Ministerpräsident Wolodymyr Hrojsman und IWF-Chefin Christine Lagarde bei einem Treffen. Quelle: Werchowna Rada
Die Regierung macht sich daran die Zusammenarbeit mit dem IWF zu erneuern.
Die Ankunft des entsendeten Teams wird in nächster Zeit erwartet (die IWF-Mission war vom 10.—18. Mai in der Ukraine, A.d.R.). Mit der nächsten Tranche im Umfang von 1,7 Mrd. Dollar rechnet die Ukraine im Juni.
Zuletzt hatte die Ukraine im August 2015 ein Hilfspaket vom Währungsfonds bekommen. Seitdem kam es nicht zur Revision des Programms – der IWF wartete auf das Ende der politischen Krise im Land und auf das neue Ministerkabinett.
Nach dem Regierungswechsel verkündeten alle ihre Bereitschaft die Zusammenarbeit fortzusetzen: sowohl der Währungsfonds als auch die Ukraine. „Die Aufgabe der Regierung ist es die Verpflichtungen gewissenhaft zu erfüllen, die die Ukraine im Rahmen des Abkommens mit dem IWF auf sich genommen hat. Punkt. Der Plan zur Zusammenarbeit mit dem IWF ist nicht der Plan des IWF. Das sind ein ukrainischer Plan und Reformen, die wir durchführen müssen, und diese sind leider schmerzhaft. Es gibt viele Beschlüsse, die wir annehmen müssen, besonders in Bezug auf den ökonomisch begründeten Gaspreis. Diese Verpflichtungen haben wir auf uns genommen“, erklärte Wolodymyr Hrojsman am ersten Tag als Ministerpräsident.
Der neue Finanzminister Oleksandr Danyljuk rief ebenfalls zur Erneuerung der Zusammenarbeit mit dem Währungsfonds auf. Nach seinen Worten „provoziere eine Absage an die Zusammenarbeit mit dem IWF eine neue Etappe der Wirtschaftskrise“.
Tarif-Überraschung
Nach den Anträgen der Funktionäre kam man schnell zur Sache. Gleich auf ihrer ersten Sitzung befasste sich die Regierung mit den Gesetzesentwürfen zur Erfüllung der Auflagen des Währungsfonds.
Einer der Gesetzesentwürfe betrifft die Umsetzung der vom IWF empfohlenen Reformierungen der Finanzbehörden. Ein anderer die einzubringende Änderung in den Steuerkodex zur Minimierung des Einflusses auf die Verwaltung von Budgetzugängen.
Am Mittwoch kann die Regierung eine der Hauptforderungen des Währungsfonds erfüllen: die Gastarife für die Bevölkerung auf 100 Prozent Deckung des Importpreises zu erhöhen (Die Erhöhung kam am 27. April).
Die Gleichstellung mit dem Import – das ist der Preis für den importierten Brennstoff plus Umsatzsteuer und plus den Wert des Gastransports. Zurzeit kostet importierter Brennstoff 210 Dollar und die Lieferung um die 900 Hrywnja.
Die Erhöhung war zum 1. April 2016 auf 75 Prozent Deckung geplant worden, doch die Regierung von Arsenij Jazenjuk vertagte sie um einen Monat. „In der Hitze der politischen Krise hinterließ er diesen unpopulären Beschluss den Nachfolgern. Eine Art kleine Rache“, erklärte sarkastisch ein Sprecher des Finanzministeriums gegenüber der Ekonomitschna Prawda.
Indem das Ministerkabinett die Tarife auf 100 Prozent erhöht, macht es sogar mehr als der IWF von ihm verlangt. Warum? Gründe gibt es einige.
„Um alles Negative auf einmal durchzuziehen, anstatt es auf zwei Jahre zu zerren. Die Leute haben sich aber noch nicht an den jetzigen Preis gewöhnt. Plus 2016 war ein warmer Winter. Ich habe Angst, dass wir in eine Zahlungsunfähigkeitskrise geraten“, sagte ein Regierungsmitglied im Gespräch mit der Ekonomitschna Prawda.
Nach seinen Angaben wurde der Streit über die Erhöhung der „Beteiligung“ – ob auf 75 Prozent oder 100 Prozent – bis zuletzt besprochen.
Des Weiteren ist der Preis für importiertes Gas stärker und schneller gesunken als erwartet. Deshalb kann man den inneren Preis jetzt erhöhen und dadurch auf Null kommen, also zu einer finanziellen Balance bei der Nationalen Aktiengesellschaft Naftohas. Ein weiterer Punkt in Bezug auf Tarife betrifft die Subventionen für die Bevölkerung bei der Zahlung kommunaler Dienste. Einerseits bedeutet eine Tariferhöhung höhere Ausgaben für Subventionen aus dem Staatshaushalt. Andererseits führt eine Preiserhöhung zur Anhebung des Energieeffizienzniveaus. Es gibt die Erwartung, dass die Bevölkerung 2016 massenhaft auf die Tariferhöhungen von 2014-2016 reagiert und zu sparen beginnt. Diesen Effekt durchzurechnen ist kompliziert, doch letztendlich kann die Haushaltskürzung die notwendigen Subventionserhöhungen teilweise ausgleichen.
Die Tariferhöhungen bedeuten „grünes Licht“ auf dem Weg der Vereinbarungen mit dem Währungsfonds. Allerdings ist das nicht das Einzige, das zur vollständigen Erfüllung des Programms notwendig ist.
Der parlamentarische Faktor
Zur Erfüllung aller Forderungen des Währungsfonds müssen 24 Gesetzesentwürfe angenommen werden. Mit der gesamten Liste kann man sich hier vertraut machen.
„Der IWF wird artig sein, doch er ist nicht daran interessiert, uns einen Vorschuss zu geben oder uns zu begleiten. Die Koalition und die Regierung müssen Einigkeit und Bereitschaft demonstrieren Änderungen umzusetzen. Die Gesetzesentwürfe müssen unbedingt angenommen werden“, sagte ein Sprecher des Ministerkabinetts der Ekonomitschna Prawda.
Einer der letzten Entwürfe des Memorandums sieht eine Reform der Staatlichen Finanzbehörde vor, mit dem Ziel, sie in einen „Service Dienst“ umzuwandeln und Personalkürzungen von 50.000 auf 41.000 vorzunehmen.
Im selben Zuge bietet es sich an einen Gesetzesentwurf über Kriterien zur Identifikation Vermögender auszuarbeiten, ein spezielles Auditing-Programm für sie einzuführen und der Staatlichen Finanzbehörde Zugang zu ihren Bankdaten zu erlauben, wenn Strafverfolgungsbehörden dies verlangen. Die Regierung verpflichtet sich Schutzinstrumente einzuführen, die die Verbreitung von Bankinformationen durch Personal der Staatlichen Finanzbehörde nicht zulassen. Der Gesetzesentwurf erklärt außerdem das Moratorium für Überprüfungen von Steuerzahlern, deren Gewinn im vergangenen Kalenderjahr bis zu 20 Millionen Hrywnja (ca. 700 000 Euro) betrugen, für ungültig.
Des Weiteren sieht das Memorandum vor, eine Führungskraft für die Zollabteilung in der Staatlichen Finanzbehörde zu bestimmen und ein Institut für Wirtschaftsakteure entsprechend europäischer Gesetzgebung einzurichten.
Auch die Pläne des Ministerkabinetts bezüglich der Privatisierung zweier zum System gehöriger staatlicher Banken – der Oschtschadbank und der Ukreximbank – haben sich geändert. Während die Regierung früher geplant hatte, einen Anteil von 25 Prozent zu verkaufen, so sind es nunmehr 20 Prozent. Verkaufstermin ist Mitte des Jahres 2018.
Nach Informationen der Quellen von Ekonomitschna Prawda ist eine Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht geplant – es gibt die Idee, dies maximal herauszuzögern. Unter den möglichen neuen Punkten im Memorandum befindet sich die Ablehnung einer Rentenbesteuerung bei Pensionären ab dem 1. Mai.
Mit der letzten Fassung des Memorandumsentwurfes kann man sich hier (Teil 1) und hier (Teil 2) vertraut machen. Er ist zurzeit in Bearbeitung.
Die Schwierigkeit liegt darin, dass alle neuen „Hindernisse“ auch im Parlament angenommen werden müssen. Inwieweit das gelingt, wird die Zeit zeigen. Wenn die Ukraine im Juni eine Tranche bekommt, muss die nächste Überprüfung des Programms im September stattfinden.
Zum Herbstanfang beginnt traditionell die aktive Phase der Haushaltsperiode. Bis zum 15. September muss die Regierung ihren Haushaltsentwurf ins Parlament einbringen.
Regierungssprecher schließen gegenüber Ekonomitschna Prawda nicht aus, dass sich die Situation des vergangenen Jahres wiederholt: Der Währungsfonds wird die dritte Programmrevision an einen ausgeglichenen Haushalt knüpfen und auf maximale Erfüllung aller „Hindernisse“ warten.
Die Reserven warten darauf, aufgefüllt zu werden
Wie bekannt ist, soll die Tranche des IWF zur Auffüllung der Währungsreserven eingesetzt werden.
„Die dritte Tranche ist für uns insofern wichtig als sie uns ermöglicht, die Währungsreserven zu vergrößern und sie ungefähr auf 15 Milliarden Dollar zu bringen. Falls die Tranche ausbleibt, könnte dies zusätzlichen Druck auf die Hrywnja erzeugen und entsprechend auch auf die finanzielle Stabilität“, sagte Dmytro Schymkiw, stellvertretender Leiter des Präsidialamtes.
In Januar und Februar hielten sich die Reserven bei 13,4 Milliarden Dollar. Unter anderem dank dessen, dass die Regierung die Währung auf dem Binnenmarkt nutzte.
„Die letzten Monate sind Auktionen zur Versteigerung von Staatsanleihen im vollen Gange – sowohl in Hrywnja als auch in Dollar“, sagt Jurij Towstenko, Abteilungsleiter für die Arbeit mit Schuldtiteln auf dem Lokalmarkt der Concorde Capital (Ukrainische Investment Bank A.d.Ü.). Der Staat hat diese Instrumente ziemlich lange nicht genutzt und jetzt, so seine Worte, trifft der Markt freudig auf die Währungsanleihen.
Nach Daten der Ukrainischen Nationalbank hatte die Ausgabe der Währungsanleihen ihren größten Effekt im Januar und Februar.
„In den ersten zwei Monaten des Jahres 2016 vergrößerte sich der Umfang der Reserven um 1,8 Prozent oder um 238 Millionen Dollar. Die Ausgabe von Obligationen als innerstaatliche Darlehen, denominiert in Dollar, sicherte Einnahmen über 432,3 Millionen Dollar ab, zum Nutzen der Regierung“, heißt es in einem offiziellen Bericht der Nationalbank.
Die Reserven sind angewachsen trotz der notwendigen Regulierungsmaßnahme in Form von Währungsauktionen zum Ausgleich übergroßer Kursschwankungen der Hrywnja.
Der Umfang der Währungsreserven verringerte sich im März auf 12,7 Milliarden Dollar. „Diese Summe macht die Ukraine zu einem ziemlich risikobehafteten Staat, zumindest in Bezug auf Finanzstabilität. Den Kreditgebern ist das bewusst“, bemerkte der Exekutivdirektor der Bleyzer Foundation, Oleh Ustenko.
Wie Jurij Towstenko konkretisierte, decken die Währungsreserven heute kaum drei Monate der Importe ab.
Außer dem Auffüllen der Währungsreserven öffnet die Zusammenarbeit mit dem IWF neue Türen zu anderen Möglichkeiten der Kreditvergabe. Die Unterschrift unter dem Memorandum mit dem Währungsfonds erlaubte es, eine Milliarde Dollar Garantien der USA und 600 Millionen Euro Makrofinanzhilfen der Europäischen Union zu bekommen.
27. April 2016 // Halyna Kalatschowa, Samira Abbassowa
Quelle: Ekonomitschna Prawda
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