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Michail Dubinjanskij: Der Staat – Das bin …

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„… Ich“, stellte der französische König Ludwig der XIV. ohne Umschweife klar. In vaterländischer Hinsicht sind diese Worte aktueller denn je.

Am Vorabend der Wahlen identifiziert sich die Premierministerin unauffällig mit der Ukraine, der Sprecher mit dem ukrainischen Volk. Der Präsident aber verbindet sein niedriges Rating mit einem bedauerlichen Missgeschick: ihm wurden gemeine Untertanen gegeben, die nicht gewillt wären, sich umerziehen und in eine selbstbewusste Nation verwandeln zu lassen.

Aber solange sich die staatlichen Männer und Frauen mit dem „who is who“ beschäftigen, zerfällt der Staat in marginale Strukturen. In der heutigen Ukraine läuft vieles effektiv und erfolgreich, aber gut entwickelt sich bei uns nur das, was nicht mit der Staatsmaschine zu tun hat.

Hierher kommen die wahrlich fantastischen Landschaften – der Strom von Neuwagen auf den kaputten Straßen, die Luxusboutiquen neben malerischen Müllhaufen, die moderne Haushaltstechnik in den Privatwohnungen und die abgenutzten Kommunikationsmittel aus der Sowjetzeit.

Die Ukraine wirkt wie eine Siedlung in einem Sumpf: Jeder von uns kann sich sein schmuckes, kleines Haus bauen, aber solange der Sumpf nicht durch gemeinsame Bemühungen trockengelegt ist, kann man ein komfortables Leben nicht erwarten.
Die Marginalisierung des Staates wächst mit jedem Jahr. Jeder, der klug und zielstrebig ist, arbeiten kann und will, bemüht sich, nichts mit dem Staat zu tun zu haben und sich von ihm fernzuhalten, als wäre er buchstäblich an der Schweingrippe erkrankt. Ein lebendiges Interesse an der Staatsmaschine haben nur zwei Kategorien engagierter Ukrainer:

1. Korrupte Leute, die den Staat zur persönlichen Bereicherung nutzen

2. Ideologische Fanatiker, die den Staat als Instrument zur Verbreitung ihrer persönlichen Werte in der Bevölkerung verstehen

Während Erstere mit dem Abzweigen staatlicher Mittel beschäftigt sind, bemühen sich Letztere um die Schaffung einer nationalen Mythologie und die „Aufklärung“ jener Mitbürger, die nicht an die Nation und ihre Helden glauben. Mit den eigentlichen Funktionen eines Staates hat dies nicht im Geringsten zu tun.
Der Staat ist weder eine Futterkrippe für Auserwählte, noch ein überweiser Guru, ein Heiligtum oder eine majestätische Kathedrale. Der Staat ist eine besondere Form der gesellschaftlichen Organisation und deshalb nicht heiliger als ein beliebiges Wohnungsbaukooperativ.

Die Zeiten, in denen der Staat abstrakten Werten wie Krone, Religion, Nation oder Idee diente, sind lange vorbei. Der moderne Staat dient vollkommen den konkreten Bürgern, die wiederum ihn mit ihren Steuern unterstützen. Dabei haben ihre Nationalität, Glaubenszugehörigkeit, kulturelle Vorlieben und historische Ansichten nicht die geringste Bedeutung.

Unsere Verantwortlichen sind nicht auf der Welt, um den Gott namens „Ukrainischer Staat“ anzubeten. Im Gegenteil – Der Staat existiert nur in jenem Maße, in dem er seinen 46 Millionen Bürgern auf beiden Seiten des Dnjepr nötig ist.
Wenn die Bürger beginnen, ihren eigenen Staat zu hassen, so ist dies kein Problem ihrer selbst, sondern des Staates. Wenn die leitende Bürokratie bereit ist, Millionen von Bürgern mit verantwortungslosen Emporkömmlingen und einer „fünften Kolonne“ zu bescheren, so verurteilt er sich selbst.

All das klingt nach Binsenweisheiten, aber es schadet nicht, diese hin und wieder zu wiederholen. Allein deshalb, weil im Moment ein Mann mit einem wahrlich mittelalterlichen Verständnis von der Funktion und der Macht des Staates an der Spitze der Ukraine steht.

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Wiktor Andrejewitsch glaubt wirklich, dass die primäre Pflicht des Präsidenten nicht der Dienst an den Bürgern, ein effektives Staatsmanagement oder die Kontrolle über die Einhaltung der Verfassung wäre, sondern die „Erziehung der Nation“.
Wenn der Chefkoch eines Restaurants plötzlich beschließt, dass seine Aufgabe nicht darin bestünde, die Bestellungen der Gäste zu erfüllen, sondern ihnen Lektionen über gesunde Kost zu erteilen, so würde das Restaurant sehr bald schließen müssen. Ähnliches könnte man über die messianische Präsidentschaft Wiktor Juschtschenkos sagen.

Natürlich kann es keinen idealen Staat geben und auch das geheiligte Europa ist vor Problemen nicht sicher. Vor nicht allzu langer Zeit ging im vernebelten Großbritannien eine skandalöse Geschichte vor sich: Premierminister Gordon Brown erklärte sich bereit, 12.000 Pfund an die Staatskasse zurückzuzahlen, die er für die Dienste einer Putzfrau ausgegeben hatte.

Die Ukrainer interessierte diese – in Großbritannien skandalöse Geschichte – kaum: Langweilig, matt, prosaisch und in keinem Vergleich zu den politischen Unwettern auf den Kiewer Hügeln stehend. Wahrscheinlich, weil Mister Brown kein Messias, kein Führer der Nation, keine „einzige Hoffnung Englands“ und kein wundersamer „Er“ ist. Er ist nur ein angestellter Manager, der die Gesellschaft „Großbritannien“ führt und gegenüber den „Aktionären“ – 60 Millionen britischen Bürgern – rechenschaftspflichtig ist. Und die Demokratie ist für die Landsleute Browns kein Selbstzweck und kein heiliges Ideal, sondern ein vollkommen pragmatisches Instrument, das der Öffentlichkeit eine Kontrolle der Staatsbediensteten jeglichen Rangs ermöglicht, vom Bürgermeister bis zum Premierminister.

In der Ukraine bleibt die Rechenschaftspflicht von Staatsbeamten der Öffentlichkeit gegenüber reine Fiktion. Fernab aller Illusionen kann eine Bürgerkontrolle der Bürokratie nicht durch Zauberhand erreicht werden, weder durch den Willen eines starken Führers, noch durch den Wunsch einer revolutionären Menge.
Die Kluft zwischen Bürgern und Staat muss allmählich geschlossen werden – Schritt für Schritt. Dazu braucht es Jahre. Um einen Anfang zu machen, ist es für die Ukrainer wichtig, von zwei Verhaltensweisen Abstand zu nehmen: Von der Nichtteilnahme am staatlichen Leben und vom Verständnis des Staates als höherer Wert.

Das sorglose „Ich weiß von nichts!“ und das klangvolle „Der Staat über alles!“ sind ebenso unvereinbar mit einer Bürgergesellschaft.

Zu ihrer Zeit fügte die Sakralisierung des Staates der unabhängigen Ukraine erheblichen Schaden zu. Der Politologe Wladimir Solotarjow bemerkt richtig: „Zu Anfang der neunziger Jahre fühlte sich die Bürokratie in der Ukraine nicht sehr wohl. Die Bürokraten standen stramm und man konnte aus ihnen formen, was man wollte.“

Allerdings waren dazu einige, besondere Umstände nötig. In erster Linie eine breite, öffentliche Diskussion über die konkreten Veränderungen, welche unumgänglich waren. Die Bewegung setzte den Treffer genau hier. Die „Rosbudowa Dershawi“ wurde als Unmöglichkeit einer Kritik am Staat verstanden. Bei einem jeden solchen Versuch begann eine Hysterie in der Presse, die mehrheitlich für die „Bewegung“ war.

Dank einer _„lass den Beamten in Ruhe, er ist jetzt ein wichtiger Ukrainer“_- Politik kehrte sich der Staat nach innen, stärkte sich und kehrte als rechtmäßiger Hausherr in unser Leben zurück.

Die Ereignisse der letzten Jahre haben zum wiederholten Mal gezeigt: Viele unserer Mitbürger sind bereit, jedem beliebigen Beamten Dummheit, Inkompetenz und Willkür zu verzeihen, solange er sich als glühender Patriot gibt, der sich den bösen, antiukrainischen Kräften entgegenstellt.

Am Ende der Amtszeit Wiktor Juschtschenkos zeichnet sich für die gedeckten Bürokraten und ihre malerischen Verstrickungen eine Krise ab. Aber das ist kein Unglück. Es gibt auch andere Möglichkeiten, die Staatsmaschine in Richtung der heiligen Kuh zu lenken.

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Riskieren wir die Vermutung, dass in naher Zukunft der demonstrative Kampf für Gerechtigkeit zu einem Instrument dafür wird.

„Fass den Beamten nicht an, er macht mit den verdammten Oligarchen gemeinsame Sache“, das klingt sehr aussichtsreich, nicht wahr? Ein bedeutender Teil der ukrainischen Gesellschaft unterstützt die Mitglieder der Nomenklatur, welche den edelmütigen Robin Hood aus dem Sherwood Forrest spielen. Ihnen wird man Unprofessionalität, Starrsinn, unverschämte Lüge und Gesetzübertretung verzeihen.

Das Einzige, was von der Bürokratie verlangt wird, ist, dass sie dem Land von Zeit zu Zeit entlarvte „Feinde des Volkes“ präsentiert und diese wirksam bestraft. Und die nörglerischen Kritiker der bürokratischen Maschinerie wird man schnell zu den Handlangern der verhassten Oligarchie zählen. Im Prinzip konnte man so etwas schon im benachbarten Russland zu Beginn der 2000er beobachten; ich befürchte nur, dass das Drehen an diesen Muttern bei uns keinen Zufluss von Öldollars nach sich ziehen wird…

An der Schwelle der Präsidentschaftswahlen stürmen selbstbewusste Männer mit starken Händen, charismatische Führer, weise Lehrmeister und ambitionierte Erlöser die Ukraine. Nur professionelle Söldner, die bereit sind, dem Volke ihre Dienste anzubieten, sieht man nicht. Sogar jene, denen es der Herr selbst gegeben hat, die bescheidenen Technokraten darzustellen – Jazenjuk, Tigipko, Gritzenko – spielen drollig mit den Muskeln und nehmen eine autoritäre Tarnung an.
Was sagen einem also die Politiker am Vorabend der Wahlen? Sie befriedigen kaum die Ansprüche der Wählerschaft. Der Durchschnittswähler braucht keinen Arbeitsvertrag mit dem Präsidenten, sondern Zuckerbrot und Peitsche eines strengen, aber gerechten Zaren. Und das ist wahrscheinlich das Traurigste. Denn die Macht kann nicht von disziplinierten Arbeitern vollzogen werden, solange wir selbst nicht in die Rolle eines verantwortungsvollen Arbeitgebers wachsen.

13.11. // Michail Dubinjanskij

Quelle: Ukrajinska Prawda

Übersetzer:   Stefan Mahnke — Wörter: 1331

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