Wird die Ukraine das Moratorium für den Export von Rundholz aufheben? Der erste Schritt auf dem Weg dazu wurde bereits getan: Der entsprechende Gesetzentwurf wurde auf der Seite des Wirtschaftsministeriums veröffentlicht.
Die Notwendigkeit zur Lösung dieses Problems ist offensichtlich: Nach dem in der Europäischen Union verlorenen Schiedsgericht ist die Aufhebung des Exportverbots für unverarbeitetes Holz zu einer Verpflichtung für die ukrainische Regierung geworden. Und die Nichterfüllung kann zu entgegengesetzten Einschränkungen vonseiten der Europäischen Union führen.
Wird der von der Regierung ausgearbeitete Gesetzentwurf den Erwartungen der Europäischen Union entsprechen? Und welche Chancen wird diese Initiative auf Unterstützung im Parlament haben?
Spiel auf Zeit
Hätte die Ukraine das Moratorium beibehalten können?
Nach der Verkündung der Entscheidung zur Übertragung der Frage an ein Schiedsgericht waren alle Experten, mit denen die Jewropejska Prawda sprechen konnte, einhellig in ihrer Meinung: Es gibt keine Chance darauf.
Einer der Gründe ist die niedrige Qualität des Gesetzes selbst, welches das Verbot verhängte. Zwar wurde damals formal als Ziel des Moratoriums deklariert – rein ökologisch zu sein, doch wurde dagegen im Erklärungstext zum Gesetzentwurf gesagt, dass der Bedarf seiner Verabschiedung sich mit der Notwendigkeit erklärt, die einheimische holzverarbeitende Industrie zu unterstützen.
Doch das ist ein direkter Verstoß gegen das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union, dessen Schlüsselidee gleiche Rechte für ukrainische und europäische Unternehmen ist.
Zusammen damit wahrte die Ukraine noch lange die Möglichkeit darauf, einen Kompromiss mit der EU zu erreichen. Begreifend, dass es beinahe unmöglich ist, im Parlament Stimmen für eine „einfache“ Aufhebung des Moratoriums zu finden, war man in Brüssel bereit zu einer teilweisen Aufhebung der diskriminierenden Maßnahmen.
Darunter stimmte die EU 2016 einer Aufhebung des Moratoriums unter der Bedingung von Präferenzen für ukrainische Unternehmen bei Auktionen zum Verkauf des Holzes zu. Jedoch hatte nicht einmal diese Initiative Chancen in der Rada durchzukommen – bis zu dem Moment hatte die Regierung den Informationskrieg endgültig verloren und jede Initiative zur Aufhebung des Moratoriums wurde von der Gesellschaft als absoluter Verrat betrachtet.
In dieser Situation kamen die Ukraine und die EU überein, auf den Mechanismus eines Schiedsgerichts zurückzugreifen. Für Kyjiw war das die Möglichkeit zusätzliche Zeit zu gewinnen, da das Schiedsgericht garantierte, dass die politisch reizende Frage nicht vor den *Präsidentschaftswahlen 2019*(Offizielle Ergebnisse der Stichwahl bei den Präsidentschaftswahlen 2019) erhoben wird.
Übrigens muss für diesen Zeitgewinn bezahlt werden. Das Urteil des Schiedsgerichts verlangt von Kyjiw eine bedingungslose Aufhebung des Moratoriums und Möglichkeiten für einen Kompromiss gibt es nicht mehr.
Das erste Unpassierbare
Das Urteil des Schiedsgerichts ist im Dezember vorigen Jahres veröffentlicht worden.
Gemäß der Prozedur muss das Urteil in einer „angemessenen Frist“ umgesetzt werden. Und obgleich das etwas verschwommen klingt, erwartet man in der EU, dass das Moratorium bereits in diesem Jahr aufgehoben wird.
Und das schafft viele Fragen. Darunter, ob diese Anforderung erfüllt wird? Wird Kyjiw auf die bedingungslose Umsetzung des Schiedsgerichtsurteils eingehen oder gibt es einer lediglich formalen Umsetzung den Vorrang, indem es eine Möglichkeit findet, die Diskriminierung in einer etwas anderen Variante beizubehalten?
Beispielsweise informierten darüber auch verschiedene Gesprächspartner der Jewropejska Prawda, dass man in der Regierung eine Norm nutzen könnte, die es während des Schiedsgerichtsverfahrens zu gewinnen gelang. Gemäß dieser Norm ist eine Diskriminierung bei seltenen Baumarten möglich, die in der Roten Liste eingetragen sind. Jedoch wird die Erneuerung der Liste vom Ministerkabinett vorgenommen und das gibt die Möglichkeit für Manipulationen mit Erweiterungen dieser Liste – und die Lobbyisten dieser Lösung schlagen der Regierung aktiv vor, diesen Weg zu beschreiten.
Eben deshalb wurde die Veröffentlichung des Gesetzentwurfs, der das Moratorium aufhebt, auf der Seite des Wirtschaftsministeriums äußerst wichtig. Werden darin trotzdem „Stolpersteine“ aufgenommen oder kann der Gesetzentwurf im Gegenteil den Verpflichtungen der Ukraine vollkommen gerecht werden?
Die Analyse des Gesetzentwurfs erlaubt es eine eindeutige Schlussfolgerung zu machen. In der Regierung beschloss man, eben den zweiten Weg zu gehen: Die Umsetzung des Schiedsgerichtsurteils ohne jegliche „Spitzfindigkeiten“. Wie in dem Erklärungstext angegeben wird, ist der Entwurf mit dem Ziel „der redlichen Umsetzung der Anordnung der Schiedsgruppe im Streit um das Assoziierungsabkommen in Verbindung mit dem temporären Exportverbot für Forstmaterial in unverarbeiteter Form“ angefertigt worden.
Eine Lösung des Problems wird über eine detailliert vorgeschriebene Prozedur des elektronischen Umschlags von Holz vorgeschlagen, was bedeutet, dass für den Verkauf nur das Holz zugelassen wird, das ein Herkunftszertifikat hat.
Diese Norm soll den negativen Effekt der Aufhebung des Moratoriums ausgleichen. Denn wenn der Gesetzentwurf realisiert wird, dann, wenn er den gesetzwidrigen Holzschlag schon nicht verhindert, so erschwert er zumindest spürbar den Handel mit diesem Holz. Und das wird nicht nur einen ökonomischen, sondern auch einen positiven ökologischen Einfluss haben.
Und obgleich diese Praxis etwas schwierig in der Umsetzung sein wird, behauptete man doch früher in der Regierung, dass man auf die Unterstützung der EU in dieser Frage hofft.
Jedoch könnten die Vorteile dieses Entwurfs zum Problem für ihn werden – bereits nach der Einbringung in die Werchowna Rada [Parlament].
Wie Gesprächspartner der Jewropejska Prawda bezeugen, wurde der Gesetzentwurf für die Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Schiedsgerichtsurteil ausgearbeitet – die Ukraine musste in einer gewissen Frist eine entsprechende Gesetzesinitiative präsentieren, was auch getan wurde.
Jedoch garantiert die Ausarbeitung des Gesetzentwurfs durch die Regierung nicht dessen Verabschiedung durch das Parlament. Und damit sind, wie es aussieht, einige Probleme verbunden.
Den Belegen der Gesprächspartner der Jewropejska Prawda zufolge, wurde der Gesetzentwurf nicht vorher mit der Bankowa [Sitz des Präsidenten, die Mehrheit im Parlament wird durch die Präsidentenpartei Sluha Narodu/Diener des Volkes gestellt, A.d.Ü.] abgestimmt und dementsprechend hat er keine politische Unterstützung im Parlament.
In dieser Situation garantiert das Vorlegen zur Prüfung durch die Abgeordneten ein „beerdigen“ dieser Initiative.
Gerade hat die Regierung etwa einen Monat für die Suche nach einem Ausweg Zeit – eben solange muss der Gesetzentwurf für eine öffentliche Diskussion offen verfügbar sein.
Den Ergebnissen der Diskussion in der Regierung nach können gewisse Änderungen eingebracht werden. Jedoch ist bislang unklar, wie die Notwendigkeit der Erfüllung der Vorgaben des Schiedsgerichts mit der Anforderung den Gesetzentwurf „passierbar“ [im Parlament] zu machen in Einklang gebracht werden kann.
Kommunikationszeit
Leider bleibt die Wurzel des Problems unverändert. Seit 2015 – dem Datum des Inkrafttretens des Moratoriums – hat sich in der ukrainischen Gesellschaft die Idee festgesetzt, dass das Moratorium auf den Schutz der Wälder vor Abholzung abzielt und das Land vor einer größeren ökologischen Katastrophe schützt.
Mehr als fünf Jahre Existenz dieses Moratoriums hätten diese Behauptung widerlegen müssen. Jedoch in der Regierung wurde nichts dafür getan, da man ein Sinken der Umfragewerte fürchtete.
Ebenso wurde in der Regierung, bis auf die Ausnahme einzelner Amtsinhaber, der positive Effekt des Moratoriums für die Wirtschaft nicht in Zweifel gezogen. Obgleich, gemäß Untersuchungen, dieser positive Effekt hinreichend bescheiden ist (darunter führte die Erhöhung der Holzverarbeitung nicht zu vergleichbaren Tempi bei der Möbelfertigung) und geht in keinen Vergleich mit einer möglichen Verschlechterung der Handelsbeziehungen zur Europäischen Union.
In der Situation, die sich ergeben hat, hat sich die Regierung nicht dazu entschlossen die Frage der Aufhebung des Moratoriums zu stellen, nicht einmal als die makrofinanzielle Hilfe der Europäischen Union auf dem Spiel stand.
Ja und geht nicht auch die derzeitige ukrainische Regierung auf dem Weg der Vorgänger, indem sie das Problem ignoriert, um sich nicht zusätzliche politische Probleme zu schaffen?
Man muss sich merken: Das Problem ist eben deshalb so groß geworden, weil es viele Jahre lang ignoriert wurde.
Eine ehrliche Kommunikation der Regierung von Vor- und Nachteilen des Moratoriums und ebenfalls effektivere Wege zur Lösung der ökologischen Probleme könnten die gesellschaftliche Stimmung ändern und das wird helfen dieses veraltete Problem zu lösen.
Jedoch muss diese Kommunikation bereits jetzt begonnen werden. Denn, wenn die Zeit kommt, den Gesetzentwurf über die Aufhebung des Moratoriums in die Rada einzubringen, wird es bereits zu spät sein.
31. Mai 2021 // Jurij Pantschenko
Quelle: Jewropejska Prawda
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