Die Schlangen vor dem polnischen Konsulat in Lwiw, wohin Arbeitsmigranten aus der gesamten Westukraine für Visa fahren, lösen sich nicht auf. Auch nach der Einführung einer Internetregistrierung für den Empfang im Konsulat in diesem Sommer, wurde es nicht leichter. Der Strom an Interessenten für den Erhalt eines polnischen Visums wächst mit jedem Mal nur weiter. Immer mehr Menschen möchten um zu arbeiten nach Polen gelangen und gerade fahren sie für die Apfelernte und für die Arbeit auf Baustellen hin.
Sogar wenn man die genaue Adresse des Generalkonsulats Polens in Lwiw nicht kennt, kann man es nicht verpassen. Bereits um neun Uhr morgens baut sich hier eine Schlange von einigen hundert Menschen auf. Weder der Umzug des Konsulats in ein größeres Gebäude (das im Volk bereits wegen der sowjetischen Architektur als „Mausoleum“ bezeichnet wird), noch die elektronische Registrierung von Visaanträgen haben die Schlangen verringert. Täglich empfängt das polnische Konsulat etwa anderthalbtausend Menschen, die Dokumente für den Visaerhalt einreichen. Ebenso viele Menschen kommen, um ihre Pässe abzuholen.
„Ich bitte darum, von mir keine Wunder zu erwarten. Ich bin nicht Harry Potter“, winkt der kommissarische Generalkonsul, Andrzej Drozd, auf die Frage ab, wann sich die Schlangen auflösen. Wie der Diplomat scherzt, könnten die Schlangen nur verschwinden, wenn er auf die Menschen ein Zaubertuch werfen könnte, welches sie unsichtbar macht. Doch sogar ein Zauberer wäre hier machtlos; zu viele Interessierte befinden sich in diesem Menschenauflauf.
Bevor ich es schaffe über die Straße zum Konsulat zu gehen, packt mich ein Bursche am Arm. „Wird ein Visum benötigt?“, fragt er. „Ich brauche eins, doch habe ich keine Einladung …“ „Das macht nichts, ich kann helfen. Ich benötige von Ihnen nur den Inlands- und den Auslandspass. Sie erhalten die bereits fertigen Dokumente. Ok, für die Einladung müssen wir etwa zwei Wochen warten“, erklärt der Bursche, der sich Andrej nennt.
Der Preis ist, falls sie bescheiden gekleidet sind, 150$ (bereits einschließlich der Visagebühr, die 35 Euro bei Schengenvisa oder 20 Euro bei einem Landesvisum, mit dem man nur nach Polen reisen kann, beträgt). Wenn sie gediegener aussehen, steigt der Preis auf 300$.
Für eine zusätzliche Zahlung kann man auch Arbeit für Sie suchen. Der Autorin dieser Zeilen versprach Andrej, sie als Zimmermädchen mit einem Lohn zwischen 600 und 700$ im Monat zu vermitteln.
Schlangen gibt es vor dem Konsulat gleich drei. Die erste besteht aus den Leuten, die ihre Dokumente abgeben, die zweite aus denjenigen, die ihre bereits fertigen Visa abholen. In jeder sind einige hundert Menschen. Die dritte Schlange ist die kleinste und besteht aus lediglich fünfzig Menschen. Das sind Leute aus der grenznahen 30-Kilometerzone, die für Passierscheine hergekommen sind, die im Rahmen des Vertrages über den kleinen Grenzverkehr ausgegeben werden.
Nikolaj aus dem Kreis Shydatschiw in der Oblast Lwiw steht bereits zum dritten Mal in der Schlange, um seinen Pass mit dem Visum zu erhalten. Der Mann musste um vier Uhr morgens aufstehen, damit er um acht in Lwiw ist (das Konsulat arbeitet ab um neun). „Ich dachte, wenn ich früher in der Schlange stehe, kann ich meine Dokumente früher abholen. Ich bin erst für um zwölf bestellt. Also muss ich hier noch eine geschlagene Stunde warten“, beschwert sich Nikolaj. Er hat sein eigenes Geschäft und das Visum benötigt er, um für Waren nach Polen zu fahren. Ein Teil der Leute hat sich angestellt, um polnischen Schengenvisa für Reisen in andere Länder Europas zu erhalten. Ich mache mich mit Oxana bekannt (vom Äußeren her ist sie etwa 50), die bereits ihr allererstes Visum im Leben in ihrem Auslandspass erhalten hat. Anfang September fährt die Frau nach Italien, um zu arbeiten, sie hat dort eine Tochter und einen Schwiegersohn. Sie sagt, dass es schwieriger ist ein Visum in der Botschaft Italiens oder Deutschlands zu bekommen und hat ein kurzfristiges Visum für Polen mit Hilfe von dortigen Verwandten bekommen: sie fährt vorgeblich auf Besuch zu ihnen.
Derweil erhebt sich in der anderen Schlange Geschrei. Eine junge Frau versucht nach vorn durchzugehen, dabei erklärend, dass sie ihren Antrag um 11.00 Uhr abgeben soll, wie es vereinbart ist. „Da hätte man früher aufstehen sollen. Wir sind hier seit sieben Uhr morgens!“ „Warum zum Teufel sitzen Sie hier seit um sieben herum? Hat man Sie dazu gezwungen? Man muss zu seinem Termin hier sein“, pariert die junge Frau. Sie hat recht. Wenn man sich im Internet registriert hat und den Antrag ausdruckt, gibt es auf diesem einen Strichcode und eine ungefähre Abgabezeit. Doch die Leute kommen so oder so drei bis vier Stunden früher und versuchen eher durchzukommen.
„Wo kann man in Polen Arbeit bekommen? Ich fahre zum ersten Mal, ich weiß nicht, wohin ich mich wenden kann“, trete ich an zwei Frauen heran, welche über die polnischen „Dienstherren“ diskutieren. „Fragen Sie die Fahrer, die nach Warschau fahren“, rät man mir. Die Fahrer der Linienbusse sind die besten Vermittler bei der Arbeitssuche. An diese wenden sich die Polen, die in Gewächshäusern oder Gärten Arbeit vergeben. Für die Apfel-, Tomaten- oder Paprikaernte zahlen sie 60-70 Złoty am Tag (etwa 25$). Der „Dienstherr“ stellt eine Wohnung und Essen bereit. Tatsächlich kann sich die Wohnung als Schuppen und das Essen als Trockenbrot mit Würstchen herausstellen.
„Ich war im Juni in den Erdbeeren. Wir lebten in einem Wohnheim und nicht auf dem Speicher, wie im letzten Jahr. Doch hat man uns schrecklich ernährt. Morgens Tee und belegte Brote, zu Mittag eine dürre Suppe mit Brot oder Ragout, zum Abendbrot Erdbeeren mit Sahne. Ich kann keine Erdbeeren mehr sehen“, seufzt Irina Petrowna, Krankenschwester aus Luzk. Sie verdiente fast 7.000 Złoty (21.000 Hrywnja, ca. 2.000 €) in zwei Monaten. In diesem Jahr gab es eine gute Ernte. Jetzt fährt sie zur Apfelernte.
„Wie, zweihundert? Wir haben uns doch auf 140 geeinigt! Wer glauben Sie, bin ich!”, wird unser Gespräch vom entrüsteten Ruf einer Frau unterbrochen. Sie ist schon bereit dem Mann mit der Geldbörse an die Kehle zu gehen. Er führt sie etwa weiter weg von der Schlange. „Das kommt öfters vor“, erklärt meine Gesprächspartnerin. „Sie versprechen das Visum für eine Summe und wenn die Dokumente bereits fertig sind, fordern sie mehr. Man muss zahlen, um den Pass zurückzuerhalten. Diejenigen, die oft reisen, kennen diese Betrüger bereits persönlich.“
Straßengeschäfte am Konsulat
Früher haben die Händler im Konsulat Plätze in der Schlange verkauft, jetzt verkaufen sie Hilfe bei der Internetregistrierung für die Abgabe der Dokumente. Die Nachfrage nach dieser Dienstleistung ist riesig, denn zur Arbeit nach Polen fahren viele aus den Dörfern, die vom Internet lediglich vage etwas gehört haben. Uns so müssen sie 70-100 Hrywnja (ca. 6-9 €) nur dafür zahlen, dass ihre Daten in das elektronische Formular eingetragen und dann ausgedruckt werden.
Der Platz vor dem Konsulat ist bereits mit Autos und Kiosken vollgestellt, an denen man Versicherungspolicen kaufen und Fotos machen kann. Doch das Hauptgeschäft ist die Visaausstellung mit gefälschten Einladungen sogar ohne Erscheinen im Konsulat.
Beim polnischen Konsulat ist man überzeugt davon, dass die ukrainischen Ordnungskräfte die Visa-Mafia, die hier seit langem vor Ort ist, bekämpfen soll. Bei der Miliz sagt man, dass sie systematisch Razzien beim Konsulat durchführen. Bis zur Einführung der Internetregistrierung wurden hier nicht nur einmal Händler festgenommen, die mit Plätzen in der Schlange handelten. Doch jemanden beim Visahandel zu fassen, ist schwierig: dafür muss man jemanden entweder bei der Tat fangen oder nach Anzeigen einiger Opfer festnehmen, doch niemand der Arbeitsmigranten macht, verständlicherweise, so eine Anzeige.
1. September 2011 // Sofia Glebowizkaja, Olga Galetschko
Quelle: Segodnja
Forumsdiskussionen
Tombi in Wirtschaft • Re: Heikle Gespräche über russisches Gas
„Für einen wirklichen Vergleich solltest du die Erdgaspreise vom September 2021... Warum 2021? Ich sehe das nicht so, die Gaspreise sind erst im Februar 2022 gestiegen. Wer unbedingt den September 2021...“
Tombi in Politik • Re: Ukraine klagt über schlechte Munition aus dem Westen
„Handelsblatt hat nur einen "nicht abonnenten Blocker" dazwischen geschaltet. Ich kann diesen Artikel also nicht lesen. Aber: überall wird jemand versuchen seine Schrottmunition, 50 Jahre auf Lager gelegen,...“
Tombi in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Warum wird heiraten eigentlich so schwierig gemacht? Sollte doch reichen, wenn er nach Kiev reist, seine Papiere vorlegt, vielleicht noch übersetzen (3 Tage), und danach heiraten kann. Ansonsten muss...“
Tombi in Wirtschaft • Re: Heikle Gespräche über russisches Gas
„Östereich hat sich übrigens bereits kräftig in den A**ch gekniffen, denn Deutschlands Grosshandelspreise für Gas liegen heute 20% unter denen vor dem 24.02.2022. Da sieht man mal an, wie uns die Herren...“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„in der Tat. So geht das nicht. Das "Heiratsbüro" gibt kein grünes Licht, wenn die legale Einreise nicht überprüft wurde, was normal einige Wochen dauert. Dazu muss widerum die Eheschliessung angemeldet...“
MHG1023 in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Das die Ukraine einiges an Bodenschätzen hat, war mir bewußt und die Ukrainische Landwirtschaft hat auch für uns im Westen Relevanz. Sonnenblumenkerne zur Speiseölgewinnung waren bis Kriegsbeginn ein...“
Tombi in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Dadurch daß Rußland anscheinend auch die Russischsprachige Bevölkerung bombardiert und sie aus ihren Häusern und ihrer Heimat in der Ukraine treibt oder getrieben hat - ohne Rücksicht auf irgendwas/irgendwen...“
MHG1023 in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Ganz klar, in der Ukraine spricht man ukrainisch. Zuerst dachte ich "warum holt jemand diesen alten Thread wieder aus der Versenkung", aber ich denke die Situation hat sich zwar durch den Krieg nicht grundsätzlich...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Nochmals an die Kanzlei Ahrens.....da ich leider nur 26 Tage im Lande sein kann wird es schwierig die Zeit meiner Überprüfung etc. einhalten zu können. Meine Frage Hochzeit planen wir erst wenn das...“
Tombi in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„recherchiert und blicke nicht ganz dabei durch von wann meine 90 Tage in 180 gerechnet werden .... Ich war bei Polizei und Grenzschutz bei uns dort kannte sich keiner aus damit Was, wie wo? Du bist doch...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Hallo aus Aachen.....eine Frage Ich war 22 September 2023 bis 9 Oktober in der Ukraine Desweiteren vom 8 Dezember bis 7 Januar 2024 und vom 20 April bis 23 Mai und vom 16 August bis 14 September dort....habe...“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Bei Anreise Montag oder Dienstag, findet die Heirat Donnerstag oder Freitag derselben Woche statt. Natürlich werden die Unterlagen in der Zeit vorbereitet und Übersetzt. Nach der Hochzeit das Gleiche...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Hallo und danke für die Infos....wie lange würde es eurer Meinung nach dauern wenn ich euch für diesen Service in Anspruch nehmen würde?.....meine Unterlagen wären zu dem Zeitpunkt übersetzt und...“
Awarija in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Schöner Joke. Tatsachen wären mir aber lieber.“
Tombi in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„"Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts Kursk stimmten für den Anschluss zur Ukraine." Wäre mir ganz neu, hast Du Belege dafür ? Nein. hat...“
Awarija in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„"Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts Kursk stimmten für den Anschluss zur Ukraine." Wäre mir ganz neu, hast Du Belege dafür ?“
Tombi in Wirtschaft • Re: So gut verdient Rheinmetall an Munitionslieferungen für die Ukraine
„Natürlich ist Rheinmetall einer der Gewinner des Krieges: die Aktien dieser Fa. haben seit Kriegsanfang um 550% zugelegt. Mal zu dem Russophilen-Kriegsverlierer: Gazprom hat 2023 mit 6.5 Millarden USD...“
Tombi in Wirtschaft • Re: Heikle Gespräche über russisches Gas
„Ja, machen einige EU Länder, besonders Ungarn & Österreich, ein wenig auch die Slowakei. das wurde diesen auch erlaubt, weil sie 'rumstöhnten". Östereich hat sich übrigens bereits kräftig in...“
Tombi in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Das Putin Regime ist ja noch nicht einmal fähig genug Söldner mehr zu finden, um Kursk zu befreien. Übrigens, dort ging am Wochenende ein Referendum durchgeführt und 97.5 % der Einwohner des Oblasts...“
Gogol_3 in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Westliche Staaten sollten der Ukraine ermöglichen das techn. Knowhow das noch fehlt, bzw. entspr. Technologie, zukommen zu lassen. Dies sollte möglich sein ohne unangemessene Technik zu übergeben. Die...“
kurtus in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Westliche Staaten sollten der Ukraine ermöglichen das techn. Knowhow das noch fehlt, bzw. entspr. Technologie, zukommen zu lassen. Dies sollte möglich sein ohne unangemessene Technik zu übergeben.“
Gogol_3 in Politik • Re: Wird die Ukraine bald eigene Raketen produzieren?
„Wir das jetzt die Ausrede um irgendwie doch westliche Waffen für Angriffe tief in russisches Territorium zu ermöglichen? Wird auch nichts bringen. Wer sich kürzlich die Rede von Lloyd Austin angehört...“
hahnben in Ukrinform • Re: Angriff auf Hochhaus in Charkiw: Sechs Tote, 99 Verletzte
„dramatisch! Eine Freundin lebt in Charkiv“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Ja, das ist so. Das war schon so lange der Fall, wie ich denken kann. Vor dem Krieg konnte man das aber auf 2-3 Tage verkürzen. Das war der Sinn, dieser sog. "Heiratsbüros", was in der Regel Kommunalunternehmen...“
Trick in Recht, Visa und Dokumente • Re: Heirat und nachfolgende Auswanderung
„Hallo aus krementschuk..... mittlerweile mein 4ter Aufenthalt dort.....unsere heiratspläne rücken näher.....jetzt bin ich davon ausgegangen das ich nach übersetzung aller Papiere einen Heiratstermin...“
Anuleb in Allgemeines Diskussionsforum • Re: "Warum Putin kein Demokrat sein darf"
„Naja, das Experiment mit der Demokratie in Russland ist doch schon ziemlich böse in die Hose gegangen. Ein wenig sind die den gleichen Weg gegangen, den auch Deutschland nach dem 1. WW und seinen ersten...“
Tombi in Allgemeines Diskussionsforum • Re: "Warum Putin kein Demokrat sein darf"
„Na, wer da noch einen Willen nach dem Nawalny MOrd noch erkennt, ist wohl blind.“
Tombi in Allgemeines Diskussionsforum • Re: Wie sollte in der Ukraine mit den Sprachen umgegangen werden?
„Ganz klar, in der Ukraine spricht man ukrainisch.“