Originalantworten von Andreas Umland auf die Fragen des WDR zu einer TV-Diskussion am 8.September 2014
1.) Anna Rose kann nicht erkennen, dass Russland tatsächlich Konfliktpartei in der Ukraine-Krise ist. Für die Journalistin handelt es sich „lediglich“ um einen Bürgerkrieg innerhalb der Ukraine. Geht man tatsächlich zu weit, Russland als Konfliktpartei in diesem Krieg zu bezeichnen?
Die Beweislage für eine staatliche bzw. staatlich geförderte russische Involvierung in die so genannte „Ukraine-Krise“ ist inzwischen erdrückend. Videoaufnahmen, Satellitenbilder, Aussagen russischer Kriegsgefangener, Korrespondentenberichte usw. finden sich zuhauf im WWW. Offizielle Erklärungen, dass russische Soldaten sich in die Ukraine „verlaufen“ hätten oder sich dort mit ihrer Militärtechnik „im Urlaub“ befänden, würden nur noch Zyniker angesichts tausender Toter, Verschollener, Verstümmelter, Verletzter, Entwurzelter, Verarmter, Traumatisierter usw. als amüsant empfinden. Insbesondere vor dem Hintergrund der nach ihren Söhnen suchenden oder bereits um diese trauernden russischen Soldatenmütter, verwundert Frau Roses Aussage. Selbst die russischen Staatsmedien haben bereits den Tod russischer Soldaten in der Ukraine berichtet. Man erinnere sich zudem: Während der Krimoperation im Frühjahr 2014, erklärte Putin, dass die auf der Halbinsel aktiven so genannten „grünen Männchen“ oder „freundlichen Menschen“ ohne Hoheitsabzeichen womöglich ihre einheitlichen Uniformen im Supermarkt gekauft hätten. Im Nachhinein gab Putin zu, dass russische Soldaten an der Besetzung der Krim beteiligt waren.
2.) Fritz Pleitgen sagt, der Westen sei leichtfertig mit den Befindlichkeiten der Russen umgegangen, als es Bestrebungen gab, die Ukraine mit einem Assoziierungsabkommen näher an die EU zu binden. Diese radikale Änderung des „Status Quo“ habe Putin letztlich zu seiner Ukraine-Politik gezwungen. War der Westen hier wirklich zu voreilig?
Dies ist nicht nur eine irreführende Darstellung der Ukrainepolitik der EU, sondern auch eine Fehlinterpretation genereller Dynamiken und Auswirkungen der EU-Aufnahme- und Assoziierungspolitik in Osteuropa. Weder die EU noch die NATO sind Organisationen, die desorientierte Staaten mit Assoziierungs- oder Mitgliedschaftsangeboten einzufangen versuchen. Es war nicht die EU, die die Ukraine mit einem Abkommen lockte. Vielmehr bemüht sich die Ukraine seit Erlangung ihrer Unabhängigkeit um Beteiligung an der europäischen Integration. Dies geschah öffentlich und muss in Moskau bekannt gewesen sein. Bereits in einer der ersten Deklarationen des Parlaments der damals noch formal zur UdSSR gehörenden Ukraine vom Dezember 1991 beauftragten die Rada-Abgeordneten die ukrainische Regierung, ihre „Anstrengungen darauf zu richten, dass die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik direkt am generellen europäischen Prozess und an den europäischen Strukturen teilnimmt“. In den vergangenen gut 20 Jahren haben alle ukrainischen Präsidenten, Regierungen und Parlamente – auch während der relativ prorussischen Janukowitsch-Herrschaft 2010-2014! – ihr Ziel einer EU-Vollmitgliedschaft der Ukraine wiederholt und nachdrücklich deklariert. Nach der zunächst erfolgreichen Orange Revolution im Jahr 2004 erwarteten viele Politiker und Intellektuelle der Ukraine die Offerierung einer langfristigen und an Bedingungen geknüpften, aber doch klaren und offiziellen Mitgliedschaftsperspektive aus Brüssel. Ähnlich Erwartungen hegen die Georgier und Moldauer seit Jahren. Anstatt einer Mitgliedschaftsperspektive offerierte die EU diesen Staaten lediglich Assoziierungsabkommen ohne Beitrittsversprechen. Dies war für die Ukraine die nur zweitbeste Lösung und hätte eigentlich für Russland nicht nur akzeptabel, sondern sogar wünschenswert sein müssen.
Mehr noch: In der politischen Rhetorik des Kremls, in akademischen und Intellektuellendiskussionen in Moskau sowie in Meinungsumfragen der russischen Bevölkerung erschien die EU bis vor kurzem als Partner und Freund oder zumindest als nicht bedrohlich. Erst in den letzten Jahren begannen die staatlichen Medien auch die EU mehr und mehr zu kritisieren und mit der NATO in Verbindung zu bringen. Tatsächlich ist die EU kein Militärbündnis, und nicht alle EU-Mitglieder sind auch NATO-Mitglieder. Die Ukraine hat zudem nicht einmal eine langfristige klare Perspektive zu einem Beitritt zur europäischen Wirtschafts- und Wertegemeinschaft, die sich bis vor kurzem noch um Annäherung auch an Russland bemühte. Selbst wenn man Verständnis für die postimperialen russischen Phantomschmerzen hat. Die sich bereits im Sommer 2013 während eines fünftägigen Handelsboykotts gegen die Ukraine andeutende aggressive Reaktion des Kremls auf das Assoziierungsabkommen ist völlig überzogen.
3.) Peter Altmeier ist überzeugt, dass die Krise in der Ukraine keine vier Jahre andauern wird. Er ist sicher, dass die Sanktionen ihre Wirkung sehr viel schneller entfalten werden und zu einer Lösung beitragen werden. Ist seine Hoffung gerechtfertigt?
Herrn Altmeiers Hoffnung kann man nur unterstützen. Allerdings ist zu befürchten, dass es keinen prinzipiellen Politikschwenk geben wird, solange Putin an der Macht ist. Es wird wahrscheinlich früher oder später Reaktionen des Kremls auf die Sanktionen geben, aber eine Rückgabe etwa der Krim an die Ukraine erscheint fürs erste unwahrscheinlich. Putins Herrschaft kann noch viele Jahre dauern. Aber sie könnte auch schneller vorüber sein, als man sich dies jetzt vorstellen mag. Es ist nicht klar, ob und welchen Politikschwenk es nach seiner Ablösung geben wird. Die unklare politische Zukunft Russlands hängt von derart vielen Faktoren ab, dass eine plausible Vorhersage über das Wann, Wie und Wohin eines prinzipiellen Gesinnungswechsels in Moskau kaum zu machen ist. Ich stimme jedoch mit Herrn Altmeier überein, dass es irgendwann eine Lösung geben wird.
4.) Für Peter Altmeier steht fest, dass die Demokratisierung in Russland, auf die nach Ende des Kommunismus so große Hoffnungen gesetzt wurden, ins Stocken geraten ist. Im Gegenteil: Das Bestreben von Freiheit und Pluralismus habe sich in Russland in den vergangenen Jahren sogar rückwärts entwickelt. Hat er recht? (Bzw.: Ist die Demokratisierung in Russland sogar gescheitert?)
Ja, man konnte bereits vor etlichen Jahren unumwunden feststellen, dass die Zweite Russische Republik – wie auch die Erste vom Februar bis Oktober 1917 – gescheitert ist. Die Lebenszeit der postsowjetischen Protodemokratie würde ich für den Zeitraum 1991-2005 ansetzen. Es waren die heftigen innenpolitischen Reaktionen des Kremls auf die ukrainische Orange Revolution vom Oktober-Dezember 2004, die die bereits seit 1999 stattfindende schrittweise Unterwanderung der russischen Protodemokratie 2005 noch einmal beschleunigten. Trotzdem bis heute formaldemokratische Institutionen, wie Parteien, Parlamente und Wahlen, in Russland existieren, ist deren Rolle bzw. Funktion im russischen politischen System derart ausgehöhlt, dass von Demokratie – auch von „souveräner“, „östlicher“, „administrativer“ usw. – keine Rede mehr sein kann.
Das Talkshow-Video: http://www1.wdr.de/daserste/hartaberfair/videos/videowladimirputindergefaehrlichstemanneuropas100.html
Der Faktencheck beim WDR: http://www1.wdr.de/themen/politik/faktencheck384.html
Forumsdiskussionen
Bernd D-UA in MDR • Re: Ukraine: Trotz Krieg Touristen
„@lev dann wünsche ich Dir eine gute Reise, es war sehr schön in LVIV, muss unbedingt nochmals so eine Rundreise machen. Ich habe so wundervolle Menschen kennengelernt, ich bin zutiefst beeindruckt! Es...“
lev in MDR • Re: Ukraine: Trotz Krieg Touristen
„Danke Bernd für deine Eindrücke. Ich fahre Ende Mai wieder für mehrere Wochen nach Lviv. Nicht um Urlaub zu machen, sondern in unsere Wohnung. Hatte sie ja vor dem Krieg, aufwendig saniert und möchte...“
Bernd D-UA in MDR • Re: Ukraine: Trotz Krieg Touristen
„Hallo liebe Forengemeinde und Mitleser, ich bin gerade auf einem Kurztripp durch die Ukraine. Es ist wunderschön wieder hier zu sein. Es fehlen die Touristen, gestern habe ich einen persönlichen und...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Kurzer Bericht, hab dann doch den Wachwechsel erwischt, bei den Polen ging dann bestimmt 45 Minuten gar nix. Und dann wurde in zwei Schüben eingelassen, ich finde, dann ging es in einem guten Tempo voran....“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Bin jetzt da, 10 PKW vor mir, das ist akzeptabel, ist ja auch der 1.Mai. Bin zufrieden mit der Situation. @Frank Fahre immer noch ein schwarzes Auto... kennst doch meine Erfahrung mit der Polizei in UA...Kaffeebraun...“
Frank in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Probier doch einfach. Wenn der offen ist doch alles ok. Bin da glaube mal zurück drüber gefahren. War dann nur eine ewige Kurverei bis zur A4. Bin da aber eh erstmal bis Krakau. Kann natürlich auch...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Schade, dass es keine Info´s zu Zosin gibt, wer aber noch was weiß, bitte schreiben, ich fahre jetzt in 30 Minuten los und kann immer noch in ca. 10h bei einem Stopp nochmals nachlesen. Google Maps schickt...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Diesen Grenzübergang hatte ich schon auf dem Schirm, kenne ihn nur noch nicht. Kann jemand noch etwas zu Zosin sagen, wäre ja auch machbar oder lieber nicht? Vielen Dank Bernhard.“
bernhard1945 in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Hallo Bernd Es hängt etwas davon ab, wohin Du in Ukraine fahren möchtest. So wie es scheint möchtest Du (wie ich normalerweise) in Richtung Kiew fahren. Ich benütze deshalb seit Jahren den Übergang...“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Ergänzend, möchte nach Luzk fahren, ist ja sicherlich nicht uninteressant für einen Ratschlag.“
Bernd D-UA in Berichte und Reisetipps • Re: An welchem Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine geht es am schnellsten?
„Möchte morgen über Nacht in die Ukraine fahren und plane die Ankunft an der Grenze sehr früh am Morgen. Fahre entweder über Polen oder ggf. über Tschechien, je nachdem was google maps empfiehlt. Normalerweise...“
Ahrens in Recht, Visa und Dokumente • Re: Visa D14
„Das ist ein simples D-Visum, wie man es auch in Deutschland für die Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung braucht. Man benötigt dazu keine Mindestaufenthaltszeit. Auch bei der Aufenthaltserlaubnis...“
JohannesTim in Berichte und Reisetipps • Mit dem Zug in die Ukraine
„Zunächst möchte ich sagen, daß die PKP für die Sitzplatzzüge, die zum Beispiel von Kattowitz bis nach Przemysl fahren, die Preise nicht erhöht hat. Allgemein gilt die Polnische Staatsbahn eher als...“
MHG1023 in Berichte und Reisetipps • Re: Mit dem Zug in die Ukraine
„"Warum verlangt die PKP von den Fahrgästen solch einen Preis ?" - Weil sie es können ... Die Nachfrage dürfte weiter hoch sein und weil es keine vergleichbaren Alternativen gibt (Buslinien über Nacht...“
JohannesTim in Berichte und Reisetipps • Re: Mit dem Zug in die Ukraine
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Trick in Recht, Visa und Dokumente • Visa D14
„Hallo..... Ich benötige nochmals euer Schwarmwissen.... Bin seit Dezember letzten Jahres in der Ukraine verheiratet worden Jetzt meine Frage.....ich habe auf der Seite der ukrainischen Botschaft einen...“