hat. Unbeachtet bleibt ebenfalls, dass die Dezentralisierung der Ukraine bereits im März 2014 ein – unabhängig von und noch vor den russischen Forderungen – proklamiertes Hauptziel der ukrainischen Postmaidanregierung war. Die Uninformiertheit der Autoren der Stellungnahme über die Ukraine drückt sich auch darin aus, dass sie offenbar nicht gewahr sind, dass eine deutliche Mehrheit der Ukrainer die Föderalisierungsidee in Umfragen ablehnt.
Der zu befürchtende Haupteffekt der Wortnahme der wenig oder falsch informierten Politiker und Intellektuellen wird die Ausschlachtung dieses Textes im inzwischen als psychotisch zu bezeichnenden Medien- und Intellektuellendiskurs Russlands sein. Mit solchen Stellungnahmen wird die unakzeptable Moskauer Position teilgerechtfertigt, ja das vom Kreml tagtäglich verbreitete konspirologisch-manichäische Weltbild unterstützt. Neuerlich deuten prominente deutsche Persönlichkeiten ein partielles Verständnis für die abenteuerliche Politik Moskaus im vergangenen Jahr an. Paradoxer Effekt solcher Stellungnahmen könnte im schlimmsten Fall nicht Entspannung, sondern weitere Verhärtung der Position des Kremls sein. Moskau wird in dieser Stellungnahme, wie auch in früheren ähnlichen westlichen Erklärungen, eine Bestätigung der zumindest teilweisen moralischen, politischen und juristischen Rechtmäßigkeit seiner Gebietsforderungen, militärischen Interventionen und politischen Einmischungen in Moldau, Georgien und der Ukraine erkennen.
Diese Erklärung des Willy-Brandt-Kreises und der Brief der 60 Prominenten vom Dezember 2014 unterwandern mit ihren Scheinargumenten und impraktikablen Forderungen die bisherige, mit viel Aufwand gezimmerte Einheitsfront der westlichen Zentrumsparteien, Mainstreameliten und Leitmedien gegenüber Moskau. Sie rufen zur Wiederaufnahme einer Beschwichtigungspolitik auf, welche die EU bereits über Jahre hinweg bezüglich der bis dato anhaltenden illegalen russischen Truppenpräsenzen in Transnistrien, Abchasien und Südossetien erfolglos anzuwenden versucht hat. Sie lassen den Westen gegenüber dem Kreml als uneins beziehungsweise schwankend erscheinen. Man fragt sich unwillkürlich, ob der prowestliche Willy Brandt solch einen Brief unterschrieben hätte.
Die Juli-Erklärung des Willy-Brandt-Kreises wird, wie auch der Dezember-Brief der 60 Prominenten, seine „Abnehmer“ vor allem in Moskau und nicht in Berlin oder Brüssel finden. Obwohl die direkten Auswirkungen solcher Deklarationen auf die Ost-West-Beziehungen gering sind, ist zu befürchten, dass derartige Publikationen eine indirekte Wirkung im Hintergrund entfalten. Durch ihre verwirrende Signalwirkung auf die russische Elite, verzögern derartige Stellungnahmen bekannter europäischer Persönlichkeiten ein Umdenken der Meinungsbildner und Entscheidungsträger in Moskau. Sie suggerieren der russischen Elite die Möglichkeit, dass der Westen nach der Zerstückelung Moldaus und Georgiens letztlich auch die Teilung oder gar Auflösung der Ukraine stillschweigend akzeptieren könnte. Damit fördern solche Stellungnahmen nicht die Lösung der sogenannten “Ukraine-Krise”, sondern behindern sie.
(Siehe auch die frühere Replik auf den Brief der 60: „Friedenssicherung statt Expansionsbelohnung: 142 Osteuropaexperten wenden sich gegen den Aufruf ‘Nicht in unserem Namen‘ zu mehr Dialog mit Russland im Ukraine-Konflikt. Ihre Forderung: Fakten statt Pathos.“)
Dieser Artikel erschien zuvor unter dem Titel „Russland-Stellungnahme eines SPD-nahen Kreises verschärft den Ukraine-Konflikt“ auf der deutschen WWW-Seite der „The Huffington Post“ vom 3. September 2015. Der überzogen formulierte Titel bei der „Huffington Post“ stammt nicht vom Beitragsautor.
Forumsdiskussionen
Tombi in Wirtschaft • Re: Heikle Gespräche über russisches Gas
„Für einen wirklichen Vergleich solltest du die Erdgaspreise vom September 2021... Warum 2021? Ich sehe das nicht so, die Gaspreise sind erst im Februar 2022 gestiegen. Wer unbedingt den September 2021...“
Tombi in Politik • Re: Ukraine klagt über schlechte Munition aus dem Westen
„Handelsblatt hat nur einen "nicht abonnenten Blocker" dazwischen geschaltet. Ich kann diesen Artikel also nicht lesen. Aber: überall wird jemand versuchen seine Schrottmunition, 50 Jahre auf Lager gelegen,...“
Tombi in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Warum wird heiraten eigentlich so schwierig gemacht? Sollte doch reichen, wenn er nach Kiev reist, seine Papiere vorlegt, vielleicht noch übersetzen (3 Tage), und danach heiraten kann. Ansonsten muss...“
Tombi in Wirtschaft • Re: Heikle Gespräche über russisches Gas
„Östereich hat sich übrigens bereits kräftig in den A**ch gekniffen, denn Deutschlands Grosshandelspreise für Gas liegen heute 20% unter denen vor dem 24.02.2022. Da sieht man mal an, wie uns die Herren...“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„in der Tat. So geht das nicht. Das "Heiratsbüro" gibt kein grünes Licht, wenn die legale Einreise nicht überprüft wurde, was normal einige Wochen dauert. Dazu muss widerum die Eheschliessung angemeldet...“
MHG1023 in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Das die Ukraine einiges an Bodenschätzen hat, war mir bewußt und die Ukrainische Landwirtschaft hat auch für uns im Westen Relevanz. Sonnenblumenkerne zur Speiseölgewinnung waren bis Kriegsbeginn ein...“
Tombi in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Dadurch daß Rußland anscheinend auch die Russischsprachige Bevölkerung bombardiert und sie aus ihren Häusern und ihrer Heimat in der Ukraine treibt oder getrieben hat - ohne Rücksicht auf irgendwas/irgendwen...“
MHG1023 in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Ganz klar, in der Ukraine spricht man ukrainisch. Zuerst dachte ich "warum holt jemand diesen alten Thread wieder aus der Versenkung", aber ich denke die Situation hat sich zwar durch den Krieg nicht grundsätzlich...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Nochmals an die Kanzlei Ahrens.....da ich leider nur 26 Tage im Lande sein kann wird es schwierig die Zeit meiner Überprüfung etc. einhalten zu können. Meine Frage Hochzeit planen wir erst wenn das...“
Tombi in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„recherchiert und blicke nicht ganz dabei durch von wann meine 90 Tage in 180 gerechnet werden .... Ich war bei Polizei und Grenzschutz bei uns dort kannte sich keiner aus damit Was, wie wo? Du bist doch...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Hallo aus Aachen.....eine Frage Ich war 22 September 2023 bis 9 Oktober in der Ukraine Desweiteren vom 8 Dezember bis 7 Januar 2024 und vom 20 April bis 23 Mai und vom 16 August bis 14 September dort....habe...“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Bei Anreise Montag oder Dienstag, findet die Heirat Donnerstag oder Freitag derselben Woche statt. Natürlich werden die Unterlagen in der Zeit vorbereitet und Übersetzt. Nach der Hochzeit das Gleiche...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Hallo und danke für die Infos....wie lange würde es eurer Meinung nach dauern wenn ich euch für diesen Service in Anspruch nehmen würde?.....meine Unterlagen wären zu dem Zeitpunkt übersetzt und...“
Awarija in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Schöner Joke. Tatsachen wären mir aber lieber.“
Tombi in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„"Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts Kursk stimmten für den Anschluss zur Ukraine." Wäre mir ganz neu, hast Du Belege dafür ? Nein. hat...“
Awarija in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„"Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts Kursk stimmten für den Anschluss zur Ukraine." Wäre mir ganz neu, hast Du Belege dafür ?“
Tombi in Wirtschaft • Re: So gut verdient Rheinmetall an Munitionslieferungen für die Ukraine
„Natürlich ist Rheinmetall einer der Gewinner des Krieges: die Aktien dieser Fa. haben seit Kriegsanfang um 550% zugelegt. Mal zu dem Russophilen-Kriegsverlierer: Gazprom hat 2023 mit 6.5 Millarden USD...“
Tombi in Wirtschaft • Re: Heikle Gespräche über russisches Gas
„Ja, machen einige EU Länder, besonders Ungarn & Österreich, ein wenig auch die Slowakei. das wurde diesen auch erlaubt, weil sie 'rumstöhnten". Östereich hat sich übrigens bereits kräftig in...“
Tombi in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Das Putin Regime ist ja noch nicht einmal fähig genug Söldner mehr zu finden, um Kursk zu befreien. Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts...“
Gogol_3 in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Westliche Staaten sollten der Ukraine ermöglichen das techn. Knowhow das noch fehlt, bzw. entspr. Technologie, zukommen zu lassen. Dies sollte möglich sein ohne unangemessene Technik zu übergeben. Die...“
kurtus in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Westliche Staaten sollten der Ukraine ermöglichen das techn. Knowhow das noch fehlt, bzw. entspr. Technologie, zukommen zu lassen. Dies sollte möglich sein ohne unangemessene Technik zu übergeben.“
Gogol_3 in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Wir das jetzt die Ausrede um irgendwie doch westliche Waffen für Angriffe tief in russisches Territorium zu ermöglichen? Wird auch nichts bringen. Wer sich kürzlich die Rede von Lloyd Austin angehört...“
hahnben in Ukrinform • Re: Angriff auf Hochhaus in Charkiw: Sechs Tote, 99 Verletzte
„dramatisch! Eine Freundin lebt in Charkiv“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Ja, das ist so. Das war schon so lange der Fall, wie ich denken kann. Vor dem Krieg konnte man das aber auf 2-3 Tage verkürzen. Das war der Sinn, dieser sog. "Heiratsbüros", was in der Regel Kommunalunternehmen...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Hallo aus krementschuk..... mittlerweile mein 4ter Aufenthalt dort.....unsere heiratspläne rücken näher.....jetzt bin ich davon ausgegangen das ich nach übersetzung aller Papiere einen Heiratstermin...“
Anuleb in Allgemeines Diskussionsforum • Re: "Warum Putin kein Demokrat sein darf"
„Naja, das Experiment mit der Demokratie in Russland ist doch schon ziemlich böse in die Hose gegangen. Ein wenig sind die den gleichen Weg gegangen, den auch Deutschland nach dem 1. WW und seinen ersten...“
Tombi in Allgemeines Diskussionsforum • Re: "Warum Putin kein Demokrat sein darf"
„Na, wer da noch einen Willen nach dem Nawalny MOrd noch erkennt, ist wohl blind.“
Tombi in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Ganz klar, in der Ukraine spricht man ukrainisch.“