OK!

Diese Website setzt Cookies für personalisierte Werbung und statistische Zwecke ein und es werden Daten zeitweilig gespeichert. Mehr Informationen zum Datenschutz

FacebookXVKontakteTelegramWhatsAppViber

Preis der Identifikation

0 Kommentare

Darüber wird jetzt viel geschrieben, wurde auch vor dem Maidan geschrieben. Es geht darum, dass es in der Ukraine Millionen Menschen gibt, die mit ihr nichts zu tun haben wollen. Einigen gefällt die ukrainische Sprache nicht, die anderen wollen sie nicht lernen, sprechen oder überhaupt hören. Noch jemand hasst die ukrainischen Trachten und Kosakenfrisuren, jemandem ist die ukrainische Geschichte zuwider, jemand findet die romantischen Dichter Schewtschenko und Lesja Ukrajinka ekelhaft. Es gibt auch solche, die einfach keine Ahnung haben, was das alles mit ihnen zu tun hat. Oder einfach Angst davor haben: Sie haben Angst, sich selbst, ihre Identität zu verlieren.

Welche denn? Nicht immer ist es klar, welche Identität diese Menschen haben und warum die nationale Staatlichkeit sie vernichten sollte. Aber wenn die Identität „keine konkrete“ ist, so wird sie mit Sicherheit vernichtet, und zwar durch eine konkrete – ukrainische – ersetzt. Es kommt mir vor, dass niemand solche Drohung spürt, außer den „Russen“, die man hier nur bedingt so nennen kann (es gibt noch eine besondere Region – das Transkarpatengebiet, aber da kenne ich mich nicht aus). Ich glaube, dass solche Menschen, auch wenn sie sich einfach Russen nennen (nicht „Sowjetmenschen“), unbewusst auf die sowjetische Erfahrung des künstlichen Russentums zurückgreifen – nicht im nationalen Sinne, sondern im imperialen. So entstand dieses „offizielle staatliche Konzept: Russische Sprache – Russische Kultur“ mit seiner Angst vor Bandera (Anführer der antisowjetischen ukrainischen Partisanenarmee – A.d.Ü.), dem unheilbringendem Westen und grausamen Faschisten. In der UdSSR wurde alles Nationale entweder als eine archaische Dekoration oder als eine Gefahr für das „Sowjetische“ wahrgenommen.

Genauer gesagt, sehnen sich die heutigen Kämpfer für die russische Kultur nicht nach Balalajkas, sondern nach einem sowjetischen Projekt, das Nachfolger des russischen Imperium-Projektes wäre. Der Gegenstand ihrer besonderen Liebe beschränkt sich auf das sowjetische Schulprogramm. Das ist wohl die berühmte Gründlichkeit des sowjetischen Bildungswesens. In der Ostukraine gibt es viele, die sich „Russen“ nennen, in der Wirklichkeit jedoch sind das irgendwelche unbestimmte postsowjetische Menschen. Oft verstehen sie grundsätzlich nichts Nationalethnisches, unter anderem auch nichts Ukrainisches.

Viele von uns haben gedacht, dass das Problem in der nationalen „Färbung“ der ukrainischen Staatlichkeit liegt. Obwohl die ukrainische Ethnie nicht homogen, sondern vielfältig ist: Es gibt das westukrainische Lemberg, das mittelukrainische Poltawa und auch die Ostukrainer. Mein Schwiegervater ist in Kasachstan in der Familie ukrainischsprachiger Umsiedler aus dem Gebiet Donezk geboren. Aber OK, die Ukrainer haben diese widerlichen Kosakenfrisuren und ekelhaften bestickten Hemden, und das Wort „Bier“ sprechen sie anders aus, zugegeben, das ist ein unlösbares Problem…

Und auf einmal entsteht praktisch aus nichts ein Projekt der europäischen Ukraine – ein Fantasieprojekt, aber trotzdem ein klares und deutliches. Das Projekt einer Ukraine ohne ethnische Totalität, einer zukunftsorientierten und weltoffenen Ukraine. Man hätte glauben können – da ist gerade eine passende Variante für diese Millionen, die sich in der Zeit und in den Staatsgrenzen verlaufen haben? Aber nein. Dieses Projekt rief bei ihnen zuerst eine betrübte Verwirrung aus, und dann, als es gescheitert ist,– Schadensfreude. Wir schreien, dass das nicht mehr ein „Euromaidan“ ist, dass das nicht mehr um die EU, sonder um die Ukraine geht – aber sie wechseln nicht auf unsere Seite, denn sie brauchen weder Europa, noch – wie üblich – die Ukraine. Sie brauchen eine Null. Ein Nichts. Das Ausbleiben einer Identität.

Und hier ist und bleibt die Ukraine. Deswegen neigen diese Menschen zum Regionalismus – die „Leute der Krym“, „Charkiwer“, „Odessaer“, „Donezker“. Sie können sich nicht „russisch“ nennen, sie haben keine Möglichkeit, sich „sowjetisch“ zu nennen, aber „ukrainisch“ zu sein – das ist für sie unzulässig. Daher kommen verschiedene Fantasiebezeichnungen. Sie sind egal was und egal wer, aber nur nicht Ukrainer. Eine merkwürdige „negative“ Ethnie der Nichtukrainer in der Ukraine.

Das ist der Preis der Identifikation. Sie sind bereit ihn für immer zu zahlen. Sie werden sich gerne loskaufen von der ukrainischen Identifikation – mit der kriminellen Regierung, mit der eigenen Armut, mit Gemeinheit, Nichtigkeit, moralischem Untergang. Nur, um nicht Ukrainer zu werden, um dieses Land nicht zu akzeptieren, nicht zu einem Teil von ihm zu werden. Und wir zahlen auch unseren Preis – mit unserer Verzweiflung, unendlichen hoffnungslosen Streitereien, mit unseren Leben, die von der Macht der Banditen gebrochen und vernichtet werden. Der Preis der Identifikation ist ein schwarzes Loch, wo seit Jahrzehnten die Ressourcen eines großen, starken, reichen Landes hindurch fallen. Unbestimmtheit, Nicht-Ukraine, Nichts. Ein Antistoff.

Was soll man damit tun? Zugrunde gehen oder doch zu einem Land werden, zur Ukraine? Sie werden sich ein wenig unbequem fühlen. Uns wird es ein wenig peinlich. Dann werden wir werden zusammenlegen und endlich mal diesen ungeheuren Preis für die Identifikation auszahlen.

12. Februar 2014 // Sawen Bablojan, Aktivist, Autor (Charkiw)

Quelle: Livejournal

Übersetzung: Olha Sydor

Den täglichen oder wöchentlichen Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben!

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Vielleicht sollten Sie eine Spende in Betracht ziehen.
Diskussionen zu diesem Artikel und anderen Themen finden Sie auch im Forum.

Benachrichtigungen über neue Beiträge gibt es per Bluesky, Facebook, Google News, Mastodon, Telegram, X (ehemals Twitter), VK, RSS und täglich oder wöchentlich per E-Mail.

Artikel bewerten:

Rating: 4.5/7 (bei 6 abgegebenen Bewertungen)

Neueste Beiträge

Aktuelle Umfrage

Werden die von Trump eingeleiteten Friedensgespräche erfolgreich sein?
Interview

zum Ergebnis
Frühere Umfragen
Kiewer/Kyjiwer Sonntagsstammtisch - Regelmäßiges Treffen von Deutschsprachigen in Kiew/Kyjiw

Karikaturen

Andrij Makarenko: Russische Hilfe für Italien

Wetterbericht

Für Details mit dem Mauszeiger über das zugehörige Icon gehen
Kyjiw (Kiew)20 °C  Ushhorod18 °C  
Lwiw (Lemberg)15 °C  Iwano-Frankiwsk17 °C  
Rachiw14 °C  Jassinja15 °C  
Ternopil15 °C  Tscherniwzi (Czernowitz)19 °C  
Luzk15 °C  Riwne15 °C  
Chmelnyzkyj16 °C  Winnyzja18 °C  
Schytomyr16 °C  Tschernihiw (Tschernigow)15 °C  
Tscherkassy17 °C  Kropywnyzkyj (Kirowograd)18 °C  
Poltawa17 °C  Sumy16 °C  
Odessa16 °C  Mykolajiw (Nikolajew)18 °C  
Cherson17 °C  Charkiw (Charkow)16 °C  
Krywyj Rih (Kriwoj Rog)17 °C  Saporischschja (Saporoschje)16 °C  
Dnipro (Dnepropetrowsk)14 °C  Donezk15 °C  
Luhansk (Lugansk)16 °C  Simferopol14 °C  
Sewastopol13 °C  Jalta13 °C  
Daten von OpenWeatherMap.org

Mehr Ukrainewetter findet sich im Forum

Forumsdiskussionen

„Diesen Grenzübergang hatte ich schon auf dem Schirm, kenne ihn nur noch nicht. Kann jemand noch etwas zu Zosin sagen, wäre ja auch machbar oder lieber nicht? Vielen Dank Bernhard.“

„Hallo Bernd Es hängt etwas davon ab, wohin Du in Ukraine fahren möchtest. So wie es scheint möchtest Du (wie ich normalerweise) in Richtung Kiew fahren. Ich benütze deshalb seit Jahren den Übergang...“

„Ergänzend, möchte nach Luzk fahren, ist ja sicherlich nicht uninteressant für einen Ratschlag.“

„Möchte morgen über Nacht in die Ukraine fahren und plane die Ankunft an der Grenze sehr früh am Morgen. Fahre entweder über Polen oder ggf. über Tschechien, je nachdem was google maps empfiehlt. Normalerweise...“

„Das ist ein simples D-Visum, wie man es auch in Deutschland für die Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung braucht. Man benötigt dazu keine Mindestaufenthaltszeit. Auch bei der Aufenthaltserlaubnis...“

„Zunächst möchte ich sagen, daß die PKP für die Sitzplatzzüge, die zum Beispiel von Kattowitz bis nach Przemysl fahren, die Preise nicht erhöht hat. Allgemein gilt die Polnische Staatsbahn eher als...“

„"Warum verlangt die PKP von den Fahrgästen solch einen Preis ?" - Weil sie es können ... Die Nachfrage dürfte weiter hoch sein und weil es keine vergleichbaren Alternativen gibt (Buslinien über Nacht...“

„Die Polnische Staatseisenbahn PKP Intercity S.A. erhöhte für den Schlafwagen-Zug D 68 am 1. Februar 2025 die Fahrpreise um + 38 Prozent. : Vom Warschauer Ostbahnhof fährt abends um 17.49 Uhr der Schlafwagen-Zug...“

„Hallo. Meine Ex-Frau ist schon über 22 Jahre in Deutschland. Jetzt benötigt sie einen Termin für das Konsulat. Aber es werden nur Termine über Diia vergeben. Kann uns jemand erklären wie das genau...“

„Hallo..... Ich benötige nochmals euer Schwarmwissen.... Bin seit Dezember letzten Jahres in der Ukraine verheiratet worden Jetzt meine Frage.....ich habe auf der Seite der ukrainischen Botschaft einen...“