Noch vor einigen Tagen konnte man Rinat Achmetow mit Voldemort vergleichen: Alle wussten von ihm, nur wenige wollten sich an ihn erinnern und noch weniger Leute konnten sich an seine öffentlichen Auftritte erinnern. Doch die jüngsten Ereignisse im Donezbecken zwangen den formalen Herren der Region aus dem Schatten zu treten und sich nunmehr mit zwei Aufrufen an die eigenen Landsleute zu wenden.
Formal, sagen wir, denn in seinem Einfluss auf das Donezbecken ist Achmetow bei Weitem nicht alleine. Ja, es gab eine Zeit, nach dem Tod von Achat Bragin, als er sich als wirklichen „König des Donezbeckens“ bezeichnen konnte. Doch die Entscheidung, seine politische Vertretung an Wiktor Janukowitsch zu übergeben war der größte Fehler des „Oligarchen“.
Janukowitsch, wie es nun mal mit ehemaligen Häftlingen passiert, war nicht auf Partnerschaft, sondern auf Familie getrimmt. Das Ergebnis war, dass er nicht nur Regierungskader für sich sammelte, die Achmetow nicht allzusehr interessiert haben, sondern auch Bedingungen für eine komfortable Existenz des Klans von Alexander Janukowitsch schuf. Achmetow war in der letzten Periode mit Wiktor Janukowitsch an der Macht, der größte Geschäftspartner von Alexander. Und Alexander ist ein Mensch gewesen, der noch weniger Realitätsbezug hatte, als sein Vater, er war sich seiner Straffreiheit und Unfehlbarkeit völlig sicher. Doch dieser Mensch und sein Geld waren die Schlüsselfaktoren für die Exekutive und Lokalregierungen sowie für die Strukturen, die im Donezbecken als „Geschäftswelt“ bezeichnet werden. Achmetow hingegen betrachtete das Spiel mit dem Separatismus wohlwollend und in einer seltsamen Überzeugung, dass dies seine Positionen nur stärken kann – statt den eigenen Einfluss durch ein Verdrängen der verbrecherischen Familie des niedergeworfenen Partners aus der Region wiederherzustellen. Und wieder verkalkulierte er sich.
Denn was machten Achmetow, Janukowitsch und andere „Herren des Lebens“ aus Donezk in all diesen Jahren? Sie merzten in der Region alles Lebendige aus. Das Ergebnis ist, dass die Schicht von selbstständig denkenden, erfolgreichen und nicht vom Staat oder der Kriminalität abhängigen Menschen im Donezbecken besorgnisvoll dünn ist. Die Mehrheit der Bevölkerung sind aber Lumpenproletarier in verschiedensten Ausprägungen.
Der Kreml und die Janukowitschs konnten nicht so sehr einen Separatismus, aber eine Lumpen-Revolution hervorrufen, die natürlich nicht die Interessen Achmetows, oder jemandes anderen jenseits der armseligen Lumpen-Existenz berücksichtigt. Und sie orientiert sich natürlicherweise an Russland, weil Putin nach seiner Rückkehr in den Kreml und nach den Demonstrationen auf dem Bolotnaja-Platz zum Kaiser der dortigen Lumpen-Schicht wurde. Und die Lumpen-Schicht spürt ihresgleichen nach dem Geruch und dem Stil sofort auf. Achmetow ist ihr keine Autorität. Putin hingegen schon. Lumpen wollen ins Lumpen-Reich.
Doch Achmetow will das definitiv nicht, denn wenn er die Unternehmen im Donezbecken verliert, verliert er auch die Hebel im politischen Prozess und den größten Teil seines Imperiums. Denn das, was Achmetow während der Janukowitsch-Regentschaft schaffte, ist, vom wichtigsten „Oligarchen“ von Donezk zu einem Unternehmer des gesamtukrainischen Maßstabs aufzusteigen. Und nun, soll er alle seine Errungenschaften an ihrendeinen Irren mit einer Wodkaflasche als Freundin, an irgendwelche Schauspieler des russischen Hinterlandes und sonstiges Pack abgeben?
Gerade deshalb bekommt man in den Ansprachen Achmetows, die im Stil des Zauberers von Oz ausgeführt sind, einen Einblick in sprudelnden Hass. Ich würde es niemanden wünschen das zu hören, was Rinat in Wirklichkeit denkt, oder neben ihm zu stehen, wenn er einen Wutanfall bekommt. Doch es soll nicht darum gehen. Sondern darum, inwieweit Achmetow kämpfen kann und will.
Denn nun muss er nicht Kiew, sondern eine Lumpen-Welle besiegen, die das Donezbecken überspült und mit der viele seiner Landsleute heimlich und offen sympathisieren – weil sie die Reichen hassen, alles aufteilen wollen und über einen Staat träumen, in dem die Brötchen auf Kiefern wachsen und ganz genau wissen, dass der Mensch, der weiß, wie man solche Brötchenbäume anbaut, Putin heißt.
Also hat Achmetow keine leichte Aufgabe: Er muss das besiegen, was er selbst geschaffen hatte. Er selbst hat diese Menschen zu diesem niederen Zustand geführt und gibt sich nun ratlos, warum sie so sind. Wie sonst hätten sie denn bitte sein sollen, Herr Achmetow, wenn sie das alles seit Jahrzehnten dulden? Das ist doch wie ein Leben im Keller mit einem Triebtäter. Wenn er jahrelang seine Opfer vergewaltigt und sie es dulden und ihm danke sagen müssen, dann sollte er nicht denken, dass sie aus dem Keller voller Dankbarkeit und höchster menschlicher Gefühle herauskommen werden. Und es gibt überhaupt keine Garantien, dass man einen Golem besiegen kann, der durch den eigenen gierigen Atem erschaffen wurde. Und umso weniger, wenn dieser Golem mit einer Kalaschnikow und einem Chip des russischen Fernsehens im Kopf durch die Gegend herumspaziert.
22. Mai 2014 // Witalij Portnikow
Quelle: Lewyj Bereg
Übersetzer: Oleg Pogrebnyak
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