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Tragikomik ausländischer ukrainischer Patrioten

Der Kampf um die Patrioten-Hoheit am Facebook-Stammtisch ist manchmal schon tragikomisch. Deutsche (und teils auch andere Ausländer oder Expats) ringen um die virtuelle Trophäe des größten Ukraine-Patrioten. Es dürfte für einige gemäßigte Ukrainer ein seltsames Schauspiel sein. Vor allem für solche, die sich selber ebenfalls als Patrioten sehen.

Leider hat diese „Fraktion“ der „ausländischen“ Patrioten nach dem Euromaidan, der auch Revolution der Würde genannt wird, stark zugelegt. Sie fällt auf mit dem ständigen Vorzeigen patriotischer Zeichen, sei es mittels teils übergroßen Flaggen (sogar am Strand im Türkei-Urlaub, wie auf einigen Facebook-Bildern zu sehen), T-Shirts (mit Dreizack oder irgendwelchen patriotischen Sprüchen die Ukraine betreffend), Armbänder in den Ukraine-Farben und vieles mehr.

Selbstverständlich sind blau-gelbe Anhängsel und Körperdekorationen per se nicht verächtlich. In Kombination mit entsprechenden Kommentaren in den sozialen Medien jedoch entfaltet sich die explosive Wirkung unübersehbar.

Die harmlosere Varianten dieses Patriotismus-Wettbewerbes:

Alles, aber auch alles, was irgendwie „ukrainisch“ ist, wird in den Himmel gelobt, sei es ein Flugzeug (obwohl nachweislich einiges beim ukrainischen Flugzeugbauer im Argen liegt), ein Traktor (der technisch nun aber auch rein gar nichts Revolutionäres bietet, sondern bloß herkömmliche Technik), sei es Musik (Pop oder Folklore, auch wenn die Musik und Musiker teils grottenschlecht bis lächerlich sind), sei es ein Sport-Wettbewerb (juhu, die Ukraine hat gesiegt, ob verdient oder nicht spielt keine Rolle), sei es ein Musikwettbewerb (wenn gewonnen war der ukrainische Beitrag eh der Beste, wenn verloren ging was nicht mit rechten Dingen zu), sei es die Aufnahme einer Universität in eine wie auch immer geartete Rankingliste (auch wenn weiterhin in ukrainischen Universitäten viele Diplome gekauft werden und diese Diplomeigner zu allem fähig aber zu nichts zu gebrauchen sind)

Die weniger harmlose Varianten dieses Patriotismus-Wettbewerbes

Diese sehen folgendermaßen aus … an Hand eines Beispiels (unter vielen) demonstriert, gepostet von einem deutschen Bürger aus Westdeutschland:

Ukraine-Patrioten bei Facebook

„Tod dem Feind“ … eine kräftige Aussage zum kriegsverherrlichenden Bild. Auch wenn dieser Spruch in der Ukraine durchaus des öfteren zu lesen ist, mutet es doch seltsam an, wenn er von einem deutschen Bürger, der dazu nicht mal in der Ukraine lebt, gepostet wird.

Wie Phönix aus der Asche

Eine fast schon homogen erscheinende Gruppe ausländischer Ukraine-Patrioten ist nach dem Ende der Revolution der Würde, die am 21. November 2013 begann, auf Facebook und anderen sozialen Medien wie Phönix aus der Asche entstiegen.

Aus dieser Gruppe kommen dann meist auch die heftigsten Gegenkommentare auf berechtigte Kritik an der Ukraine, am Präsidenten Poroschenko oder an sonst einem Aspekt, der direkt mit der Ukraine zusammenhängt.

Diskussionen über die Ukraine werden immer emotionsgeladener. Sachlichkeit verkommt zum Fremdwort. Dazu kommt, dass kritische Kommentare zu häufig von vornherein als Angriff auf die Ukraine interpretiert werden, wobei die Entgegnungen immer öfters entsprechend rüde und beleidigend ausfallen.

Die Diskussionskultur ist längst auf der Strecke geblieben und zu einem Wetteifern über den Patriotismusgrad selbsterwählter Auslands-Ukrainer geworden.

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Der Spaßfaktor in Diskussionen die Ukraine betreffend ist ohnehin seit Mitte 2014 nicht sehr hoch. Der Erkenntnisgewinn aus diesen Disputen tendiert mittlerweile allzu oft gegen Null.

Vom Ukraine-Patrioten zum selbsternannten Ukraine-Experten

Ein für viele Ukraine-Beobachter und Kommentatoren ärgerlicher Aspekt: Nachdem sich der damalige Präsident Janukowytsch (von Februar 2010 bis Februar 2014) am späten Abend des 21. Februar 2014 ins ostukrainische Charkiw absetzte und wenige Tage später von dort nach Russland floh, wurden die sozialen Medien (und teils auch andere Medien) mit Kommentaren und Beiträgen von selbsternannten Ukraine-Kennern überschwemmt.

Während der „heißen“ Monaten von Dezember 2013 bis Februar 2014 jedoch, als Janukowytsch noch als Präsident fungierte und Kritik am Präsidenten, dessen Herrschaftsstil unübersehbar autokratische Züge angenommen hatte, mögliche Repressionen nach sich hätte ziehen könnten, trauten sich diese nicht, physisch auf dem Maidan zugegen zu sein (diejenigen, die in Kiew lebten oder in einer anderen ukrainischen Stadt, in der demonstriert wurde) oder öffentlich kritisch gegen Janukowytsch anzuschreiben.

Und plötzlich gerierten sich alle diese „Mutigen“ als Ukraine-Experten und -Patrioten. Dabei waren viele sich nicht zu schade, Texte und Bilder von anderen zu „klauen“ und diese dann unter ihrem Namen als ihre eigene geistige Ergüsse zu veröffentlichen.

Nun sind mittlerweile drei Jahre vergangen. Und die gleichen Hasenfüße von einst vor Ort sowie die sich in Ferndiagnostik austobenden Besserwisser von außerhalb pinkeln ukraine-kritischen Kommentatoren regelmäßig ans Schienbein. Vorwürfe von, „man mache die Ukraine schlecht“ bis „man würde Putin in die Hände spielen“ (!) müssen sich solche, die die Situation in der Ukraine kritisch und analytisch kommentieren, immer wieder über sich ergehen lassen.

Wenn Patriotismus zum Weltbild wird, bleiben das Urteilsvermögen und die Objektivität auf der Strecke.

Autor:    — Wörter: 754

Dr. jur. Daniel M. Porcedda, Jahrgang 1959, luxemburgischer Staatsangehöriger, lebt seit 1998 in Kiew und arbeitete dort viele Jahre als Unternehmensberater und vertrat u.a. eine Schweizer Anwaltskanzlei in der Ukraine. Er hat sowohl die Orange Revolution 2004 als auch die Revolution der Würde 2013/2014 auf dem Maidan direkt miterlebt und für diverse Medien in Luxemburg und Deutschland berichtet. Er war ebenfalls als Interviewpartner in luxemburgischen Printmedien, Radio und TV präsent. Darüberhinaus stand er staatlichen Stellen und Parlamentariern als Informationsgeber über die Vorgänge des Maidans zur Verfügung.

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