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Juschtschenko antwortete Medwedjew

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Wiktor Juschtschenko wandte sich heute mit einer Botschaft an das ukrainische Volk, die den Inhalt des Antwortbriefes an Dmitrij Medwedjew wiedergab.
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Verehrtes ukrainisches Volk, ich habe mich aufmerksam mit dem Brief des Präsidenten der Russischen Föderation, Dmitrij Medwedjew, vom 6. August 2009 vertraut gemacht.

Ich werde offen sein. Ich bin sehr enttäuscht von seinem unfreundlichen Charakter. Ich kann nicht verneinen, dass es in den Beziehungen zwischen unseren Ländern ernsthafte Probleme gibt, doch es ist erstaunlich, wenn der russische Präsident eine Verantwortung von russischer Seite vollständig ausschließt.

Unser Staat ist niemals von den Prinzipien der Freundschaft und der Partnerschaft abgerückt, die im Großen Vertrag von 1997 festgelegt wurden, und tat sein möglichstes für eine fruchtbare Entwicklung der beiderseitigen Beziehungen zum beiderseitigen Vorteil. Außerdem sollten unsere Länder gemäß dem genannten Vertrag ihre gegenseitigen Beziehungen insbesondere auf der Basis der Prinzipien gegenseitiger Achtung und staatlicher Gleichberechtigung aufbauen. Und trotzdem möchte ich auf Emotionen verzichten und leidenschaftslos den Zustand der bilateralen Beziehungen analysieren.

Die Position der Ukraine in Bezug auf die Ereignisse in Georgien im letzten Jahr ist allgemein bekannt und stimmt praktisch mit den Positionen aller Länder der Welt überein. Sie besteht in der außerordentlichen Achtung der Souveränität, der territorialen Integrität und der Unveränderlichkeit der Grenzen des georgischen oder irgendeines anderen souveränen Staates. Grundlos sind auch die Vorwürfe zu den Waffenlieferungen an Georgien. Bedauern ruft hervor, dass, ungeachtet der mehrfachen klaren und verständlichen Erklärungen von ukrainischer Seite zur Gesetzeskonformität ihrer Aktivitäten auf dem Waffenmarkt, die russische Seite ihre aufeinanderfolgende Kampagne fortsetzt, die auf eine Auffassung der Ukraine als Staat abzielt, der die internationalen Regeln und Ordnungen im Bereich der militärtechnischen Zusammenarbeit nicht beachtet. In Verbindung damit bleibt anzumerken, dass Georgien damals wie heute keinerlei internationaler Sanktionen oder Embargos durch den UNO Sicherheitsrat, die OSZE, die Europäische Union oder andere internationale Organisationen zur Lieferung von Waffen, Kriegstechnik oder Waren mehrfacher Nutzungsart unterliegt. Außerdem wurden die russischen Vorschläge eine solche Einschränkung im Rahmen der OSZE einzuführen, die nach dem russisch-georgischen Konflikt eingebracht wurden, nicht unterstützt.

Der Kurs der Ukraine auf die Integration in die NATO kann auch kein Gegenstand politischer Vorwürfe seitens Russlands sein. Dies zwingt uns erneut dazu, die Binsenwahrheit zu wiederholen, dass das Recht auf die Wahl der internationalen Mittel der Wahrung der nationalen Sicherheit, insbesondere die Beteiligung an militärpolitischen Vereinigungen, ein unveräußerliches Element der staatlichen Souveränität eines jeden Landes ist und Russland muss dieses achten. Bleibt anzumerken, dass das Gesetz der Ukraine „Zu den Grundlagen der nationalen Sicherheit der Ukraine“, welches von der Werchowna Rada der Ukraine im Jahr 2003 beschlossen wurde, darunter auch von der Führung der derzeitigen Opposition, eine direkte Integration der Ukraine in die NATO vorsieht, bis zur direkten Mitgliedschaft. Davon lasse ich mich als Präsident der Ukraine leiten. Ebenfalls möchte ich ein weiteres Mal unterstreichen, dass das Bestreben unseres Staates zum Erhalt der Allianzmitgliedschaft in keinem Fall gegen Russland gerichtet ist und eine endgültige Entscheidung zum NATO-Beitritt erst nach einer allgemeinen Volksbefragung vollzogen wird.

Ich möchte besonders hervorheben, dass der Artikel 17 der Verfassung der Ukraine keine Stationierung von Militärbasen ausländischer Staaten auf dem Territorium der Ukraine zulässt. Gleichzeitig bleibt unser Staat seinen internationalen Vertragspflichten zum zeitweiligen Aufenthalt der Schwarzmeerflotte der Russischen Föderation auf dem Territorium der Ukraine bis zum 28. Mai 2017 treu und wird den Positionen der entsprechenden Basisvereinbarung des Jahres 1997 in vollständigem Umfang nachkommen. Gleichzeitig bin ich gezwungen zu konstatieren, dass es ernsthafte Probleme bei der Umsetzung des Basisabkommens von russischer Seite gibt. Insbesondere bei der Frage der Grundstücke, der Immobilien, der Radiofrequenzen, der Navigationsmittel und anderem. Im Verlaufe der gesamten Zeit der Stationierung der Schwarzmeerflotte Russlands auf dem Territorium der Ukraine hat deren Oberkommando systematisch schwere Übertretungen der bilateralen Abmachungen und der Gesetze der Ukraine zugelassen, worüber die ukrainische Seite die russische Seite ständig informierte.

Die Ukraine tritt konsequent für die Entwicklung pragmatischer Beziehungen mit Russland im ökonomischen Bereich, vor allem der Energiewirtschaft, ein. Die Ukraine hat ein Modernisierungsprogramm des ukrainischen Gastransportsystems gestartet, um es auf das Niveau der hohen internationalen Standards zu führen und ist bereit in diesen Prozess das Potential der europäischen Länder und anderer Beteiligter hinzuziehen. Unser Land hat mehrfach in der Praxis seine Zuverlässigkeit als Partner beim Transport von Energieressourcen bestätigt: Gas, Erdöl und Materialien für die Atomwirtschaft. Die Ukraine ist eines der wenigen Länder der Welt, welches im Juni dieses Jahres die Initiative der Russischen Föderation über ihre Bereitschaft einen multilateralen Dialog zur Vervollständigung der internationalen Rechtsbasis im Bereich der Energiesicherheit zu beginnen, der, unserer Überzeugung nach, auf der Energiecharta und den Dokumenten basieren soll, die in ihrem Rahmen ausgearbeitet wurden.

Im Brief des Präsidenten Russlands ist ebenfalls eine weitere Wiederholung bekannter Vorwürfe enthalten, deren Ziel der Versuch ist, der Ukraine ihre Sicht auf die eigene Historie, die eigenen nationalen Interessen und die eigenen Prioritäten der Außenpolitik zu nehmen. Ich bin überzeugt davon, dass die Fragen der Geschichte gemeinsam mit der eigenen Sprache, Kultur, Familienethik zu der fundamentalen Grundlage für die Staatsbildung und Identifikation mit der ukrainischen Nation gehören. Indem in der internationalen Arena die Frage der Anerkennung des Holodomors in der Ukraine der Jahre 1932-33 erhoben wurde, zollt das ukrainische Volk ebenfalls dem Gedenken an die Millionen Russen, Weißrussen, Kasachen und Vertreter anderer Nationalitäten seinen Tribut, die an Hunger an der Wolga, im Nordkaukasus, in Kasachstan und anderen Regionen der ehemaligen UdSSR starben. Bekannt ist, dass während der Gedenkaktion „Ewige/Unlöschbare Kerze“, die dem 75. Jahrestag des Holodomors in der Ukraine gewidmet war, in den Fenstern hunderter Städte in der gesamten Welt, darunter auch in Russland, Kerzen brannten, was Zeugnis der internationalen Solidarität mit der Ukraine bei der Anerkennung dieser Tatsache ist.

In keiner Weise kann ich dem zustimmen, dass es angeblich eine Unterdrückung/Verdrängung der russischen Sprache aus dem öffentlichen Leben in der Ukraine gibt. Eine komplett unbefangene Bewertung der Sprachsituation in der Ukraine und Russland zeugt von komplett umgekehrten Fakten. Eben in der Russischen Föderation ist der ukrainischen Minderheit praktisch komplett die Möglichkeit ihr Recht, ihre nationalen und kulturellen Bedürfnisse zu befriedigen, entzogen worden. Bestätigung dessen sind die bekannten Schlüsse internationaler Organisationen.

Auf die Bemerkung des Präsidenten Russlands, Medwedjew, zur angeblichen Einmischung der Regierung der Ukraine in die Angelegenheiten der orthodoxen Kirche merke ich folgendes an: Die ukrainische Führung achtet die Regeln und Traditionen der Kirchen und der religiösen Organisationen. Die Kirche in der Ukraine ist vom Staat getrennt und jeder Bürger hat das Recht jede Religion auszuüben. Dabei kann niemand den Bürgern verbieten ihre Position zu allen Fragen offen zu äußern, darunter auch religiösen.

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Betreffend des Besuchs des Patriarchen der Moskauer und der ganzen Rus Kyrills in der Ukraine bleibt zu unterstreichen, dass Worte der Anerkennung an die Adresse der Führung unseres Staates für das hohe Niveau der Organisation seines Aufenthaltes in der Ukraine ausgesprochen wurden. Dabei hat der Vorsteher der Russischen Orthodoxen Kirche keinerlei negative oder kritische Einschätzungen, die im Brief des russischen Präsidenten angeführt werden und den Geist dieses Besuchs selbst diskreditieren, gemacht. Insgesamt betrachten wir die Bindung der Fragen bezüglich des Besuchs von Patriarch Kyrill in der Ukraine mit den bilateralen politischen Beziehungen als erdacht und unangebracht.

Die erzwungene Entscheidung der ukrainischen Seite in den Bezug auf die zwei diplomatischen Vertreter Russlands kommentierend, bleibt anzumerken, dass wir vor diesem Schritt dreifach der russischen Seite Informationen zu ungesetzlichen Handlungen der genannten hochgestellten Diplomaten vorgelegt haben. Die ukrainische Seite hat eine genügende Beweisbasis über ihre Tätigkeit in der Ukraine, die den nationalen Interessen der Ukraine Schaden zufügte. Derweil sind die entsprechenden Handlungen der russischen Seite in Bezug auf den ukrainischen Diplomaten absolut grund- und haltlos.

Ich hoffe, dass es unseren beiden Staaten gelingt die Wiederholung dieser bedauerlichen Vorfälle zu vermeiden, welche die bilateralen Beziehungen eintrüben.

Das gesagte zusammenfassend, möchte ich die Überzeugung ausdrücken, dass die Lösung der existierenden Probleme in den bilateralen ukrainisch-russischen Beziehungen eine intensive Arbeit erfordert. Daher wird die Entscheidung die Anreise des neuen russischen Botschafters in die Ukraine aufzuschieben ohne Frage eine konstruktive Entwicklung unserer Beziehungen nicht begünstigen.

Die Ukraine bleibt einer breiten Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation auf der Grundlage gegenseitiger Achtung, Gleichberechtigung über die Förderung eines konstruktiven Dialoges, darunter auf höchster Ebene, ergeben. Die Bereitschaft einen Dialog am Verhandlungstisch zu führen, habe ich im Verlaufe des letzten Jahres in geringerem Maße dreimal in meinen Briefen an die Adresse des Präsidenten der Russischen Föderation bekräftigt. Dieser Aufruf bleibt auch heute aktuell. Leider habe ich früher als Antwort lediglich Einladungen zur Teilnahme an den Preisrennen des Präsidenten Russlands und anderen multilateralen Veranstaltungen erhalten. Ich hoffe, dass dieses Mal die Reaktion des Hauptes des russischen Staates auf meinen Aufruf zum Dialog konstruktiv sein wird.

Verehrtes ukrainisches Volk, ich bin überzeugt von der guten Zukunft der ukrainisch-russischen Beziehungen, die auf tiefen Traditionen der Freundschaft und der guten Nachbarschaft zwischen den Völkern unserer beiden Ländern basiert und die offensichtlich kräftiger ist, als die Interessen einzelner politischer Kreise und nicht von der situativen Konjunktur politischer Momente abhängt.

Quelle:
Seite des Präsidenten – ukrainisch
Seite des Präsidenten – russisch

Brief Juschtschenkos an Medwedjew

Übersetzer:   Andreas Stein — Wörter: 1483

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