Vor einigen Tagen wurden bei Beobachtern Empfindungen geweckt, dass die blutigen Ereignisse in Kiew bald beendet sein könnten. Doch sehen wir, wie sich eine neue Runde des tragischen Ringens in der Ukraine abspielt. Bemerkenswert dabei ist, dass der ursprüngliche Anlass jener Konfrontation fehlt, der vor Kurzem das ganze Bild der Proteste, ja die geistigen Neigungen der Teilnehmer weitgehend prägte – die Integrationsfrage. Angesichts der zurzeit in den Hintergrund tretenden Integrationsinitiative kommen wir auf ganz andere, sogar zum Teil metaphysische Bestrebungen der Ukrainer zu sprechen, nämlich auf solche, die mit den unmittelbaren Zukunftsvorstellungen zu tun haben.
Der Protest, der unter anderem zum Ausdruck des bürgerlichen Bewusstseins der ukrainischen Bevölkerung, aber auch zum praktischen Produkt der so lange Zeit gehegten Idee der politischen Nation wurde, zeigte, dass die Ukrainer im Grundsatz selbst vollkommen in der Lage sind, die Dynamik der künftigen Entwicklung des eigenen Landes und neue Trends vorzuschlagen. Man darf feststellen, dass es hier um eine geschichtliche Wende geht, die im Weiteren die Gestalt des neuen Landes bestimmen wird.
Das Werden der neuen Ukraine hat allerdings seine Schwierigkeiten. Da die Forderungen der Protestler seit Januar dieses Jahres direkt gegen die Regierenden gerichtet und schon nicht mehr gegen oder für einen Integrationsplan waren, ist zu vermuten, dass die Rede von der Existenz bestimmter Anspruchskriterien geht, die Menschenmengen jeglicher Strömungen im Kampf gegen die staatliche Macht zusammenschließen. Was das für Kriterien sind, ist ziemlich schwer zu beantworten. Diese Frage sollte im politischen Sinne untersucht werden, da die Wahrnehmung der Proteste durch die Einwohner der ost- bzw. westukrainischen Gebiete sich gründlich unterscheidet.
In diesem Zusammenhang muss beachtet werden, dass für die Einwohner der einen Regionen die Proteste in das Schema ??“national ist sozial”? passen, für die Bürger aus dem anderen Teil ist es umgekehrt – “sozial ist national”. Diese Vorstellungen stoßen auf die unterschiedlichen Auffassungen von Nation an sich. Wenn in der angenommenen “Westukraine” das lokale Konzept als ein ethnisch-geistiger Imperativ zu betrachten ist, ohne dieses empirisch zu be- oder widerlegen, fasst die angenommene “Zentral-” und dementsprechend die “Ostukraine” den Begriff “Nation” ganz neu auf, als eine bürgerliche Gemeinschaft. Betont werden muss, dass die Hauptideen im Großen und Ganzen als Schaffung einer neuen staatlichen, vor allem aber gesellschaftlichen Ordnung und, in der einen oder anderen Form, als mentale Trennung vom sowjetischen Erbe bezeichnet werden können. Es sind dadurch zwei theoretische Hauptvarietäten der bürgerlichen Unzufriedenheit zu definieren, die verschiedene Gruppen mobilisieren.
Ob sie dennoch ideologisch und geistig miteinander verwandt sind – durch die allgemeinen Anforderungen an die sozialen Praktiken der einst herrschenden Kreise –, oder eher zerstreut, bleibt bis jetzt unklar. Der Beginn der Proteste Ende vorigen Jahres wurde zuerst als mit der Integrationspolitik der Machthaber nicht übereinstimmende Meinung eines Teils der Ukrainer verstanden. Zwei bzw. drei Monate später sah man ein ganz anderes Bild – das Verlangen der Massen nach dem Sturz der amtierenden Regierung. In beiden Fällen kam aber sogleich die Frage nach der sogenannten Wir-Gruppe auf, in der die Anhänger des “wir” sich nicht nur wiederfinden und selbst auf- bzw. ausbauen, sondern auch die Fremden kennzeichnen. Als die Fremden tauchten abermals in beiden Fällen die herrschenden Eliten auf, von denen man größtenteils eben nicht das Verhalten als “echte” Ukrainer, sondern den Schutz der Bürgerrechte und soziale Gerechtigkeit erwartete. Im Gegenteil erschienen sie, in den Augen der Protestierenden, als Bremse der gesellschaftlichen Entwicklung.
Versuche, Platz für die Schaffung einer neuen politischen Landschaft zu schaffen, tragen die Gefahr einer weiteren Radikalisierung des Prozesses durch jene Kräfte in sich, die ihre ideologischen Ziele erst in der erwähnten Trennung sehen und den Übergang ins neue System, wie sie es begreifen, verwirklichen wollen. Den Zweck verfolgend, werden sie offensichtlich weder Leben noch Wohl ihrer eigenen Landsleute scheuen. Jeder, der nicht auf der Seite dieser Kräfte steht und ihnen mit Wort und Tat beisteht, wird als Gegner der neuen Ordnung verdächtigt. Eine derartige Position widerspricht spürbar der Idee der oben genannten bürgerlichen Gemeinschaft.
Heutzutage können wir heftige Zusammenstöße zwischen den verschiedenen Regionen der Ukraine sehen und von Übereinstimmung kann leider bisher keine Rede sein. Der derzeit nicht immer friedliche Protest zieht die Bildung neuer Gesellschaften und Regierungen nach sich. Es scheint dringend zu verstehen, ob es wirklich mit einem bestimmten Konzept von Nation in Verbindung steht oder einfach nur dem Erhalt politischer Dividenden geschuldet ist. Vielleicht zeigen die nächsten Ereignisse uns, woran wir sind, ob es um politische Spiele oder den Fortschritt der Nation geht. Die heutige Ukraine hat bis zum jetzigen Moment gleichzeitig die Möglichkeit des Auswegs und der Not dargestellt. Im Augenblick kommt der Gewährleistung und Bewahrung des wirklichen bürgerlichen Bewusstseins die größte Bedeutung zu, um die morgige Ukraine nicht erneut bis zum Äußersten zu treiben.
24. Februar 2014 // Dr. Ihor I. Barinow
Forumsdiskussionen
Frank in Nützliche und interessante Sachen • Re: Botschaftshinweise: Onlineeintragung in die "Deutschenliste" zur Krisenvorsorge
„"§ 107 Wahlbehinderung (1) Wer mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt eine Wahl oder die Feststellung ihres Ergebnisses verhindert oder stört ..." Hat mit seinem Anliegen irgendwie gar nix zu tun na...“
Bernd D-UA in Politik • Re: Der Ukraine droht ein schmerzhafter Abschied vom Donbass
„Toleranz ist das Stichwort und im Grunde befindet er sich zum großen Teil unter Gleichgesinnten und erkennt es nicht, sehr schade, allerdings sind seine Umgangsformen etwas eingeschränkt, was ebenso...“
Bernd D-UA in Nützliche und interessante Sachen • Re: Botschaftshinweise: Onlineeintragung in die "Deutschenliste" zur Krisenvorsorge
„@tombi Die Meinung anderer zu achten ist nicht so Dein Ding, Du musst sie ja nicht teilen. Dies ist aber eine grundlegende Regel einer Diskussion, daher macht die Diskussion mit Dir wenig Sinn, offensichtlich...“
Frank in Politik • Re: Der Ukraine droht ein schmerzhafter Abschied vom Donbass
„... keine macht den Drogen ... such dir mal Hilfe“
Tombi in Nützliche und interessante Sachen • Re: Botschaftshinweise: Onlineeintragung in die "Deutschenliste" zur Krisenvorsorge
„@tombi, das Land hat andere Probleme als Dir Deine Wahlunterlagen hinterher zu tragen. Soll auch so bleiben, kostet nur unnötig Steuergelder! Soweit alles Verstanden? Aha, wieder so ein Widerling der...“
Tombi in Politik • Re: Der Ukraine droht ein schmerzhafter Abschied vom Donbass
„Handrij, ich vermute Du bist ein FSB-Agent, da ich mit Euch Moördern nicht zusammen arbeiten möchte, und mir Deine Zensur zu peinlich ist: gehe ich, ich verlasse Dich & Deine Desinformation, deine...“
Tombi in MDR • Re: Ukraine-News: Russland meldet Rückeroberung von Großteil besetzter Kursk-Region
„Wer ist eigentlich so naiv, und verbreitet immer noch putinsche Propaganda Meldungen, in diesem Forum? Ihr wisst doch genau, dass der keinen mehr hoch bekommt. Ausser Lügen stemmt der doch gar nichts...“
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„Quatsch, Kellogs muss nur Putin überzeugen, die Ukraine zu verlassen, und sein Morden einzustellen. wer schreibt diesen hinterhältige Putinschen Propaganda Artikel eigentlich, sind diese dämlich? Geht...“
Obm100 in MDR • Re: Ukraine-News: Selenskyj: USA können Russland zum Frieden zwingen
„Wohl eher umgekehrt. Putin würde es aus Angst vor amerikanischen Atomwaffen niemals wagen Alaska oder andere US-Territorien direkt anzugreifen. Von angeblicher Rechtlosigkeit der dort noch ansässigen...“
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„Mich würde es Interessieren, ob die Amis sich auch raushalten, wenn der Zwerg Alaska besetzt oder Teilbesetzt. Es könnte ja zu einem Atomkrieg kommen, wenn die Amis Truppen schicken. Sie senden anscheinend...“