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Der letzte Tropfen

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In letzter Zeit kam in Reden und Texten der verehrten einheimischen Journalisten, Politologen, Kolumnen-Autoren und anderen Dauergästen der politischen Küche der Ukraine ein Diskurs dauerhaft vor, den man mit den Worten „der letzte Tropfen“ bezeichnen könnte. „Revolution. Aufstand. Bald-bald. Noch ein bisschen und das Volk hält es nicht mehr aus, das Volk rebelliert gegen die Regierung, das Volk wird nicht verzeihen, das Volk wird bestrafen.“

Das Entstehen dieses Diskurses ist für das Jahr 2013 charakteristisch: Zwischen den politischen Kämpfen, in der Zeit, als das Interesse der Wähler an politischen Ereignissen im Land sich am unteren Punkt des Zyklus befindet, können Gespräche über den letzten Tropfen in der Geduldsschale des Volkes, über die imaginären Volksaufstände die Seele der mit dem Regime Unzufriedenen wärmen, indem sie die kühlen Frühlingsabende schöner machen.

Ehrlich gesagt, ist der letzte Tropfen in der Ukraine aus einer Reihe von absolut augenscheinlichen Gründen einfach nicht möglich. Ich versuche, alles der Reihe nach zu erklären.

Nimmt man wichtige politische Ereignisse der letzten Jahre, dann wird die Verurteilung Julia Timoschenkos zum Hauptkandidaten für die Rolle des „letzten Tropfens“. Man muss zugeben, dass das Volk bei allen verzweifelten Versuchen der Opposition, Protestaktionen als Unterstützung von Julia Wladimirowna zu organisieren, auf das Strafverfahren gegen sie sehr zurückhaltend reagierte. Entweder lohnte es sich für die Opposition nicht die nationale Flamme der Unzufriedenheit zu entfachen oder dem Volk war egal, was mit Julia Wladimirowna passiert, aber es ist offensichtlich, dass die Verfolgung des wichtigsten politischen Konkurrenten Wiktor Janukowitschs, der Politikerin, die zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz bei den nächsten Wahlen werden könnte und das „bösartige Regime Janukowitschs“ zerstören könnte, nicht der „letzte Tropfen“ für die Ukrainer ist.

Geschweige denn von solchen Kleinigkeiten, wie das Abstreifen der Donezker Stiefel an dem Körper der Verfassung der Ukraine mithilfe des Verfassungsgerichts? Der letzte Tropfen? Volksaufstände? Sie erlauben sich zu scherzen …

Der Entzug des Abgeordnetenmandats von Wlassenko über das Höchste Verwaltungsgericht wird das zum letzten Tropfen? Lächerlich. Wirklich lächerlich, und viele bekannte Journalisten berichteten darüber völlig ernsthaft.

Es gibt noch viele Beispiele für die schnelle Reaktion auf wichtige politische Ereignisse, die man als „letzten Tropfen“ betrachten könnte, aber sie alle blieben unerfüllt. Das bringt einen auf den Gedanken, dass es für Ukrainer keinen letzten Tropfen gibt – es gibt keine Grenze, hinter der in uns der Geist des Dienens sterben würde.

Denn es gab, wenn man ehrlich ist, bereits so viele „letzte Tropfen“, dass es für eine ganze Badewanne reichen würde. Folglich, kann es den „letzten Tropfen“ nur dort geben, wo ein Volk ein Selbstwertgefühl besitzt. Dort, wo Würde keine gute Eigenschaft darstellt, wo Geduld als Güte zählt und das Dienen als das höchste Ziel – dort kann es keinen letzten Tropfen geben.

Für das alles gibt es auch eine historische Erklärung. Das nationale Projekt „Ukraine“ ist bis zu einem gewissen Grad ein Geschenk des Schicksals: Die Rechte des ukrainischen Volkes wurden nicht in einem Machtkampf mit einem politischen Zentrum erhalten. Die Leibeigenschaft wurde zum Beispiel zu seiner Zeit nicht wegen Volksaufstände abgeschafft, sondern wegen der Notwendigkeit zur Reform der Wirtschaft des Russischen Reiches nach dem verlorenen Krim-Krieg; einen eigenen Staat zu bilden gelang nur mit Erlaubnis der Februar-Revolutionäre und deren Effektivität (in verschiedenen Varianten) wurde vorzüglich von Michail Bulgakow in „Die weiße Garde“ beschrieben; 1991 erhielten wir die Ukraine als Geschenk: das Volk tat nichts, und weder konnte noch kann es die Bedeutung des erhaltenen Geschenks begreifen.

Wir haben keine Geschichte des Kampfes für unsere Rechte, haben keine Geschichte des Kampfes für Staatlichkeit, für die Institute der Repräsentation der Bürger, deshalb besitzt das Parlament überhaupt keinen Wert in den Augen der Wähler.

Was hat ein normaler Bürger davon, dass Abgeordneten über normale Gerichte ihre Vollmacht entzogen wird? Versteht er etwa die Wichtigkeit der Existenz eines Parlaments? Bemühte sich ein normaler Bürger etwa darum, dass das Parlament existiert? Sieht er etwa eine Notwendigkeit darin, dass Volksvertreter der Exekutive gegenüberstehen?

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Nein… er sieht 450 dicke Geldbeutel, die dank Beziehungen und Geld (in überwiegender Zahl der Fälle) ins Parlament eingezogen sind, um die Interessen des eigenen Geschäfts zu verteidigen. Er würde eher das Parlament anzünden, als für seine Rechte zu kämpfen.

Das Problem liegt im nationalen Verständnis von Ehre. Bei uns besteht Ehre darin, sich über andere zu erheben, zu den „Halbgöttern“ zu gehören, außerhalb des Rechts zu stehen. Wenn du keinen „Erfolg“ erzielt hast, wenn du keinen Reichtum angehäuft hast (die Methoden sind unerheblich), heißt das, dass du dumm bist und keine Ehrung verdienst.

Die Kinder der Reichen, die straflos Leute über den Haufen fahren, Staatsangestellte, die den Bürgern ins Gesicht spucken, Politiker, die sich über Gesetze hinwegsetzen – alles normal, alles gut. Nach außen liebreizend, doch in Wirklichkeit Dreck.

Um so belustigender ist es vom Beginn eines geplanten „Volksaufstandes“ zu hören, vom reißenden Geduldsfaden und anderen in der Realität nicht existierenden Dingen.

Die Nachricht darüber, dass Wiktor Janukowitsch faktisch „vorschlägt“ das Parlament abzuschaffen, das Wahlsystem zu ändern und ebenso seine Rolle in den Instituten der Staatsmacht fügen sich ausgezeichnet in das Konzept der Abwesenheit eines letzten Tropfens in der Schale der Geduld des ukrainischen Volkes ein. Wenn es morgen kein Parlament mehr gibt (es bleibt das nominelle Organ des „Obersten Rates/Werchowna Rada der Ukraine“, das nur streng formale Funktionen bei der Vorbereitung und dem Abnicken von Gesetzentwürfen haben wird), dann wird der Großteil der Ukrainer keine Änderungen in seinem Leben verspüren und sich diesen Änderungen nicht in den Weg stellen.

Dekadenz? Vollkommen möglich … wir leben in einer historischen Zeit – die Geschichte läuft vor unseren Augen ab: wir legitimieren mit unserem Nichthandeln, die Umwandlung einer formell demokratischen Republik mit Anzeichen einer Ständeordnung und gestörten sozialen Liften in eine harte Monarchie mit einem gewissen äußeren Anstrich einer nepotischen Oligarchie, einer Ständeherrschaft und dem widerwärtigen Beigeschmack der Hegemonie der Bürokraten. Zukünftige Generationen, falls es uns durch irgendein Wunder gelingt die Ukraine zu erhalten, werden diese Periode in den Kategorien einer „Feudalisierung der Ukraine“, „einer Rückkehr der Ukraine zu den historischen Etappen, die sie, kraft äußerer Umstände, nicht zu überwinden vermochte“ und so weiter.

Wir sind die Träger des Geistes eines ungeborenen Staates und für uns existiert kein „letzter Tropfen“, für uns existiert nur der Gewinn, nur die eigene Tasche, nur das grüne Gras am anderen Ufer des Flusses. Und man möchte irgendetwas Mut machendes sagen, etwas Gutes und Positives, doch gibt es dafür keinen Anlass und vielleicht wird es diesen lange Zeit nicht geben, ebenso wie auch den letzten Tropfen in der Schale unserer Geduld.

22. März 2013 // Andrej Sambros

Quelle: Lb.ua

Übersetzerin:   Inna Olbricht — Wörter: 1078

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