Ich kann verlieren. Während des Krieges ist das eine sehr wichtige Fertigkeit. Als ich nach Jahrzehnten der Abwesenheit in das noch sowjetische Kiew zurückehrte, das feindliche, sich vor Angst versteckende, fühlte ich mich als Sieger. Ich verstand die Hauptsache: ich habe mich selbst gewonnen! In den Karzern und den Hungerstreiks des Protestes habe ich dem eigenen Land, das gegen mich kämpfte, gesagt: «Ich bin dein Feind, tatsächlich dein Feind, denn ich kenne den Sinn der Worte «menschliche Würde»!».
Beinahe meine gesamte Jugend fand im Krieg statt. Neben mir setzten die Alten Banderowzy und baltischen «Waldbrüder» ihren endlosen Kampf für die menschliche Würde fort, die in den sowjetischen Gefängnissen und Lagern ihre 25-jährigen Strafen absaßen. Sie, eben sie, lehrten mich die Gewissheit der eigenen inneren Freiheit.
Das sowjetische Imperium ist zerfallen. Wie durch eine unheilbare Krankheit verfaulendes Gewebe, unfähig zur Regeneration. Bevor ich lernte diesem Übel zu widerstehen, es offen zu hassen, beschloss ich den für mich neuen Beruf des Bauarbeiters zu lernen. Nicht die professionelle Politik, nicht den Karriereaufstieg in der sogenannten medizinischen Wissenschaft. Mehr als 20 Jahre baute ich, mauerte, mischte Mörtel … Und jetzt vor kurzem wurde mir bewusst: ich setze zu kämpfen fort! Bereits mit einem anderen Staat, meinem der Definition nach. So schien es mir: meinem.
Mein Krieg geht weiter. Ein gemeiner, abscheulicher Krieg der Vergangenheit mit der Zukunft. In dem der Feind, der von mir gewählte Präsident, der von mir gewählte Abgeordnete ist. Schmutzige, dumme, doch sehr clevere und gierige wie sie haben meinen Traum zertrampelt. Sie haben ihn bereits zertrampelt, ich sehe das am Gesundheitsministerium. Die tausendköpfige Hydra der Ineffektivität, des geldfressenden Monsters, das folgerichtig den Samen des gesunden Menschenverstandes und der Zweckmäßigkeit tötet. Ich beobachte mit wachsendem Ekel, wie das System der öffentlichen Gesundheitsversorgung im Land auseinanderfällt und der auf den Posten eingeladene Minister verspricht ungesehene Labsalen für uns alle. Die erste, Hauptlabsal aus den versprochenen ist die Privatisierung der medizinischen Einrichtungen. Mit Schrecken stelle ich mir vor, wie diese ungeheuerliche Privatisierung auf ukrainisch vor sich geht und womit sie endet. Mit Gram beobachtet ich, wie ehrliche und professionelle medizinische Angestellte (ja es gibt sie und davon nicht wenig!) die Maske höriger Dummköpfe überstreifen, da ihnen von der Obrigkeit ambitionierte und halsstarrige Zerstörer vorgesetzt wurden.
Gesundheitsminister Alexander Kwitaschwili, Foto: Max Trebuchow
Ich habe versucht, erhört zu werden. Öffentlich und nichtöffentlich. Der Minister hört nicht. Nichts hört er. Die ukrainische Sprache nicht kennend, unterzeichnet der hohe Beamte fiebrig Dokumente, Pattsituationen im System schaffend. Die Realität des ukrainischen Systems nicht kennend (und diese unterscheidet sich heftig von dem ihm gewohnten georgischen), hat er sich mit einer dienstfertigen Meute von Einflüsterern umgeben, die ausschließlich ihre persönlichen Ziele materieller Natur verfolgen.
Mein Krieg geht weiter. Wünschend erhört zu werden, spreche ich immer öfter laut davon, wofür auf den Straßen geschossen wird. Aus Verzweiflung, nicht aus suizidalen Absichten. So sind die Bedingungen meines persönlichen Krieges. Ich weiß, ich werde niemals siegen. Nun, ich verstehe es, zu verlieren. In der Jugend hungerte ich 114 Tage und Nächte mit Zwangsernährung per Sonde. Ich vermochte es nicht die Rechtsmaschine der totalitären UdSSR davon zu überzeugen, humaner und gerechter zu sein.
Heute weiß ich: der niemals in der Ukraine gelebt habende georgische «Legionär» ist seinen Gewohnheiten den oberen Staatsangestellten näher als etwa ich, der ewig fordernde und anklagende.
Ich bin müde vom Kämpfen. Ich bin es leid Don Quichotte zu sein. Laut von allseits bekannten Tatsachen zu sprechen. Es ist Zeit einzugestehen, in erster Linie sich selbst: alles, was ich getan habe, erwies sich als vergeblich. In diesem Land wird immer der allmächtige sowjetische Apparat gewinnen – frech, brutal, gierig. Und noch: die Opfer auf dem Maidan waren vergeblich, so wie die Tode meiner Mitbürger im Osten der Ukraine vergeblich sind. Wie die vorzeitigen Gefängnistode meiner Freunde Wassyl Stus, Walerij Martschenko und vieler anderer vergeblich waren. Doch ich kann verlieren. Daher werde ich unbesiegt gehen und das jetzt, im Jahr 2015. Ich werde ein Schreiben an meine westlichen Freunde, ihre Regierungen, an die internationalen Fonds, an die Botschaften in meinem Land vorbereiten. Und ich werde sie alle lediglich um eines bitten: jede finanzielle und materielle Hilfe für das Gesundheitsministerium der Ukraine einzustellen. Aufgrund der Sinnlosigkeit der Hilfe. Schlussendlich helfen sie uns nicht mit Geldern aus ihrer eigenen Tasche, diese festigen die ukrainische Korruption nur mit Mitteln ihrer eigenen Steuerzahler. Die Fortsetzung dessen ist unmoralisch.
Ich werde nicht ausreisen. Hier sind meine Lebenden und meine Toten. Ich bleibe bei ihnen. Es wird viel freie Zeit für Erinnerungen geben, wo Iwan Switlytschnyj, Walerij Martschenko, Stepan Mamtschur und Dmitro Bassarab noch lebendig und bei mir sind. Dort, in der Vergangenheit, wissen sie noch nichts von der Gemeinheit und Niedertracht derjenigen, die sich mit ihren Namen und ihrem Traum wappnen. Derart wird mein Sieg sein. Mein persönlicher Sieg und danach, dann kann ich dort dem Allmächtigen aufrichtig sagen: «Ich habe mich bemüht, lange und eifrig bemüht. Man hat mich nicht vernommen.»
20. Februar 2015 // Semjon Glusman, Arzt, Mitglied des Kollegiums des Staatlichen Gefängnisdienstes der Ukraine
Quelle: Lewyj Bereg
Forumsdiskussionen
Tombi in Wirtschaft • Re: Heikle Gespräche über russisches Gas
„Für einen wirklichen Vergleich solltest du die Erdgaspreise vom September 2021... Warum 2021? Ich sehe das nicht so, die Gaspreise sind erst im Februar 2022 gestiegen. Wer unbedingt den September 2021...“
Tombi in Politik • Re: Ukraine klagt über schlechte Munition aus dem Westen
„Handelsblatt hat nur einen "nicht abonnenten Blocker" dazwischen geschaltet. Ich kann diesen Artikel also nicht lesen. Aber: überall wird jemand versuchen seine Schrottmunition, 50 Jahre auf Lager gelegen,...“
Tombi in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Warum wird heiraten eigentlich so schwierig gemacht? Sollte doch reichen, wenn er nach Kiev reist, seine Papiere vorlegt, vielleicht noch übersetzen (3 Tage), und danach heiraten kann. Ansonsten muss...“
Tombi in Wirtschaft • Re: Heikle Gespräche über russisches Gas
„Östereich hat sich übrigens bereits kräftig in den A**ch gekniffen, denn Deutschlands Grosshandelspreise für Gas liegen heute 20% unter denen vor dem 24.02.2022. Da sieht man mal an, wie uns die Herren...“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„in der Tat. So geht das nicht. Das "Heiratsbüro" gibt kein grünes Licht, wenn die legale Einreise nicht überprüft wurde, was normal einige Wochen dauert. Dazu muss widerum die Eheschliessung angemeldet...“
MHG1023 in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Das die Ukraine einiges an Bodenschätzen hat, war mir bewußt und die Ukrainische Landwirtschaft hat auch für uns im Westen Relevanz. Sonnenblumenkerne zur Speiseölgewinnung waren bis Kriegsbeginn ein...“
Tombi in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Dadurch daß Rußland anscheinend auch die Russischsprachige Bevölkerung bombardiert und sie aus ihren Häusern und ihrer Heimat in der Ukraine treibt oder getrieben hat - ohne Rücksicht auf irgendwas/irgendwen...“
MHG1023 in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Ganz klar, in der Ukraine spricht man ukrainisch. Zuerst dachte ich "warum holt jemand diesen alten Thread wieder aus der Versenkung", aber ich denke die Situation hat sich zwar durch den Krieg nicht grundsätzlich...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Nochmals an die Kanzlei Ahrens.....da ich leider nur 26 Tage im Lande sein kann wird es schwierig die Zeit meiner Überprüfung etc. einhalten zu können. Meine Frage Hochzeit planen wir erst wenn das...“
Tombi in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„recherchiert und blicke nicht ganz dabei durch von wann meine 90 Tage in 180 gerechnet werden .... Ich war bei Polizei und Grenzschutz bei uns dort kannte sich keiner aus damit Was, wie wo? Du bist doch...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Hallo aus Aachen.....eine Frage Ich war 22 September 2023 bis 9 Oktober in der Ukraine Desweiteren vom 8 Dezember bis 7 Januar 2024 und vom 20 April bis 23 Mai und vom 16 August bis 14 September dort....habe...“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Bei Anreise Montag oder Dienstag, findet die Heirat Donnerstag oder Freitag derselben Woche statt. Natürlich werden die Unterlagen in der Zeit vorbereitet und Übersetzt. Nach der Hochzeit das Gleiche...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Hallo und danke für die Infos....wie lange würde es eurer Meinung nach dauern wenn ich euch für diesen Service in Anspruch nehmen würde?.....meine Unterlagen wären zu dem Zeitpunkt übersetzt und...“
Awarija in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Schöner Joke. Tatsachen wären mir aber lieber.“
Tombi in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„"Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts Kursk stimmten für den Anschluss zur Ukraine." Wäre mir ganz neu, hast Du Belege dafür ? Nein. hat...“
Awarija in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„"Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts Kursk stimmten für den Anschluss zur Ukraine." Wäre mir ganz neu, hast Du Belege dafür ?“
Tombi in Wirtschaft • Re: So gut verdient Rheinmetall an Munitionslieferungen für die Ukraine
„Natürlich ist Rheinmetall einer der Gewinner des Krieges: die Aktien dieser Fa. haben seit Kriegsanfang um 550% zugelegt. Mal zu dem Russophilen-Kriegsverlierer: Gazprom hat 2023 mit 6.5 Millarden USD...“
Tombi in Wirtschaft • Re: Heikle Gespräche über russisches Gas
„Ja, machen einige EU Länder, besonders Ungarn & Österreich, ein wenig auch die Slowakei. das wurde diesen auch erlaubt, weil sie 'rumstöhnten". Östereich hat sich übrigens bereits kräftig in...“
Tombi in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Das Putin Regime ist ja noch nicht einmal fähig genug Söldner mehr zu finden, um Kursk zu befreien. Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts...“
Gogol_3 in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Westliche Staaten sollten der Ukraine ermöglichen das techn. Knowhow das noch fehlt, bzw. entspr. Technologie, zukommen zu lassen. Dies sollte möglich sein ohne unangemessene Technik zu übergeben. Die...“
kurtus in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Westliche Staaten sollten der Ukraine ermöglichen das techn. Knowhow das noch fehlt, bzw. entspr. Technologie, zukommen zu lassen. Dies sollte möglich sein ohne unangemessene Technik zu übergeben.“
Gogol_3 in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Wir das jetzt die Ausrede um irgendwie doch westliche Waffen für Angriffe tief in russisches Territorium zu ermöglichen? Wird auch nichts bringen. Wer sich kürzlich die Rede von Lloyd Austin angehört...“
hahnben in Ukrinform • Re: Angriff auf Hochhaus in Charkiw: Sechs Tote, 99 Verletzte
„dramatisch! Eine Freundin lebt in Charkiv“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Ja, das ist so. Das war schon so lange der Fall, wie ich denken kann. Vor dem Krieg konnte man das aber auf 2-3 Tage verkürzen. Das war der Sinn, dieser sog. "Heiratsbüros", was in der Regel Kommunalunternehmen...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Hallo aus krementschuk..... mittlerweile mein 4ter Aufenthalt dort.....unsere heiratspläne rücken näher.....jetzt bin ich davon ausgegangen das ich nach übersetzung aller Papiere einen Heiratstermin...“
Anuleb in Allgemeines Diskussionsforum • Re: "Warum Putin kein Demokrat sein darf"
„Naja, das Experiment mit der Demokratie in Russland ist doch schon ziemlich böse in die Hose gegangen. Ein wenig sind die den gleichen Weg gegangen, den auch Deutschland nach dem 1. WW und seinen ersten...“
Tombi in Allgemeines Diskussionsforum • Re: "Warum Putin kein Demokrat sein darf"
„Na, wer da noch einen Willen nach dem Nawalny MOrd noch erkennt, ist wohl blind.“
Tombi in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Ganz klar, in der Ukraine spricht man ukrainisch.“