In der Ukraine gibt es ein neues Gesprächsthema: Ausländer werden zu Ministern ernannt. Ist das gut oder schlecht? Für einen gefestigten, zivilisierten Staat wäre das natürlich eine Schande. Es ist schwer, sich etwas Vergleichbares in den Niederlanden, Schweden oder Großbritannien vorzustellen. Dort wäre so etwas unmöglich. Bei uns ist es möglich – und sogar sinnvoll.
Gesundheitsminister Alexander Kwitaschwili, Foto: Max Trebuchow, Lb.ua
Alexander Kwitaschwili steht vor einer schwierigen Bewährungsprobe. Die Leitung des Gesundheitssystems in unserem Land konnte Korruption bisher nicht ignorieren. Es hat sich im Gegenteil unmittelbar daran beteiligt. Der Anfang sah immer so aus: am ersten Tag im Amt nimmt der Minister Glückwünsche entgegen. Ganz wie bei Gogol oder Saltykow-Schtschedrin. Wissenschaftler aus der Akademie der Wissenschaften, normale Professoren, und die medizinische Nomenklatura geben sich im Empfangszimmer mit ihren kleineren und größeren Geschenken in der Hand und den obligatorischen Blumensträußen die Klinke in die Hand. Sie werden der Reihe nach vorgelassen. Lächeln, Glückwünsche, Händeschütteln, Zurücklächeln … wie am Fließband. Das geht sehr lange so, aber innerhalb des einen Tages können alle Gäste empfangen werden.
Alexander Kwitaschwili hat mit dieser Tradition gebrochen. Und zwar sehr abrupt. Gott gebe ihm den Mut, auch mit anderen unserer grandiosen Traditionen zu brechen, die direkt mit Korruption und der Plünderung des Staatshaushalts (d.h. das Geld der ukrainischen Steuerzahler) zusammenhängen. Minister Kwitaschwili hat kein eigenes Team. Einige beklagen, das sei schlecht. Ich bin mir sicher, dass es gut ist. Das verbleibende Team seiner zwei Vorgänger muss gehen. Kwitaschwili braucht unbedingt ein anderes, sein eigenes Team. Mit Juristen, Ökonomen und Managern, die unabhängig vom Gesundheitsministerium sind. Am besten ohne Ärzte. Oder zumindest nicht mehrheitlich aus Ärzten bestehend. Finanzen und Personalpolitik sind die wichtigsten – und gefährlichsten – Arbeitsbereiche des neuen Ministers.
Ich wage es, ein wichtiges, von den Beamten des Ministeriums wohlgehütetes Staatsgeheimnis zu lüften: die tatsächlichen Kosten der medizinischen Leistungen in unserem Gesundheitssystems kennt niemand! Sie wurden nie berechnet, aus verschiedenen Gründen. Man konnte und wollte es nicht. So ist es bequemer. So lässt sich der Staatshaushalt leichter unter sich aufteilen.
Es gibt noch andere „reizende“ Probleme, mit denen Herr Kwitaschwili und sein zukünftiges Team ihre Schwierigkeiten haben werden. So zum Beispiel die Unzahl von krakeelenden, aggressiven zivilgesellschaftlichen Organisationen, die von Pharma- und anderen Oligarchen unterhalten werden. Diese unersättlichen Abenteurer, von denen viele bereits ein ordentliches Vorstrafenregister haben, verdrängen mühelos und ungeahndet Patienten und deren Verwandte, die mit ihren echten Anliegen die Ausrichtung und Arbeit des Ministeriums beeinflussen wollen. Ein anderes, längst überfälliges Problem sind die sogenannten Hauptspezialisten (landesweite Oberärzte für verschiedene Verantwortungsbereiche), deren Status und Aufgaben unbedingt überprüft sowie deren Anzahl reduziert werden muss.
Wir sind ein armes Land. Um das festzustellen, braucht es nicht viel. Wir sind ein Land mit sehr vielen Milliardären, das gleichzeitig ein teures und ineffizientes Gesundheitssystem hat. Ein Land in dem es ungerechtfertigt viele Krankenhausbetten gibt. In der DDR sah es ganz genau so aus, wir waren schließlich „Bruderstaaten“. Nach der Wiedervereinigung musste Ostdeutschland sein Gesundheitssystem zu reformieren. Die Zahl der Krankenhäuser und Krankenhausbetten verringerte sich schrittweise. Wie sich herausstellte, verlangten viele Patienten nach ambulanter Diagnose und Behandlung. Bei der Reduzierung von Krankenhäusern und Betten wurde in Ostdeutschland übrigens mit den Psychiatrien angefangen. Vielleicht ist es auch hier Zeit damit anzufangen…?
Es gibt aber auch ein Problem, das nicht von Herrn Kwitaschwili abhängt. Es liegt im alleinigen Kompetenzbereich des Präsidenten der Ukraine. Dieses Problem liegt in den pervertierten Beziehungen zwischen dem SBU (Sicherheitsdienst der Ukraine) und dem Gesundheitsministerium. Wird sich Präsident Poroschenko dazu entscheiden, die korrupte Zusammenarbeit zwischen Offizieren des SBU und der Pharma-Mafia zu unterbinden? Und wird es ihm gelingen, den Einfluss des sogenannten „Aufsehers“, eine Mafia-Autorität in höchsten politischen Kreisen, abzustellen? Schließlich kommt der momentane „Aufseher“ ausgerechnet aus seinem Lager.
Das alles ist weit mehr als nur ein Glasperlenspiel. Eine Lösung – oder wenigstens eine Teillösung – dieser Probleme bestimmt die Einstellung der ukrainischen Bevölkerung zu ihrem Staat. Fortschritte im Gesundheitssystem wären ein wichtiges Argument für die Millionen unserer Mitbürger, die heute noch misstrauisch gegen Präsident Poroschenko und seine pro-europäische Strategie sind. Und damit auch gegen uns alle, die eben für diesen Präsidenten gestimmt haben.
8. Dezember 2014 // Semjon Glusman, Arzt, Mitglied des Kollegiums der ukrainischen Justizvollzugsverwaltung
Quelle: Lewyj Bereg
Forumsdiskussionen
Tombi in Wirtschaft • Re: Der Krieg raubt alle Ressourcen: Hat die grösste Stahlfabrik der Ukraine eine Zukunft?
„Stahlproduktion der Ukraine steigt 2024 um 31,2%, sagen Produzenten Am 10. Juni 2024 um 08:21 Uhr Die Ukraine hat in den ersten fünf Monaten des Jahres 2024 3,1 Millionen Tonnen Stahl produziert, 31,2%...“
Tombi in Wirtschaft • Re: Heikle Gespräche über russisches Gas
„Für einen wirklichen Vergleich solltest du die Erdgaspreise vom September 2021... Warum 2021? Ich sehe das nicht so, die Gaspreise sind erst im Februar 2022 gestiegen. Wer unbedingt den September 2021...“
Tombi in Politik • Re: Ukraine klagt über schlechte Munition aus dem Westen
„Handelsblatt hat nur einen "nicht abonnenten Blocker" dazwischen geschaltet. Ich kann diesen Artikel also nicht lesen. Aber: überall wird jemand versuchen seine Schrottmunition, 50 Jahre auf Lager gelegen,...“
Tombi in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Warum wird heiraten eigentlich so schwierig gemacht? Sollte doch reichen, wenn er nach Kiev reist, seine Papiere vorlegt, vielleicht noch übersetzen (3 Tage), und danach heiraten kann. Ansonsten muss...“
Tombi in Wirtschaft • Re: Heikle Gespräche über russisches Gas
„Östereich hat sich übrigens bereits kräftig in den A**ch gekniffen, denn Deutschlands Grosshandelspreise für Gas liegen heute 20% unter denen vor dem 24.02.2022. Da sieht man mal an, wie uns die Herren...“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„in der Tat. So geht das nicht. Das "Heiratsbüro" gibt kein grünes Licht, wenn die legale Einreise nicht überprüft wurde, was normal einige Wochen dauert. Dazu muss widerum die Eheschliessung angemeldet...“
MHG1023 in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Das die Ukraine einiges an Bodenschätzen hat, war mir bewußt und die Ukrainische Landwirtschaft hat auch für uns im Westen Relevanz. Sonnenblumenkerne zur Speiseölgewinnung waren bis Kriegsbeginn ein...“
Tombi in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Dadurch daß Rußland anscheinend auch die Russischsprachige Bevölkerung bombardiert und sie aus ihren Häusern und ihrer Heimat in der Ukraine treibt oder getrieben hat - ohne Rücksicht auf irgendwas/irgendwen...“
MHG1023 in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Ganz klar, in der Ukraine spricht man ukrainisch. Zuerst dachte ich "warum holt jemand diesen alten Thread wieder aus der Versenkung", aber ich denke die Situation hat sich zwar durch den Krieg nicht grundsätzlich...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Nochmals an die Kanzlei Ahrens.....da ich leider nur 26 Tage im Lande sein kann wird es schwierig die Zeit meiner Überprüfung etc. einhalten zu können. Meine Frage Hochzeit planen wir erst wenn das...“
Tombi in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„recherchiert und blicke nicht ganz dabei durch von wann meine 90 Tage in 180 gerechnet werden .... Ich war bei Polizei und Grenzschutz bei uns dort kannte sich keiner aus damit Was, wie wo? Du bist doch...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Hallo aus Aachen.....eine Frage Ich war 22 September 2023 bis 9 Oktober in der Ukraine Desweiteren vom 8 Dezember bis 7 Januar 2024 und vom 20 April bis 23 Mai und vom 16 August bis 14 September dort....habe...“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Bei Anreise Montag oder Dienstag, findet die Heirat Donnerstag oder Freitag derselben Woche statt. Natürlich werden die Unterlagen in der Zeit vorbereitet und Übersetzt. Nach der Hochzeit das Gleiche...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Hallo und danke für die Infos....wie lange würde es eurer Meinung nach dauern wenn ich euch für diesen Service in Anspruch nehmen würde?.....meine Unterlagen wären zu dem Zeitpunkt übersetzt und...“
Awarija in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Schöner Joke. Tatsachen wären mir aber lieber.“
Tombi in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„"Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts Kursk stimmten für den Anschluss zur Ukraine." Wäre mir ganz neu, hast Du Belege dafür ? Nein. hat...“
Awarija in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„"Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts Kursk stimmten für den Anschluss zur Ukraine." Wäre mir ganz neu, hast Du Belege dafür ?“
Tombi in Wirtschaft • Re: So gut verdient Rheinmetall an Munitionslieferungen für die Ukraine
„Natürlich ist Rheinmetall einer der Gewinner des Krieges: die Aktien dieser Fa. haben seit Kriegsanfang um 550% zugelegt. Mal zu dem Russophilen-Kriegsverlierer: Gazprom hat 2023 mit 6.5 Millarden USD...“
Tombi in Wirtschaft • Re: Heikle Gespräche über russisches Gas
„Ja, machen einige EU Länder, besonders Ungarn & Österreich, ein wenig auch die Slowakei. das wurde diesen auch erlaubt, weil sie 'rumstöhnten". Östereich hat sich übrigens bereits kräftig in...“
Tombi in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Das Putin Regime ist ja noch nicht einmal fähig genug Söldner mehr zu finden, um Kursk zu befreien. Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts...“
Gogol_3 in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Westliche Staaten sollten der Ukraine ermöglichen das techn. Knowhow das noch fehlt, bzw. entspr. Technologie, zukommen zu lassen. Dies sollte möglich sein ohne unangemessene Technik zu übergeben. Die...“
kurtus in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Westliche Staaten sollten der Ukraine ermöglichen das techn. Knowhow das noch fehlt, bzw. entspr. Technologie, zukommen zu lassen. Dies sollte möglich sein ohne unangemessene Technik zu übergeben.“
Gogol_3 in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Wir das jetzt die Ausrede um irgendwie doch westliche Waffen für Angriffe tief in russisches Territorium zu ermöglichen? Wird auch nichts bringen. Wer sich kürzlich die Rede von Lloyd Austin angehört...“
hahnben in Ukrinform • Re: Angriff auf Hochhaus in Charkiw: Sechs Tote, 99 Verletzte
„dramatisch! Eine Freundin lebt in Charkiv“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Ja, das ist so. Das war schon so lange der Fall, wie ich denken kann. Vor dem Krieg konnte man das aber auf 2-3 Tage verkürzen. Das war der Sinn, dieser sog. "Heiratsbüros", was in der Regel Kommunalunternehmen...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Hallo aus krementschuk..... mittlerweile mein 4ter Aufenthalt dort.....unsere heiratspläne rücken näher.....jetzt bin ich davon ausgegangen das ich nach übersetzung aller Papiere einen Heiratstermin...“
Anuleb in Allgemeines Diskussionsforum • Re: "Warum Putin kein Demokrat sein darf"
„Naja, das Experiment mit der Demokratie in Russland ist doch schon ziemlich böse in die Hose gegangen. Ein wenig sind die den gleichen Weg gegangen, den auch Deutschland nach dem 1. WW und seinen ersten...“