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Ukraine erneut zwischen Europäischer Union und Russland?

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Die Ukraine wird erneut intensiv mit zwei konkurrierenden Integrationsangeboten seitens der Europäischen Union und Russlands konfrontiert und muss sich wie auch früher für eine Richtung der künftigen Integration entscheiden. Diesmal geht es um wirtschaftliche Aspekte der Integration, doch in diesem geopolitischen Kampf geht es um viel mehr als nur um Wirtschaft.

Von Dr. Kyryl Savin und Andreas Stein

Am 12. April weilte der russische Premierminister Wladimir Putin für einen Arbeitsbesuch in Kiew. Der Besuch war von russischer Seite als Wendepunkt in der „geopolitischen Orientierung“ der Ukraine angekündigt worden. Im Endergebnis wurde Wladimir Putin ein weiteres Mal indirekt zu verstehen gegeben, dass die derzeitige ukrainische Regierung andere außenpolitische Prioritäten hat und es kein Zurück in die UdSSR mehr gibt.

Ziel des Besuches war es, von der ukrainischen Seite klare Zusagen zur Integration der Ukraine in die Zollunion von Russland, Kasachstan und Belarus zu erreichen. Dem stehen jedoch die Bemühungen der ukrainischen Außenpolitik zum Abschluss des Assoziierungsabkommens einschließlich Freihandelszone und Visafreiheit mit der Europäischen Union in diesem Jahr entgegen. Allen Verlautbarungen von offizieller Seite zufolge sind sowohl die Europäische Union als auch die Ukraine fest entschlossen das Assoziierungsabkommen bis zum Ende dieses Jahres zu unterzeichnen. Als Zeitpunkt bietet sich der Ukraine-EU-Gipfel im Dezember in Kiew an, wobei die Janukowytsch-Administration gleichzeitig gedenkt, diesen außenpolitischen Erfolg mit in den Wahlkampf zur Parlamentswahl im Oktober 2012 zu nehmen.

Die Ukraine als Mittel im russischen Wahlkampf?

Der russische Vorstoß erfolgt offensichtlich auch angesichts der Befürchtungen, jetzt erneut nach dem zwischenzeitlichen Erfolg der Wahl eines weniger russlandfeindlich gesinnten ukrainischen Präsidenten in der Ukraine wieder an Boden zu verlieren. Die Ukraine ist weiterhin ein wichtiges Gebiet für Expansionen des russischen (Staats-)Kapitals und ein wichtiger Abnehmer russischer Waren und vor allem von Rohstoffen. Zudem spielen innerrussische Machtkämpfe eine große Rolle bei den derzeitigen außenpolitischen Initiativen von Wladimir Putin. Er möchte anscheinend vor den Wahlen zur Duma im Dezember 2011 durch die Anbindung der Ukraine einen außenpolitischen Erfolg bei der erneuten „Sammlung der russischen Erde“ vorweisen und sich damit letztendlich als „Kandidaten“ für die Präsidentschaftswahl im März 2012 empfehlen. In der ukrainischen Presse wurden hierzu bereits wieder Anspielungen auf die Geschichte des Machtkampfes zwischen Peter I. und seiner Schwester Sophia gemacht, der letztendlich durch die Unterstützung des ukrainischen Hetmans Iwan Masepa zu Gunsten des Ersteren entschieden wurde. Bislang neigt Präsident Janukowytsch eher Medwedjew zu, mit dem er die Charkiwer Verträge unterzeichnet hat, die den Aufenthalt der russischen Schwarzmeerflotte bis wenigstens 2042 ermöglichen.

Mit der Integration in die Zollunion werden der Ukraine, wie bereits 2003 beim Beitrittsangebot zum „Einheitlichen Wirtschaftsraum“, dauerhaft verbilligte Energielieferungen und eine daraus folgenden Stabilisierung der Wirtschaft in Aussicht gestellt. Darüber hinaus sollen Handelsbeschränkungen abgebaut werden. Der ukrainischen Führung ist aber die Unwahrscheinlichkeit des Einlösens dieser Versprechen durchaus klar. Beispielsweise wurden im Dezember 2011 ukrainische Röhren von Putin in seiner Fragestunde „Gespräch mit Wladimir Putin“ noch als Hauptkonkurrenten für die russischen Produzenten bezeichnet. Darüber hinaus gab es im letzten Jahr bei der Wiederaufnahme der Kooperation in der Produktion von Flugzeugen des Typs Antonow einen längeren Konflikt um den Motorenlieferanten, der erst spät zugunsten des ukrainischen Herstellers gelöst wurde. Es ist somit recht unwahrscheinlich, dass Handelsbeschränkungen nach dem Beitritt zur Zollunion fallen werden und Konflikte bei konkurrierenden Produkten zugunsten der ukrainischen Seite gelöst werden. Die Erfahrungen mit dem seit 1993 formal bestehenden Freihandelsabkommen zwischen Russland und der Ukraine und dabei immer wieder auftretenden Handelskriegen bei Milch-, Fleisch- und Metallprodukten liefern einen Beleg für das Gegenteil.

Kaum ernsthafte Vorteile durch die Zollunion für die Ukraine

Selbst die versprochene Senkung der Preise für Energielieferungen wurde bereits am Beispiel des Mitgliedes der Zollunion Belarus widerlegt. Belarus zahlt im zweiten Quartal 244$ für tausend Kubikmeter Erdgas. In der Ukraine sind es derweil 280$, da Erdgas nach den Verträgen von Charkiw vom April 2010 faktisch bereits zollfrei in die Ukraine geliefert wird. Ein recht marginaler Vorteil für die mit dem Beitritt verbundene Abgabe von Hoheitsrechten, denn in dem bestehenden Abkommen mit Kasachstan und Belarus behält sich Russland 87,97 Prozent der Zolleinnahmen vor. Ein Beitritt der Ukraine würde für diese damit faktisch den Verzicht auf einen Großteil der Haushaltseinnahmen bedeuten. 2010 steuerte der Zoll mit 85,9 Mrd. Hrywnja (ca. 8,16 Mrd. Euro) 33 Prozent zum ukrainischen Staatshaushalt bei. Außerdem beabsichtigt selbst Gasprom bis zum 1. Januar 2015 die innerrussischen Gaspreise an das Weltmarktniveau anzupassen. Demnach sind Versprechungen von günstigen Energielieferungen zu _„innerrussischen“ Preisen nicht mehr als Vorteil für einen Beitritt anzusehen. Der letztjährige Konflikt um die Erdöllieferungen nach Belarus belegt zudem, dass Russland die Zollunion eher als politisches Machtinstrument denn als wirtschaftliche Partnerschaft ansieht.

Ein weiteres Problem bei einem Beitritt zur Zollunion besteht in der Mitgliedschaft der Ukraine in der WTO, deren Auflagen nicht zur Gänze mit der Zollunion vereinbar sind. Russland, Belarus und Kasachstan, die noch keine WTO-Mitglieder sind, könnten gemeinsam, ohne Sanktionen zu befürchten, Schutzzölle gegenüber WTO-Mitgliedern durchsetzen, die wiederum Strafen für die Ukraine nach sich ziehen würden. Der aufgrund der vorgetragenen Bedenken der ukrainischen Führung erfolgte Vorschlag Russlands, doch aus der WTO auszutreten und dann gemeinsam nach einem Beitritt zur Zollunion mit den anderen Mitgliedern erneut in die WTO einzutreten, stieß aufgrund der Absurdität des Unterfangens auch auf sofortige Ablehnung der ukrainischen Regierungsvertreter.

Europäischer Markt wesentlich attraktiver als Zollunion

Allein von der Größe der Märkte her hat das Angebot für den Beitritt zur Zollunion erhebliche Nachteile. Die Zollunion mit 167 Mio. Einwohnern und einem Bruttoinlandsprodukt nach Kaufkraftparitäten von 1,4 Bio. $ (14.500$ pro Kopf, alles 2009) kann nur schwerlich mit dem Markt der Europäischen Union als größtem Wirtschaftsraum der Welt mit einem Bruttoinlandsprodukt nach Kaufkraftparitäten in Höhe von 15,2 Bio. $, 501 Mio. Einwohnern und einem Pro-Kopf-Einkommen nach Kaufkraftparitäten von 30.494$ mithalten (alle Daten 2010).

Hinzu kommt die technologische Komponente: Russland, Kasachstan und Belarus, die ähnlich rückständig wie die Ukraine sind, werden kaum zu einer Modernisierung der Ukraine beitragen können: weder durch Technologietransfer noch durch Kapitaltransfer in Form von Direktinvestitionen. Im Gegenteil: Insbesondere für Russland ist der Beitritt der Ukraine zur Zollunion als aufschubgewährendes Element für eine erforderliche eigene Modernisierung zu sehen. Die Ukraine als stabiler Absatzmarkt für russische Rohstoffe und Maschinen garantieren russischen (Staats-)Unternehmen Einnahmen aus diesen Verkäufen, die für ein „weiter so, wie bisher“ genutzt werden könnten.

Innerhalb der Regierung der Ukraine sieht man deshalb auch keine ernsthafte Alternative zur europäischen Integration. Man bemüht sich aber diplomatisch zu bleiben und den östlichen Nachbarn nicht zu ärgern. Technologien und notwendiges Kapital sind lediglich in der Europäischen Union zu finden und die Ukraine hat einen ungeheuren Modernisierungsbedarf. Letztendlich können Energieeinsparung, erneuerbare Energien und alternative Gasfördertechnologien aus Europa auch die energetische Abhängigkeit von Russland mindern helfen. Und das ist der ukrainischen Führung und den hinter ihnen stehenden Wirtschaftskonglomeraten durchaus klar. Auch wenn es vielleicht auf kurze Sicht Vergünstigungen beim Import von Energieträgern geben sollte.

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Die von russischer Seite angestrebte „weitere Integration“ in den „Einheitlichen Wirtschaftsraum“, die neben der Abgabe der Zollrechte, auch weitere Aufgabe hoheitlicher Rechte, wie der Währung und sukzessive der Steuer- und Gesetzgebung, nach sich ziehen würde, wird daher auch kaum noch von ukrainischer Seite diskutiert. Auch wenn der ukrainische Premierminister Mykola Asarow sich auch noch nach seinem Amtsantritt vor allen Dingen für die russische Seite positiv hierzu geäußert hatte. Die maßgeblichen Stellen in der Präsidialadministration und im Außenministerium der Ukraine haben offenbar ihre Wahl getroffen.

Russland hat kaum reale Druckmittel

Von russischer Seite her gibt es nur wenige glaubhafte Drohungen, mit denen die Ukraine unter Druck gesetzt werden kann. Erdgas und Erdöl kann Russland nicht einfach so an jemand anderen verkaufen. Und diese stellen über die Hälfte der Importe aus der Russischen Föderation dar (2010: Erdgas für 9,2 Mrd. $ und Erdöl für etwa 4 Mrd. $). Die Ukraine ist per Vertrag bis 2020 zu einer jährlichen Abnahme von 41,6 Mrd. Kubikmetern Gas verpflichtet, auch wenn diese Verpflichtung bisher in jedem Jahr vertraglich ausgesetzt wurde. Zudem läuft noch (ab Herbst 2011 wird die Inbetriebnahme des ersten Strangs von Nord-Stream diese Konstellation etwas ändern) der Großteil des Erdgastransits in die Europäische Union über die Ukraine, womit bei einem Konflikt auch von ukrainischer Seite weiterhin ein großes Druckmittel existiert. Dies stellt auch eine der Hauptsorgen der Europäischen Union dar, die bei den Verhandlungen zum Assoziierungsabkommen auf Transitgarantien für Erdgas besteht, welche im Zweifelsfalle auch sanktionierbar sein sollen. Dagegen sträubt sich die Ukraine aus ihren bisherigen Erfahrungen mit der russischen Seite aus gutem Grunde.

Im Atombereich könnte Russland ebenfalls mit der Unterbrechung der Lieferung von Brennstoffkassetten drohen, doch ist auch hier die Ukraine als Absatzmarkt essentiell, sodass die russische Führung wohl kaum zu diesem Mittel greifen wird.

Ein weiteres Druckmittel wäre eine mögliche Behinderung des Zugangs ukrainischer Arbeitsmigranten (derzeit ca. 2 Mio.) zum russischen Arbeitsmarkt beispielsweise über eine Aussetzung der Visafreiheit. Damit könnten Präsident Janukowytsch im Gebiet seiner Kernwählerschaft in den an Russland angrenzenden Regionen der Ukraine größere Probleme bereitet werden. Jedoch sind die nächsten Wahlen in der Ukraine erst im Oktober 2012 und der erfolgreiche Abschluss des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union würde in der mittelfristigen Perspektive auch die Visafreiheit für Ukrainer bedeuten, die damit einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt der Europäischen Union hätten und schon allein aufgrund der Einkommensunterschiede zwischen Europäischer Union und Russischer Föderation auftretende Einkommensverluste in erheblichem Maße kompensieren könnten.

Russland droht jedoch ebenfalls im Falle der Schaffung der Freihandelszone mit der Europäischen Union Zollschranken für Waren zu errichten, deren Herkunft nicht genau geklärt werden kann. Die Befürchtung der russischen Seite besteht in der Umdeklarierung der Herkunft von Waren EU-Ursprungs und damit die Umgehung von russischen Einfuhrbeschränkungen über die Ukraine. Dabei wären insbesondere landwirtschaftliche Waren betroffen, da nur schwer feststellbar ist, wo Weizen oder Hähnchenschenkel produziert wurden. In diesem Punkte könnte die Ukraine empfindlich getroffen werden. Über zeitweilig verhängte Importstopps versucht die russische Seite auch offensichtlich den Verhandlungsprozess mit der Europäischen Union zu sabotieren. Pünktlich zu neuen Verhandlungsrunden monierte Hygienemängel ukrainischer Erzeugnisse sollen den europäischen Beamten ein klares Signal geben.

Ein weiterer Bereich ist die ukrainische Metallindustrie, deren Export zu einem großen Teil in die Russische Föderation geht, jedoch bereits jetzt schon Einschränkungen unterliegt. Diese Quoten könnten von Russland nach der Einrichtung der Freihandelszone zwischen der EU und der Ukraine weiter verringert werden, obgleich Russland in vielen Bereichen, beispielsweise die erwähnten Röhren, auf die ukrainische Produktion angewiesen ist, da die eigenen Hersteller den Bedarf nicht decken können.

Ein politischer Hebel ergibt sich für Russland momentan in der weiteren Verzögerung einer Einigung bei der Delimitation der Grenzen in der Meerenge von Kertsch. Streitpunkt ist, ob die Fahrrinne internationales Gewässer oder ukrainisches Hoheitsgebiet wird. Diese Einigung ist für die Europäische Union eine Grundvoraussetzung, um die Visafreiheit, welche Bestandteil des Assoziierungsabkommens ist, einzuführen. Hier wären von der europäischen Seite Zugeständnisse angebracht, um Russland dieses Druckmittel aus der Hand zu nehmen.

Ukrainische Regierung setzt auf Verzögerung

Auch deshalb ist die Administration Janukowytsch offensichtlich nicht gewillt, die russische Führung zu brüskieren. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger ist Wiktor Janukowytsch offenbar bemüht, die russische Führung solange hinzuhalten, bis das Assoziierungsabkommen unter Dach und Fach ist und Russland vor Fakten gestellt wird. Nur unter diesem Aspekt ist die in die Diskussion gebrachte Formel „3+1“ zu verstehen, die von Präsident Janukowytsch in seinem jährlichen Bericht vor der Werchowna Rada (7. April 2011) für die zukünftigen Beziehungen zwischen der Zollunion und der Ukraine verwendet wurde. Russland wird sich jedoch kaum auf Sonderkonditionen für die Ukraine einlassen. Ziel ist die vollständige Integration der Ukraine, eine andere Option sieht Wladimir Putin offenbar nicht. Daher sind in der nächsten Zeit noch überraschende Vorschläge von russischer Seite, beispielsweise bei der von russischer Seite angestrebten faktischen Übernahme des ukrainischen Gastransportsystems zu erwarten. Die ukrainische Regierung wird aber auch hier kaum zu Kompromissen bereit sein. Bereits jetzt ist die Option eines teilweisen Börsenganges von „Naftohas Ukrajiny“ – die Rede ist von 25 Prozent – mit garantierter Übernahme der Anteile durch ukrainische Oligarchen ins Spiel gebracht worden. Dies wurde einfach gemacht, um wiederum Zeit zu gewinnen.

Assoziierungsabkommen zu 90 Prozent fertig

Vor diesem Hintergrund ist eine recht baldige Überwindung der strittigen Fragen bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der Ukraine und der EU für die ukrainische Führung essentiell. Die Ukraine hat dabei in den Verhandlungen eine Öffnung ihres Marktes zu 60-70 Prozent zugestanden. Zölle sollen beispielsweise bei Billigkleidung bzw. Second Hand Kleidung bestehen bleiben, um die einheimischen Textilproduzenten zu schützen. Die Streitigkeiten zu den regionalen Herkunftsbezeichnungen für Produkte scheinen beigelegt zu sein, wobei die EU zu einer Übergangsfrist von 5-10 Jahren bereit ist und der Großteil der ukrainischen Hersteller dies als vertretbare Frist für ein Rebranding ansieht. Insgesamt lassen die Verhandlungsführer beider Seiten unisono verlautbaren, dass die Punkte des Assoziierungsabkommens zu 90 Prozent bereits abgestimmt worden sind.

Unklarheiten bestehen weiterhin bei den Exportquoten für ukrainische landwirtschaftliche Erzeugnisse. So wurde in der ukrainischen Presse kolportiert, dass die Europäische Union bereit ist, die Zölle für Produkte wie Bananen, Kiwi, Avocado und Datteln abzuschaffen, wobei gleichzeitig die Einfuhr für wirklich in der Ukraine erzeugte Produkte wie Getreide oder Schweinefleisch hart beschränkt wird. So bot die EU der Ukraine an, 15.000t Schweinefleisch und jeweils 10.000t Hühner- und Rindfleisch exportieren zu können. Von ukrainischer Seite wurden jedoch 300.000t Hühnerfleisch und jeweils 50.000t Schweine- und Rindfleisch angestrebt. Ähnlich verhält es sich bei Getreide. Von Seiten der EU wurden 200.000t als zollfreie Quote angeboten und die ukrainische Seite besteht auf 1,2 Mio. t an jährlichem zollfreien Getreideexport in die EU. Im letzten Jahr, in welchem die Ukraine Ausfuhrbeschränkungen bei Getreide erließ, exportierte die Ukraine über 760.000t Getreide in die Staaten der Europäischen Union. Weiterhin wird der Ukraine angeboten, 10.000t Zucker in die EU zollfrei einführen zu dürfen. Dies ist angesichts einer jährlichen Zuckerproduktion in der Ukraine von mehr als 1,5 Mio. t ein nicht ernsthaft diskutierbares Angebot.

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In anderen Bereichen fordert die EU den Abbau ukrainischer Handelsbeschränkungen. So wird die Ukraine aufgrund von Vereinbarungen mit der WTO ihre Exportzölle für Sonnenblumenkerne auf 10 Prozent senken, doch die EU strebt eine Absenkung auf 0 Prozent an. Dies würde jedoch die ölsaatverarbeitenden Werke in der Ukraine empfindlich treffen, die ihre Produktion bislang bereits zu 80 Prozent exportieren und deren Auslastung infolge dessen erheblich leiden würde.

Abschließend ist zu konstatieren, dass es für die Ukraine eigentlich keine Wahl zwischen „Europa“, also der EU, und der Zollunion, respektive Russland, gibt. Die ukrainische Regierung (wie auch die Mehrheit der Bevölkerung) hat sich bereits entschlossen, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Nicht zuletzt wird auch trotz historischer Verbindungen und emotionaler Bindungen an Russland in der ukrainischen Bevölkerung die europäische Integration befürwortet. Insbesondere von der Visafreiheit versprechen sich viele Ukrainer einiges. Zumindest, durch die mögliche Abschaffung der erniedrigenden Visaprozeduren, das Gefühl zu bekommen, ein Teil Europas zu sein. Darüber hinaus wird die nähere Anbindung der Ukraine an die Europäische Union auch nicht folgenlos für Russland bleiben. Eine erfolgreiche Modernisierung der Ukraine im wirtschaftlichen und politischen aber auch im gesellschaftlichen Sinne erhöht den Druck auf Russland, sich selbst zu modernisieren, denn die Russen können „Europa“ dann nicht mehr nur im fernen Paris, London oder Berlin sehen, sondern im gewissermaßen „heimatlichen“ Kiew, Lwiw oder Charkiw. Auch bereits jetzt stehen nicht nur in ukrainischen Städten, sondern auch in Moskau, Sankt-Petersburg, Nowosibirsk und Wladiwostok Wohnungen mit „Eurosanierung“ und nicht mit „Russosanierung“ hoch im Kurs.

Der Artikel erschien zuerst bei der Heinrich-Böll-Stiftung.

Autor:   Kyryl Savin und Andreas Stein — Wörter: 2529

Dr. Kyryl Savin war Leiter des Länderbüros der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew. Das komplette Dossier der Heinrich-Böll-Stiftung zur Demokratie in der Ukraine finden Sie hier

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